Das Wichtigste in Kürze
- Ein immer grösserer Teil unseres Lebens findet über das Internet statt. Dieser Umstand führt dazu, dass der «digitale Nachlass» immer mehr an Bedeutung gewinnt. Viele rechtliche Fragen sind aber noch ungeklärt. Somit sind Erblasserinnen noch mehr als bei der «klassischen» Erbschaft gefordert, Regelungen selbst zu treffen.
- Physische Datenträger können vererbt werden wie andere Gegenstände aus dem Vermögen eines Erblassers. Schwieriger ist die Situation bei Speichermedien oder Internet-Accounts, die mit Benutzernamen und/oder Passwort geschützt sind. Hier sollten die Zugangsdaten sicher verwahrt und zusammen mit der Berechtigung einzelnen Personen letztwillig zugewiesen werden. Gegenwärtig erscheint die physische Niederschrift und Aufbewahrung der Accounts und Passwörter an einem sicheren Ort als die einfachste Methode.
- Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Anordnungen über den Umgang mit dem digitalen Nachlass zu treffen und durchzusetzen. Auflagen, Bedingungen oder die Willensvollstreckung in einer Verfügung von Todes wegen ermöglichen eine gewisse Einflussnahme auch über den Tod hinaus.
Was ist der «digitale Nachlass» und was gehört dazu?
Viel Gestaltungsspielraum, aber auch Rechtsunsicherheit
Heutzutage nutzen über sechs Millionen Menschen aus allen Altersgruppen und Bevölkerungskreisen in der Schweiz regelmässig das Internet. Deshalb ist klar, dass digitale Daten und Internet-Accounts künftig auch im Erbgang zunehmend von Bedeutung sein werden. Dennoch ist das Phänomen der Internet-Accounts noch relativ neu. Aus diesem Grund haben Gesetzgeber und Rechtsprechung noch keinen eindeutigen Umgang damit festgelegt. Vieles ist daher den beteiligten Personen selbst überlassen und unter ihnen zu regeln. Dies verschafft einerseits grossen Gestaltungsspielraum in Bezug auf den «digitalen Nachlass», andererseits kann es im Erbgang zu Rechtsunsicherheit führen, wenn keine Vorkehrungen getroffen wurden.
Was als digitaler Nachlass zählt
Bevor wir Ihnen mögliche Massnahmen aufzeigen können, fragt sich, was überhaupt zum digitalen Nachlass gehört. Da sich das Internet in einem steten Wandel befindet, sind die relevanten Rechtspositionen kaum abschliessend aufzuzählen. Vielmehr muss man den Einzelfall betrachten, um herauszufinden, ob ein Datenbestand oder eine Rechtsposition zum digitalen Nachlass einer Person gehört. Die Natur dieser Rechte kann ganz unterschiedlich sein: Denkbar sind etwa vertragliche Ansprüche gegenüber Internetdienstleistern, aber auch immaterialgüterrechtliche Positionen wie urheberrechtlich geschützte Werke oder spezielle Wertrechte (wie zum Beispiel die seit Anfang 2021 gesetzlich geregelten Registerwertrechte). Standardmässig werden unter anderem Foto-, Video-, Musik- und Textsammlungen, E-Mail-Konten und Einträge auf sozialen Medien, aber auch Softwarelizenzen und digitale Zahlungsmittelbestände («Kryptowährungen») unter den digitalen Nachlass zusammengefasst.
Auf den ersten Blick unproblematisch sind Daten, die auf physischen Trägern wie CD-ROMs, DVDs oder USB-Sticks gespeichert und unverschlüsselt zugänglich sind. Wie andere Vermögensgegenstände gehen die Datenträger mit darauf gespeicherten Informationen einer Erblasserin gesamthaft auf die Erben über. Nun stellt sich allerdings die Frage, welchen Wert die vererbten Daten haben, ob dieser Wert auf die Erbschaft anzurechnen ist und welche Erbin oder welcher Erbe sie zugewiesen bekommt. Wenn in den Verfügungen von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) nichts angeordnet wurde und sich die Erben nicht einigen können, entscheidet die Behörde über die Veräusserung oder die Zuweisung mit oder ohne Anrechnung. Sie berücksichtigt dabei den Ortsgebrauch und ggf. die persönlichen Verhältnisse der Erben.
Wie ist es mit gespeicherten Daten?
Physische Datenträger gelten allerdings in vielerlei Hinsicht als Auslaufmodell. Demgegenüber erfreut sich das Speichern und Teilen von Daten in Online-Accounts (in sozialen Medien oder in der «Cloud») immer grösserer Beliebtheit. Die Vorteile sind offenkundig: Online gespeicherte Daten sind jederzeit und überall verfügbar, benötigen keinen physischen Platz und können im Grunde auch nicht verschleissen (man denke etwa an die zerkratzte und deshalb unbrauchbare CD). Gerade weil sie jederzeit und von überall abrufbar sind, bedürfen sie jedoch eines besonderen Schutzes. Die meisten Internetkonten sind daher verschlüsselt und mit Zugangsdaten (Benutzername, Passwort und ggf. weitere Authentifizierungsfaktoren) gesichert.
Welche Vorkehrungen sollte ich als Erblasser/in treffen?
Gewährleisten Sie den Zugang zu Ihren Internet-Accounts
Damit ist bereits die wichtigste Voraussetzung für die Abwicklung des digitalen Nachlasses in Bezug auf Internet-Accounts angedeutet: Damit die Rechtsnachfolger ihre Rechte aus dem digitalen Nachlass wahrnehmen können, brauchen sie Zugriff auf die darin enthaltenen Daten.
