Sterbe- und Suizidhilfe in Deutschland und der Schweiz

Die Sterbe- und Suizidhilfe ist ein Thema, das in Deutschland und der Schweiz unterschiedlich gehandhabt wird. Während der schweizerische Ansatz als der liberalere gilt, sind auch in Deutschland vorsichtige Öffnungen im Gange. In diesem Text zeigen wir Ihnen auf, welche Regelungen derzeit wo gelten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei der sog. (aktiven) Sterbehilfe wird die Handlung, die zum Tod führt, durch eine andere als die sterbewillige Person vorgenommen. Sie ist als Tötung auf Verlangen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz strafbar.
  • Bei der Suizidhilfe wird die Tötungshandlung durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen. Sie ist in der Schweiz nur verboten, wenn sie aus eigennützigen Motiven erfolgt. Auf dieser Grundlage können gemeinnützige Organisationen sterbewillige Personen aus dem In- und Ausland zu einem selbstbestimmten Lebensende begleiten.
  • In Deutschland wurde das 2015 eingeführte Verbot der «geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung» im Jahr 2020 als grundgesetzwidrig aufgehoben. Seither ist Suizidhilfe zwar prinzipiell (wieder) zulässig, allerdings fehlt es nach wie vor an einem gesetzlichen Rahmen für deren rechtssichere und ethisch vertretbare Durchführung. Mehrere Gesetzgebungsprojekte im Jahr 2023 sind vorerst gescheitert.
  • Aufgrund dieser Rechtslage reisen nach wie vor sterbewillige Personen aus Deutschland in die Schweiz, um legale Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Tendenz ist aber abnehmend. Wichtige Gründe dafür liegen in den aufwändigeren Abläufen und hohen Kosten, aber auch darin, dass nur ein Teil der schweizerischen Organisationen Suizidhilfe für Personen aus dem Ausland anbietet.

Was ist Sterbehilfe, und was ist Suizidhilfe?

Wichtig ist zu Beginn eine begriffliche Klarstellung: «Sterbehilfe» und «Suizidhilfe» (auch: assistierter Suizid) sind zwei verschiedene Dinge, die auch vom Gesetz unterschiedlich geregelt werden:

  • Bei der sog. (aktiven) Sterbehilfe wird die Handlung, die zum Tod führt (bspw. Verabreichung eines Betäubungsmittels), durch eine andere als die sterbewillige Person vorgenommen. Sie ist als Tötung auf Verlangen in den meisten Staaten (darunter auch Deutschland und die Schweiz) strafbar.
  • Bei der Suizidhilfe wird die Tötungshandlung durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen. Die Rechtslage hinsichtlich der Suizidhilfe in den europäischen Staaten ist sehr vielfältig: So verfolgen etwa Staaten wie bspw. Belgien, die Niederlande und Luxemburg liberale Ansätze. Auch die Schweiz gehört zu denjenigen Staaten, die von einem generellen Verbot der Suizidhilfe absehen. In vielen anderen Staaten sind Strafen für Drittpersonen vorgesehen, die an Suizidhandlungen von Sterbewilligen mitwirken. Auch Deutschland ist in der Handhabung (weiterhin) deutlich restriktiver als die Schweiz, weshalb in manchen Fällen sterbewillige Personen ins Ausland reisen, um dort Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.

Wie ist Sterbehilfe bzw. Suizidhilfe in Deutschland geregelt?

Während die Rechtslage in der Schweiz in den letzten Jahren gleich geblieben ist (siehe unten), gab es in Deutschland gewisse Veränderungen. Im Grossen und Ganzen bleibt die deutsche Rechtslage aber restriktiver als die schweizerische: Die letzte bedeutende Neuerung ergab sich Anfang 2020 aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches das Verbot der «geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung» nach § 217 de-StGB als grundgesetzwidrig aufgehoben hat, da es gegen das Grundrecht auf freie Selbstbestimmung verstosse (BVerfGE vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 u.a.). Weiterhin in Kraft bleibt demgegenüber das Verbot der Tötung auf Verlangen nach § 216 de-StGB, welche mit Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren geahndet wird. Unter gewissen Umständen kann aber auch eine unterlassene Hilfeleistung durch Dritte nach einem erfolglosen Suizidversuch strafbar sein.

