Aus Statussymbolen macht sich Wyler nichts. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet die Präsidentin von Rokpa ehrenamtlich. Ihr einziger Luxus: Schweizer Schokolade. Die macht sie glücklich – neben dem Engagement für benachteiligte Menschen: «Wenn man helfen kann, muss man diese Gelegenheit ergreifen.» Entwaffnend ehrlich bekennt die Zürcherin: «Ich handle aus egoistischen Motiven – denn das Engagement erfüllt mich. Je mehr man gibt, desto mehr kommt zurück.»
Von der Bühne auf die Strasse
Bevor Lea Wyler das Hilfswerk Rokpa gründete, stand sie als Schauspielerin auf der Bühne. Schon Wylers Mutter und Grossmutter waren beide Schauspielerinnen. Bereits im Alter von 3 Jahren schlüpfte Lea Wyler in Rollen. Später absolvierte sie Schauspielausbildungen in London und Israel. Lea Wyler stand kurz vor einem bedeutenden Engagement in Haifa, als sie von der schweren Krankheit ihrer Mutter erfuhr. Von «den Brettern, die die Welt bedeuten» kehrte die junge Schauspielerin in die Schweiz zurück und pflegte ihre Mutter während ihrer Krankheit und begleitete sie beim Sterben: «Den Umgang mit dem Tod und wie man sich von seinen Liebsten verabschiedet – solche Dinge lernt man nicht in der Schule», kommentiert Lea Wyler diese dunkle Phase. Der Tod ihrer geliebten Mutter stürzte Wyler in eine Lebenskrise. In dieser Zeit lernt sie den tibetischen Arzt und Lama Dr. Akong Tulku Rinpoche kennen. Die damalige Schauspielerin begleitete den Meditationsmeister auf einer Pilgereise durch Nepal und Indien und begegnete dabei unfassbarem Leid: Obdachlose Kinder, Leprakranke und von Hunger gequälte alte Menschen zeigten ihr eine Welt, die Hilfe benötigt. Existenzielle Fragen beschäftigten Lea Wyler: Was gibt meinem Leben Sinn? Was macht mein Leben als Schauspielerin aus? Was kann ich bewirken?
«Ich muss mein Leben ändern»
Wie ein Geistesblitz durchfuhr es sie: «Ich muss mein Leben ändern.» Zurück in der Schweiz, gründete Lea Wyler zusammen mit Dr. Akong Tulku Rinpoche und ihrem Vater, dem Anwalt Dr. Veit Wyler, das humanitäre Hilfswerk Rokpa, startete erste Projekte und sammelte Geld. Das war im Jahr 1980. Über 40 Jahre später ist Lea Wyler immer noch unermüdlich und voller Herzblut für notleidende Menschen unterwegs.
Am Anfang stand der Wunsch, zu helfen: Rokpa ist das tibetische Wort für «helfen» und «Freund». Heute ist Rokpa eine internationale Organisation mit Sitz in Zürich und in rund 15 Ländern vertreten. Mehrere Monate im Jahr ist die Zürcherin «auf Trab», wie sie sagt, und verbringt Zeit in Nepal und Afrika, wo Rokpa in Simbabwe und Südafrika ebenfalls Projekte entwickelt und unterstützt. In Simbabwe zum Beispiel hilft Rokpa Aids-Opfern und Familien mit Kindern mit einer Behinderung oder leistet medizinische Nothilfe – dies in einem Land, in dem das Gesundheitssystem weitgehend zusammengebrochen ist und auf 16‘000 Einwohner:innen lediglich ein Arzt zur Verfügung steht.
Schritt für Schritt gegen Not und Elend
Rokpa fördert Hilfe zur Selbsthilfe: Das Hilfswerk bereitet benachteiligte Kinder und Erwachsene auf ein selbstbestimmtes Leben vor und investiert in die Ausbildung. Die Rokpa Frauenwerkstatt in Nepal beispielsweise bildet armutsbetroffene Frauen zu Näherinnen aus und bietet ihnen anschliessend eine Arbeitsstelle. In der Hotelfachschule in Kathmandu erhalten Jugendliche aus ärmsten Familien das Rüstzeug für einen Beruf im Gastgewerbe. Der Verein EHL Smile der renommierten Ecole Hotelière de Lausanne unterstützt dieses Projekt mit ihrem Fachwissen.
Über 10’000 Kindern hat das Hilfswerk Rokpa jährlich eine Schulausbildung ermöglicht. Über 100’000 Menschen erhalten regelmässig Essen, medizinische Versorgung, Kleider – und Liebe. Wie geht die Rokpa-Präsidentin mit dem Elend um, mit dem sie konfrontiert ist? «Wenn ich mich dem gesamten Elend der Welt stelle, dann bin ich gelähmt. Deshalb konzentriere ich mich auf das, was ich erreichen kann. Schritt für Schritt. Die Hilfe hat kein Ende», so Wyler.
1990 gründete Rokpa die Gassenküche in Kathmandu. Gleichzeitig begann Lea Wyler, Kinder von der Strasse aufzunehmen. Einige Jahre später entstand das Rokpa Kinderhaus, wo das Hilfswerk bis heute nepalesische Strassenkinder betreut. Das Kinderhaus in Kathmandu schenkt rund 60 ehemaligen Strassenkindern ein Zuhause. Inzwischen leiten die Kinder, die vor Jahrzehnten im Kinderhaus selbst ein Dach über dem Kopf fanden, die Organisation oder sind als Lehrkräfte tätig. In den Rokpa-Projekten sind alle Sozialarbeitende, so Lea Wyler: «Die Kinder helfen sich gegenseitig und sind füreinander verantwortlich. Wenn ein Kind neu ankommt, wird es von allen willkommen geheissen.» So wachsen die Kinder mit einem sozialen Bewusstsein auf und spüren, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein.
Testimonial Sandra Studer
«Ich kenne Rokpa seit vielen Jahren und vertraue dieser Organisation von ganzem Herzen. Wenn man helfen will, fühlt man sich aus der Distanz manchmal machtlos. Umso wichtiger sind Menschen wie Lea Wyler, die über Jahrzehnte eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut haben, um vor allem Kindern und Frauen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Dazu gehören Sicherheit, medizinische Versorgung, ein Zuhause, Bildung, Vertrauen und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Bei Rokpa weiss ich meinen finanziellen Beitrag in guten Händen und durfte mich selbst schon öfters von der nachhaltigen Arbeit überzeugen.»
Testimonial Ernst Ostertag
«Rokpa lernte ich 1981 kennen. Ich traf Lea Wyler an einer Rokpa Veranstaltung und übernahm die Patenschaft Nr. 2. Dieser Bub war Flüchtling aus Tibet, 10 Jahr alt, und wollte Lama werden. Mit den regelmässigen Beiträgen wurde ich Teil der Entwicklung vom kleinen Rokpa zur grossen Hilfsorganisation. Ich erlebte diese Entwicklung von innen, denn rasch lernte ich auch den Präsidenten Dr. Akong Rinpoche und Lea Wylers Vater kennen und alle Mitarbeitenden. Rokpa wurde Familie. Ich übernahm andere, zusätzliche Patenschaften, besuchte Nepal mehrmals und sah, was Rokpa dort leistete und vor allem, wie das zustande kam und wuchs. Zusammenfassend kann ich sagen: Dank einer Patenschaft wuchsen Nähe und Einblick ins vielfältige Wirken des Rokpa-Hilfswerks. Im Zentrum steht also der Dank.»