Einige Grundbegriffe im Erbrecht
Regelt der Erblasser seinen Nachlass nicht selber über ein Testament oder einen Erbvertrag, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Der Erbteil, den die einzelnen Erben erhalten, bestimmt sich dann nach den Bestimmungen des ZGB. In der Schweiz basiert die gesetzliche Erbfolge auf einem „Parentel-System“. Die Nachkommen eines Erblassers bilden dabei die erste Parentel, die Eltern die zweite und die Grosseltern die dritte Parentel.
Erst wenn in der ersten Parentel keine Erben mehr vorhanden sind, also ein Erblasser keine Kinder hat, kommen die Erben der zweiten Parentel zum Zug. Gleiches gilt für die Erben der dritten Parentel: Diese erben erst dann, wenn in der ersten und zweiten Parentel keine Erben mehr vorhanden sein sollten. Der Erblasser ist jedoch grundsätzlich frei, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Verfügungen vorzusehen. In der Schweiz sind aber gewisse, dem Erblasser nahestehende Personen über das Pflichtteilsrecht geschützt. Die Pflichtteile dieser Erben sollten bei der Erstellung eines Testaments oder eines Erbvertrages beachtet werden.
Werden die Pflichtteile durch die testamentarischen Verfügungen verletzt, sind diese Erben berechtigt, eine Anfechtungsklage, respektive eine Herabsetzungsklage zu erheben. Die Pflichtteile bestimmen sich anhand der gesetzlichen Erbfolge, wie nachfolgend an einigen Beispielen illustriert wird. Das, was dem Erblasser nach Berücksichtigung der Pflichtteile bleibt, respektive, worüber der Erblasser nach Belieben verfügen kann, nennt sich verfügbare Quote. Diese kann der Erblasser also beliebigen Personen oder Organisationen frei nach seinem Gusto vermachen.
Pflichteile und freie Quote in verschiedenen Konstellationen
Um die Begriffe etwas greifbarer zu machen, schauen wir uns diese in einigen verschiedenen Konstellationen an:
Bsp. 1: Frau und Kinder
Erblasser B hat seine Kinder C und D auf den Pflichtteil gesetzt und seiner Frau A die ganze verfügbare Quote zugewiesen. Sein Nachlass besteht aus einem Barbetrag von 400‘000.-. Wer erhält wie viel? Die Pflichtteile bestimmen sich, wie oben erwähnt, nach dem gesetzlichen Erbteil. Für Nachkommen beträgt der Pflichtteil gemäss Art. 471 ZGB die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches. Der gesetzliche Erbanspruch beträgt die Hälfte der Erbschaft, wenn Nachkommen mit Ehegatten zu teilen haben (vgl. Art. 462 OR). Die Hälfte des Nachlasses wären 200‘000.- (gesetzlicher Erbteil der Kinder). Davon erhalten die Kinder ½ als Pflichtteil, also 100‘000.- (je 50‘000.-). Der Erblasser vermacht seiner Frau A demnach insgesamt 300‘000.-.
Bsp. 2: Die unglückliche Ehe
Erblasser Y hinterlässt seine Frau Z und eine Tochter X. Die Ehe lief in den letzten Jahren nicht mehr gut. Y möchte deshalb die Frau auf den Pflichtteil setzen und seiner Tochter den ganzen Rest des Nachlasses zuweisen. Dieser besteht aus einem Vermögen von 200‘000.-. Wir haben bereits gesehen, dass der gesetzliche Erbteil von Kindern und Ehegatten je ½ beträgt, wenn diese miteinander zu teilen haben. Demnach würden Z und X je 100‘000.- zustehen. Da die Ehegattin aber auf den Pflichtteil gesetzt wurde, welcher gemäss Art. 471 ZGB der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches entspricht, erhält Z nur 50‘000.-. Tochter X erhält demnach insgesamt eine Erbschaft von 150‘000.-.
Bsp. 3: Ehegatten und Eltern müssen teilen
Erblasser R hinterlässt seine Mutter S und Ehefrau T. R möchte seine Ehefrau maximal begünstigen. Insgesamt sind Barmittel von 200‘000.- vorhanden.
Wenn Ehegatten mit Eltern zu teilen haben, steht ihnen als gesetzlicher Erbteil ¾ zu. Der gesetzliche Erbteil der Mutter S wäre also 50‘000.-. Die Mutter ist jedoch keine pflichtteilsgeschützte Erbin und so kann R der Ehefrau T den gesamten Nachlass vermachen. Die Mutter S erhält also 0.- und die vollen 200’000.- gehen an Ehefrau T.
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