Das Notariat ist Sache der Kantone
Eine Ausprägung des schweizerischen Vollzugsföderalismus ist die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen. Das materielle Zivilrecht ist Sache des Bundes. Es bestimmt, welche Rechtsgeschäfte unter Privaten einer besonderen Form unterstehen (einfache, qualifizierte Schriftlichkeit oder öffentliche Beurkundung). Damit soll der einheitliche Rechtsverkehr auf dem gesamten Gebiet der Schweiz gewährleistet werden.
Der Vollzug, d.h. die Umsetzung des Bundesrechts, liegt hingegen in der Zuständigkeit der Kantone. Diese verfassungsgemässe Aufteilung wird in Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB für die öffentliche Beurkundung bekräftigt: «Die Kantone bestimmen, in welcher Weise auf ihrem Gebiete die öffentliche Beurkundung hergestellt wird». Sie müssen dabei bundesrechtliche Mindestanforderungen beachten. Insbesondere dürfen sie den Zugang zu Beurkundungsdienstleistungen nicht übermässig erschweren (bspw. durch selektive Zulassung oder hohe Gebühren).
Allen Kantonen ist – abermals im Sinne einer Mindestgarantie – die Errichtung einer Aufsichts- und Disziplinarbehörde gemeinsam. Dabei kann es sich um kantonale Notariatsverbände bzw. deren Organe (Notariatskammer, Notariatskommission Notariatsinspektorat o.ä.), um Verwaltungsdepartements oder um Gerichtsbehörden handeln. Diese sorgen durch periodische Überprüfung für eine sorgfältige Erfüllung notarieller Aufgaben. Sie können ggf. im Beschwerdeverfahren angerufen werden.
Amtsnotariat und freiberufliches Notariat
Grundsätzlich können im Notariatswesen zwei verschiedene Organisationsformen unterschieden werden. Das Amtsnotariat gilt in klassischer Form heute nur noch in den Kantonen Schaffhausen und Zürich. Wie der Name bereits vorwegnimmt, sind die Urkundspersonen hier Beamte im weiteren Sinne. Es handelt sich also um Angestellte staatlicher Behörden oder Ämtern. Je nach Tätigkeit kann es sich dabei z.B. um Handelsregister- oder Grundbuchbeamte, Gemeindefunktionäre oder eben Notare mit einer klassischen Laufbahn handeln.
Die andere, vor allem in der westlichen und südlichen Schweiz verbreitete Art, stellt das sogenannte freiberufliche Notariat dar. Zugelassene Urkundspersonen (französisch: officiers publics; italienisch: pubblici ufficiali rogatori) üben hier ihre Tätigkeiten gemäss den kantonalen Notariatsgesetzen oder -verordnungen in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung aus.
Während z.B. Bern oder das Tessin ein Beurkundungsmonopol für freiberufliche Notare vorsehen, kennen viele andere Kantone einen Vorbehalt der amtlichen Beurkundung. So beispielsweise der Kanton Uri, wo nebst dem Notar auch der Landschreiber, der Gerichtsschreiber sowie der Gemeindeschreiber zur öffentlichen Beurkundung bestimmter Geschäfte ermächtigt sind. Im Kanton Freiburg schafft das kantonale Notariatsgesetz sodann explizit Raum für weitere Zuständigkeiten.
Als wäre diese Situation nicht bereits genügend unübersichtlich, betreiben viele Kantone der deutschsprachigen Schweiz Mischformen aus freiberuflichem und Amtsnotariat. Die Aufgabenteilung zwischen amtlichen und freiberuflichen Urkundspersonen richtet sich im Einzelnen nach der Gesetzgebung des jeweiligen Kantons.
Als Grundregel gilt, dass sich die Zuständigkeiten je nach Sachbereich unterscheiden. Im Kanton St. Gallen bspw. können sowohl Amtsnotare als auch im Notariatsregister eingetragene (freiberufliche) Rechtsanwälte öffentlich beurkunden. In Grundbuchsachen hingegen nur der Grundbuchverwalter.
Was lasse ich wo von wem beurkunden?
Es ist aus Sicht der Klienten gar nicht einfach, im Einzelfall die richtige Urkundsperson ausfindig zu machen. Dafür kann es zunächst hilfreich sein, sich einen Überblick zu verschaffen.
Welche Rechtsgeschäfte benötigen eine öffentliche Beurkundung?
- öffentlich beurkundete Testamente
- Ehe– und Erbverträge sowie die meisten Bürgschaften
- die Errichtung von Stiftungen
- die Übertragung von Grundeigentum
- die Errichtung vertraglicher Grundpfandrechte oder Personaldienstbarkeiten (z.B. Nutzniessung oder Wohnrecht)
- die Gründung von juristischen Personen sowie die Statutenänderung
Anschliessend wählen Sie zunächst nach Kanton und dann nach Sachbereich. So finden Sie heraus, an wen Sie sich mit Ihrem konkreten Anliegen wenden können.
Zur Veranschaulichung: Wenn Sie im Kanton Schaffhausen einen Ehe- bzw. Erbvertrag abschliessen oder ein Testament öffentlich beurkunden lassen möchten, wenden Sie sich an den Schreiber der Erbschaftsbehörde oder an das Amt für Justiz und Gemeinden. Der Vertrag über einen Grundstückskauf ist hingegen durch das Grundbuchamt zu beurkunden. Am anderen Ende der Schweiz, im Kanton Wallis, sind für alle diese Rechtsgeschäfte die eingetragenen freiberuflichen Notare zuständig.