Es ist nicht selbstverständlich, dass die Rechte am digitalen Nachlass mit dem Erbgang wirksam und gegenüber den (häufig im Ausland ansässigen) Dienstleistern durchsetzbar übergehen. Die klageweise Durchsetzung eines allfälligen Zugangsrechts durch die Erben kann zeitaufwändig und kostspielig sein und sollte daher, wenn möglich, vermieden werden. Auch ist in vielen Fällen nicht klar, ob diese überhaupt möglich ist. Je nach Sach- und Rechtslage kann etwa das Fernmeldegeheimnis oder der postmortale Schutz der Persönlichkeit dem Zugang im Wege stehen. Immerhin bieten einzelne Dienstleister Lösungen wie einen «Kontoinaktivität-Manager» an, mit welchem Nutzerinnen und Nutzer zu Lebzeiten Einstellungen für den Todesfall festlegen können. So können Sie etwa Personen benennen, die nach einer Latenzzeit Zugriff auf Ihr Konto erhalten. Oder Sie stellen es so ein, dass das Konto nach einer bestimmten Frist automatisch gelöscht wird.
Anordnungen in der letztwilligen Verfügung treffen
Jedoch gibt es nicht für alle Internet-Accounts die Möglichkeit, solche Voreinstellungen zu treffen. Deshalb ist es empfehlenswert, sich ebenso wie bei der «klassischen» Erbschaft Gedanken über den digitalen Nachlass zu machen und entsprechende Anordnungen zu treffen. Wie bereits erwähnt, ist es möglich, durch Verfügung von Todes wegen, einzelnen Erbinnen oder Vermächtnisnehmern einen Anspruch auf einzelne Bestandteile des digitalen Nachlasses zuzuweisen. Sie können dieses Recht dann im Erbgang gegenüber den Miterbinnen und Miterben geltend machen. Da oft unklar ist, ob das Recht auf die Daten auch gegenüber den Internetdienstleistern besteht, sollten den Berechtigten aber auch die Zugangsdaten selbst übergeben werden. So können sie sich in den Internet-Accounts einloggen, ohne vorher ein aufwändiges Gesuch an die Dienstleister stellen zu müssen. Zur Hinterlegung der Zugangsdaten sind verschiedene Varianten denkbar:
Zum einen ist es möglich, Zugangsdaten physisch auf Papier niederzuschreiben und an einem sicheren Ort, etwa in einem Bankschliessfach oder Tresor aufzubewahren. Die sichere Aufbewahrung ist wichtig, um zu verhindern, dass Unberechtigte zu Lebzeiten an die Benutzernamen und Passwörter gelangen und diese missbrauchen. Zugleich sollten Sie im Testament einen Vermerk über den Verbleib und die Berechtigung an den Zugangsdaten machen, damit diese auch verlässlich zur Kenntnis gebracht und aufgefunden werden können.
Zugangsdaten sicher hinterlegen
Eine andere Möglichkeit ist es, Zugangsdaten digital und verschlüsselt bei Dienstleistern zu hinterlegen, die sich um die Abwicklung im Todesfall kümmern. Allerdings besteht trotz der strengen Vorschriften des neuen Datenschutzrechts ein gewisses Sicherheitsrisiko, wenn Sie solche vertraulichen Daten an Dritte weitergeben. Sie können jedoch die Sicherheit Ihrer Zugangsdaten verbessern, indem Sie diese auf mehrere Verwahrer aufteilen, bspw. indem Sie Benutzernamen anderswo hinterlegen als zugehörige Passwörter. Bei der Trennung der Daten sollten Sie die Plattform benennen, zu denen sie gehören. Nur wer sich später gegenüber allen Verwahrern als Berechtigter ausweist, kann die Daten dann wieder zusammenführen und nutzen. Selbstverständlich können Sie auch physische und digitale Hinterlegung kombinieren. Etwa indem Sie die Benutzernamen online speichern, die Passwörter jedoch im Bankschliessfach aufbewahren.
Kann ich Anordnungen über meinen digitalen Nachlass machen?
Viele Personen haben konkrete Vorstellungen darüber, was nach ihrem Ableben mit ihren Internet-Accounts und ihrer Online-Präsenz geschehen soll. Zum Beispiel könnte ein letzter Eintrag als Abschied oder die Löschung bestimmter Dateien gewünscht werden. Sie können in verschiedener Weise darauf hinwirken, dass solche Wünsche umgesetzt werden.
Eine Möglichkeit ist es, die Verfügungen, die sich auf den digitalen Nachlass beziehen, mit Auflagen oder Bedingungen zu versehen. Die Auflage räumt jedermann mit einem Interesse einen klagbaren Anspruch auf Umsetzung ein. Die Bedingung bewirkt, dass eine begünstigte Person nur ihre Rechte am Nachlass erhält, wenn sie der Anordnung der Erblasserin oder des Erblassers Folge leistet. Zwei kurze Beispiele zur Veranschaulichung, wie man sie in einem Testament finden könnte:
Eine Alternative zu Auflagen und Bedingungen ist die Einsetzung einer Willensvollstreckerin oder eines Willensvollstreckers. Deren gesetzliche Aufgabe ist es, den Nachlass zu verwalten und die Erbschaftsschulden zu begleichen. Sie können ihnen jedoch auch weitere Aufträge erteilen, wie die Löschung oder Deaktivierung von Internet-Accounts, oder die Beendigung von laufenden Verträgen mit Online-Dienstleistern.
Je nach persönlicher Lebenslage sind die aufgezeigten Varianten in unterschiedlichem Masse geeignet, um Ihren digitalen Nachlass abzuwickeln. Wir würden uns freuen, Sie unter support@deinadieu.ch zu weiteren Lösungen und Alternativen persönlich zu beraten.