Othmar Zeder liebt Menschen und ihre Geschichten. Er liebt Bilder, die diese Geschichten visualisieren, und er liebt es, diese Bilder zu vertonen. Mit Musik, Anekdoten, Geräuschen und Statements. Zudem liebt er Verse, die alles miteinander verbinden.
Der Heimweh-Basler lacht. «Stimmt», sagt er. «Das ist meine Welt. Und das, seit ich ‹visuell denken kann›. Um die Jahrtausendwende, also acht Jahre bevor mein Vater im Alter von 93 Jahren verstarb, hatte ich eine Idee, von der ich nicht wirklich ahnte, wohin sie mich führt.»
Die kleine Videokamera war immer dabei
In den Jahren vor seinem Weggang besuchte der Sohn den Vater regelmässig mit einer kleinen Videokamera. «Er war einverstanden damit, und so zeichnete ich in ungezwungener Art einige unserer Gespräche auf. Für die Abdankungszeremonie kombinierte ich Bilder früherer Tage mit Sequenzen aus diesen Aufzeichnungen, ergänzt mit einem persönlichen Gedicht.» Othmar Zeders erste Würdigung mit Bildern war geboren.
In der Zwischenzeit sind weitere Werke dazu gekommen. Einige davon realisierte der Fotograf und Filmer in den wenigen Tagen zwischen dem Weggang eines stillgewordenen Menschen und der Trauerfeier. In solchen Momenten schaltet Othmar Zeder zwei, drei Nachtschichten ein. «Schliesslich gilt es, mir einen Überblick über das vorhandene Material zu verschaffen. Fotos zu sichten, Filme im Schnelldurchlauf anzuschauen, Dokumente zu sortieren und dann alles zu ordnen, in einen Kontext zu bringen und schlussendlich mit einer stimmigen Musik zu untermalen. Und das, wenn möglich, im stetigen Kontakt mit den Hinterbliebenen».
Trauerfeier: Das «letzte Fest» zu Lebzeiten planen
Für andere Arbeiten kann sich Othmar Zeder mehr Zeit nehmen. Sie entstehen in Zusammenarbeit mit Menschen, die sich frühzeitig Gedanken machen über «ihr letztes Fest». Mit ihnen zeichnet Othmar Zeder Gespräche auf, verarbeitet vergilbte Fotos und Dias, sichtet 16mm- und Super-8-Filme sowie Videos in VHS oder Video-8-Qualität. Selbstverständlich lässt er in seine Würdigung auch Dokumente, Tonschnipsel einfliessen.
Die überaus positiven Reaktionen auf diese Lebensreisen drängten den 62-Jährigen regelrecht dazu, sein über Jahre erworbenes Wissen ganz speziell für solche Anlässe zu nutzen. Denn umfangreiche Bilderreisen zu gestalten ist Othmar Zeders grosse Leidenschaft: «Es gab Zeiten, da habe ich mit Dias Bildkompositionen geschaffen und Präsentationen mit bis zu 18 Projektoren realisiert. Eine unglaublich kreative Phase, die mir in guter Erinnerung ist.»
Dank seiner einfühlsamen Art, der grossen Kreativität und der verblüffenden Vernetzung mit den unterschiedlichsten technischen Geräten gelingt es Othmar Zeder mit spielerischer Ernsthaftigkeit, dem Leben im Angesicht des Todes eine Bühne zu geben.
Ein letztes Gedicht für den sterbenden Vater
Othmar Zeders Vater erhielt seine letzte Bühne im November 2008 in der Abdankungshalle des Hörnli-Friedhofs in Riehen bei Basel. «Er war mit seinen 93 Jahren ein rüstiger, aber altersschwacher Mann. Auf dem Weg zum Einkauf stürzte er auf der Strasse wegen eines Trams. Es war der Anfang seines Heimgangs. Tage später erhielt ich einen Telefonanruf. Eine Pflegefachfrau teilte mir mit, Vater liege im Sterben. Ich setzte mich in den Zug, fuhr nach Basel, eilte ans Sterbebett. Die Fahrt inspirierte mich dazu, für ihn ein Abschiedsgedicht in mein Nokia zu ‹töggeln›. Leider war es mir nicht vergönnt, ihm das Gedicht vor seinem letzten Atemzug vorzutragen. Bei der Abdankung wurde es Teil seiner ‹letzten Lebensbühne›.»
Em eus’re Vati woll’n wir schlicht
in Freude widmen dies Gedicht.
Für immer hast Du uns verlassen
hast uns im Leben leben lassen.
Er ging dorthin, wohin sein Wille
ihn dahin wünschte, in die die Stille.
Da wusste er den Frieden finden
bei seinem ‚Gott’, der ihn mit linden
offnen Armen will umschliessen
in seine Seel wahr’s Licht ergiessen.
Er hat gelassen uns zurück
mit einem Lächeln … von ihm ein Stück.
Der Atem hat es ihm geschenkt!
Sein Leben war nicht ‚Honigschlecken’
des Alltag’s lasst er durfte schmecken.
Das hat sein Glaube stark gemacht
beflügelt sanft in dieser ‚Macht’.
Gegangen ist er drum im Frieden
ihm dankbar sind wir all hinieden.
Dir gönnen wir jetzt deine Ruh!
Für Dich das Buch wir machen zu.
Text: Martin Schuppli | Foto: Bruno Torricelli