Unterschiedliche Zuständigkeiten in den Kantonen
Spätestens an dieser Stelle ist klar, dass die Zuständigkeiten und Verfahren zur öffentlichen Beurkundung von Kanton zu Kanton unterschiedlich kompliziert sind. Daher stellt sich, gerade für Personen, die in der Nähe von Kantonsgrenzen leben, die Frage, ob es möglich ist, öffentliche Beurkundungen auch in einem anderen als dem Wohnsitzkanton vorzunehmen. Einmal mehr lautet hier die Antwort: «Es kommt darauf an.»
Wir haben eingangs gesehen, dass die Bundesgesetzgebung eine Mindestharmonisierung des Notariatswesens in der Schweiz bezweckt. Jeder Kanton ist im Prinzip verpflichtet, die in einem anderen Kanton errichteten öffentlichen Urkunden ohne Weiteres als den eigenen gleichwertig anzuerkennen. Im Ergebnis kann damit jede durch das Recht ihres Zulassungskantons befugte Urkundsperson in der gesamten Schweiz gültige öffentliche Urkunden errichten.
Es gibt jedoch eine wesentliche Ausnahme: die Grundstücksgeschäfte. Hier überwiegt der sogenannte Ortsbezug und das Interesse der Kantone daran, Rechtssicherheit betreffend Grundstücke auf ihrem Hoheitsgebiet zu schaffen bzw. zu erhalten. Deshalb ist für Grundstücksgeschäfte ausschliesslich der – amtliche oder freiberufliche – Notar des Lagekantons zuständig.
Gebühren und Tarife
In zahlreichen Angelegenheiten ist es möglich, Beurkundungen auch ausserkantonal oder kantonsübergreifend vorzunehmen. Doch wie hoch sind die Gebühren, und wie kommen die Tarife zustande? Gibt es Möglichkeiten, Kosten zu sparen?
Die in den kantonalen Notariatstarifen festgelegten Gebühren orientieren sich am verwaltungsrechtlichen Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip. Das Äquivalenzprinzip besagt, dass zwischen dem Wert bzw. der Bedeutung einer Leistung und der für diese geforderten Gebühr ein angemessenes Verhältnis bestehen muss. Das Kostendeckungsprinzip bezieht sich auf die Summe der Gebühren, welche so anzusetzen sind, dass gerade die anfallenden Aufwendungen gedeckt sind. Bemessungsgrundlage können – abermals kantonal unterschiedlich – Fixbeträge, Zeitaufwand, oder Wertanteile des beurkundeten Geschäfts sowie Mehrfaktorenmodelle sein.
Die kantonalen Notariatstarife wurden bereits zwei Mal von der eidgenössischen Preisüberwachung geprüft, deren Berichte online abrufbar sind:
- Kantonale Notariatstarife (PDF, 257 kB, 14.08.2007)
- Gebührenvergleich der kantonalen Notariatstarife – aktuelle Situation (PDF, 763 kB, 10.11.2009)
Die Studie kommt im Wesentlichen zum Ergebnis, dass zwischen den einzelnen Kantonen bzw. den Systemen Amts-, Misch- und freies Notariat erhebliche Preisdifferenzen bestehen. Diese spiegeln zum Teil die unterschiedlichen Kostenstrukturen in Amtsbetrieben, Selbstständigerwerbenden aber auch die Gewinnorientierung im freiberuflichen Notariat wider.
Um die Kosten für materiell gleichartige Dienstleistungen über die Kantone hinweg anzunähern, hat der Preisüberwacher mehrere Empfehlungen abgegeben. Darunter auch eine teilwettbewerbliche Lösung mit Tarifbändern, absoluten Preisobergrenzen oder der Ermächtigung von Gemeindefunktionären zur Vornahme einfacher Amtsgeschäfte wie z.B. zur Beglaubigung von Unterschriften.
Eine abschliessende Betrachtung zeigt, dass es sinnvoll ist, sich nicht nur mit dem Notariatswesen im eigenen, sondern auch in angrenzenden sowie weiteren Kantonen zu beschäftigen. Dies ergibt sich unter anderem aus der Möglichkeit, die meisten Rechtsgeschäfte überall in der Schweiz vorzunehmen und beurkunden zu lassen. Weiter gilt es auch dem Umstand Beachtung zu schenken, wonach nach wie vor signifikante Preisunterschiede bestehen – und das trotz Empfehlung des Preisüberwachers vor inzwischen mehr als zehn Jahren. Da das Notariatswesen in seiner Komplexität schwer zugänglich ist, stehen wir Ihnen für Fragen, Auskünfte oder Vermittlung gerne unter support@deinadieu.ch zur Seite.
Das Wichtigste in Kürze
- Das schweizerische Zivilrecht schreibt für verschiedene Rechtsgeschäfte von grosser Tragweite die öffentliche Beurkundung vor.
- Das Verfahren dazu bestimmt es jedoch nicht näher. Das Verfahren und die Bestimmung der Zuständigkeiten bleiben den Kantonen vorbehalten.
- Je nach Kanton gibt es reine Amtsnotariate, freie (lateinische) Notariate oder Mischformen mit geteilter Sachzuständigkeit.
- Der Zusammenhalt wird durch eine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung gewährleistet.
- Zunächst sollte eruiert werden, ob das betreffende Geschäft überhaupt beurkundungspflichtig ist. Anschliessend ist in Erfahrung zu bringen, ob eine zwingende örtliche Zuständigkeit besteht (namentlich für Grundstückgeschäfte), um abschliessend die günstigsten Gebührentarife ausfindig zu machen. Nach dieser Vorgehensweise gelangen Sie zum passenden Notar.