Wie weit ist die Schweiz bei der digitalen Beurkundung?

Alles wird digital, und das immer schneller. Auch der Standort Schweiz setzt zunehmend auf E-Government und service public informatisé. Das traditionell durch einen hohen Papierverbrauch geprägte Beurkundungswesen bildet keine Ausnahme von diesem Trend. Wie ist jedoch der Stand der Dinge, und welche Entwicklungen können wir erwarten?

Was wird überhaupt digitalisiert?

Das öffentliche Beurkundungswesen führt zwar manchmal ein etwas verstecktes Dasein, seine Alltagsrelevanz könnte aber grösser kaum sein. Für zahlreiche Rechtsgeschäfte oder Willenserklärungen von erheblicher Bedeutung, wie z.B. Eheverträge oder Erbverträge, sieht der Gesetzgeber das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung vor. Auch im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften ist der Gang zur Notarin fast unvermeidlich.

Dieser Weg ist nach wie vor zu gehen: Bis heute kennt die Schweiz kein rein digitales Verfahren zur öffentlichen Beurkundung und schon gar keines, das in Abwesenheit der Parteien stattfinden könnte. Dies würde Sinn und Zweck der öffentlichen Beurkundung zuwiderlaufen: Sie soll beweiskräftig festhalten, dass sich eine oder mehrere Personen, in Anwesenheit einer staatlich beauftragten Urkundsperson, über einen bestimmten Willen oder Sachverhalt erklärt haben. Trotz der im Jahr 2020 erheblich gestiegenen Bedeutung von Online-Videokonferenzen ist die öffentliche Beurkundung in Abwesenheit der Parteien bislang nicht denkbar.

Der Digitalisierungsaspekt bezieht sich vielmehr darauf, wie das Originalexemplar (die Urschrift) einer öffentlichen Urkunde aufgesetzt wird. Nach dem geltenden Recht wird in allen Kantonen die Schriftform als Teil des Beurkundungsverfahrens vorausgesetzt. Eine Urkunde kann damit zwar durch Parteien oder Urkundspersonen am PC verfasst werden, muss aber zumindest einmal ausgedruckt werden. Im ordentlichen Verfahren bringt der Notar den Parteien den Inhalt der Urkunde zur Kenntnis und lässt diese durch eigenhändige Unterschrift bestätigen, dass er ihrem Willen entspricht. Im Anschluss dokumentiert die Urkundsperson diesen Vorgang und bestätigt ihn durch die eigene Unterschrift bzw. ein Siegel oder einen Stempel.

Was ist bereits digitalisiert?

Eine öffentliche Urkunde, die nach dem soeben beschriebenen Verfahren gültig errichtet wurde, kann im Rechtsverkehr in der gesamten Schweiz gebraucht werden. Dazu stellen die zuständigen Notarinnen und Notare den Parteien schriftliche Ausfertigungen aus. Eine Kopie, oder in vielen Fällen das Original selbst, bewahren die Urkundspersonen in einem Register zu Beweiszwecken auf.

Seit 2012 sieht das ZGB die Ermächtigung der Kantone zur Gesetzgebung über die elektronische Ausfertigung öffentlicher Urkunden und die elektronische Beglaubigung der Übereinstimmung mit den Originaldokumenten vor. Bemerke: Gegenstand der Ermächtigung ist lediglich die Ausfertigung, nicht die Beurkundung selbst. Nach dem geltenden Recht ist es also in vielen Kantonen möglich, eine einmal im herkömmlichen, schriftlichen Beurkundungsverfahren errichtete öffentliche Urkunde (wieder) zu digitalisieren. Solche digitalen Exemplare sind schriftlichen Ausfertigungen gleichgestellt, soweit sie den besonderen gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Dafür müssen die kantonalen Urkundspersonen bundesrechtliche Ausführungsbestimmungen beachten. Die Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur und Zertifizierung dienen vor allem dem Datenschutz und der Datensicherheit. Hinzu kommt der Aspekt der «Interoperabilität», also der technischen Kompatibilität verschiedener verwendeter Systeme und Codierungen. Damit soll es zukünftig möglich sein, technische Barrieren zwischen den Informatiksystemen der Kantone abzubauen und eine einheitliche Infrastruktur schrittweise herzustellen.

Was wird in Zukunft digitalisiert?

Für die in Aussicht gestellte Vereinheitlichung gibt es bereits konkrete Pläne des Bundesrates: Dieser hat 2019 einen Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (VE-EÖBG) in Vernehmlassung geschickt. Während die Ambition, den Rechtsverkehr digital zu vereinheitlichen, überwiegend begrüsst wurde, bleiben zahlreiche Detailfragen bislang ungeklärt. Diese sollen auch nicht im Gesetz selbst geregelt werden, sondern in darauf gestützten Ausführungsverordnungen.

Ziel dieser umfangreichen Revision des schweizerischen Beurkundungsrechts ist die schweizweit standardisierte Errichtung öffentlicher Urkunden in Form eines elektronischen Originals. Die elektronischen Urkunden sollen in einem zentralen Urkundenregister sicher gespeichert werden. Das Urkundenregister soll dabei durch den Bund bereitgestellt und betrieben werden. Auf Wunsch der Parteien sollen auch weiterhin beglaubigte Papierausdrucke der neu standardmässig elektronischen öffentlichen Urkunden ausgefertigt werden.

Nach dem geltenden Recht bestimmen die Kantone die Art und Weise, auf die in ihrem Gebiet öffentliche Urkunden hergestellt werden können. Der Gesetzesvorschlag bedeutet daher eine Übertragung von Zuständigkeiten, die bisher den Kantonen vorbehalten waren, auf Stellen des Bundes. Die kantonale Kompetenz würde durch eine bundesweit einheitliche Regelung empfindlich beschnitten, was auch Anpassungen im Schlusstitel des ZGB und weiteren Erlassen wie der Grundbuchverordnung erforderlich macht.

Die Digitalisierung des öffentlichen Beurkundungswesens ist daher durchwegs als Grossprojekt mit entsprechendem Zeithorizont zu betrachten. Der Erwartung, dass die Umsetzung der Reform noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, trägt auch der EÖBG-Vorentwurf Rechnung. Er sieht nämlich für die ersten zehn Jahre ab Inkrafttreten vor, dass die Urkundspersonen die Erstellung elektronischer Originale im obigen Sinn ablehnen können. Während fünf Jahren ab Inkrafttreten soll es für die letzten Kantone, die noch keine elektronischen Ausfertigungen und Beglaubigungen vorsehen, ebenfalls eine Übergangsfrist geben. Ob und vor allem wann dieses Gesetz in Kraft treten wird, ist jedoch Anfang 2021 noch offen.


Der Trend zur papierlosen Kommunikation bringt auch «frischen Wind» in das schweizerische Beurkundungsrecht. Während bislang die schriftliche Abfassung und Ausfertigung öffentlicher Urkunden für bestimmte Rechtsgeschäfte erforderlich ist, fassen digitale Alternativen langsam auch hierzulande Fuss. Seit 2012 gewöhnt man sich in immer mehr Kantonen an elektronische Ausfertigungen und Beglaubigungen. Mit dem EÖBG-Vorentwurf soll ein weiterer grosser Schritt in Richtung digitaler Beurkundung folgen, indem ein schweizweit einheitliches elektronisches Beurkundungsverfahren mit einem zentralen Urkundenregister eingeführt wird. Dieses Projekt befindet sich aber noch in der Frühphase und sieht selbst eine eher mittelfristige als sofortige Ablösung des bestehenden Systems vor.

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