Seither befindet sich die Suizidhilfe in Deutschland in einer «Grauzone»: Suizidhilfeorganisationen dürfen grundsätzlich nicht verboten werden. Was jedoch mangels gesetzlicher Grundlage in Deutschland derzeit nicht möglich ist, ist die legale und regulierte Abgabe von tödlichen Präparaten an Sterbewillige (siehe etwa das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.11.2023 – BVerwG 3 C 8.22): Die Freiheit, sich selbst das Leben zu nehmen, führt laut Bundesverwaltungsgericht nicht ohne weiteres dazu, dass der Staat Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln bieten muss. Solche Substanzen (wie z.B. Natrium-Pentobarbital) sind aber essentiell für eine zuverlässige und schmerzfreie Herbeiführung des Todes. Da diese in Deutschland derzeit nicht erhältlich gemacht werden, sind der Suizidhilfe in der Praxis – trotz Wegfall des gesetzlichen Verbots – weiterhin enge Grenzen gesetzt.

Passive und indirekte Sterbehilfe sind hingegen in Deutschland erlaubt. Bei passiver Sterbehilfe wird auf lebensverlängernde Massnahmen wie künstliche Ernährung, Bluttransfusion oder Beatmung verzichtet. Bei der indirekten Sterbehilfe werden lebenszeitverkürzende Nebenwirkungen der Verabreichung von Schmerzmitteln o.ä. in Kauf genommen (siehe dazu den Beitrag «Aktive, passive und indirekte Sterbehilfe – was heißt das?» des NDR). Beide Formen sind zwar nicht ganz unumstritten, werden aber in medizinischen Fachkreisen eher akzeptiert als die kontrovers diskutierte direkte Suizidhilfe.

Oft ist es schwierig, die Grenze zwischen palliativmedizinischer Behandlung einer todkranken Person und indirekter Sterbehilfe zu erkennen. Sofern diese ihren Willen äussern kann (oder diesen in einer Patientenverfügung festgehalten hat), wird dieser für das medizinische Personal handlungsweisend sein. Mögliche Formulierungen finden Sie u.a. in der Broschüre «Patientenverfügung» des BMJ, wie z.B. «Die unwahrscheinliche Möglichkeit einer ungewollten Verkürzung meiner Lebenszeit durch schmerz- und symptomlindernde Maßnahmen nehme ich in Kauf.»

Grundsätzlich besteht in Deutschland ein politischer Konsens, dass nach den oben erwähnten Urteilen der Prozess der Suizidbeihilfe gesetzlich neu geregelt werden sollte, um die freie Selbstbestimmung zu fördern und zugleich suizidwillige Personen vor unfreien oder übereilten Entscheidungen zu schützen (durch medizinische Aufklärungsgespräche, Dokumentation etc.).

Dieses Vorhaben scheiterte bisher aber an den inhaltlichen Fragen: Der Bundestag wies am 06.07.2023 zwei Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe mehrheitlich zurück. Diese hätten die Voraussetzungen festlegen sollen, unter denen sterbewillige Personen legal Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten erhalten können. Beide Gesetzesentwürfe wurden aber mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt:

  • Der eine Gesetzesentwurf beabsichtigte, die Strafbarkeit der Suizidbeihilfe in § 217 de-StGB neu zu fassen, und insb. straffreie Ausnahmen zuzulassen. Bei Einhaltung bestimmter Verfahren, wie einer zweimaligen fachärztlichen Untersuchung sowie einem zusätzlichen Beratungsgespräch, hätte der Entwurf eine straffreie Suizidhilfe ermöglicht. Der damit verbundene Aufwand hätte allerdings den Zugang zu einer legalen Suizidhilfe – insbesondere für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen – wiederum stark eingeschränkt. Zudem würde sich das Risiko einer Strafverfolgung bei Fehlern im Vorbereitungsverfahren negativ auf die Bereitschaft auswirken, freiwillig Suizidhilfe zu leisten.
  • Mit dem anderen Entwurf sollte ein eigenes Suizidhilfegesetz geschaffen werden, das die Suizidhilfe für straffrei erklären und so den beteiligten Personen mehr Rechtssicherheit bringen würde. Zudem sollten u.a. Beratungsangebote und ein legaler Zugang zu tödlichen Präparaten geschaffen werden. Ebenfalls vorgesehen war eine Regulierung der Werbung für Suizidhilfe sowie ein Evaluierungsverfahren. Dieser liberalere Ansatz ging dem Gesetzgeber allerdings aufgrund unzureichender Vorkehrungen gegen Übereilung und Missbrauch zu weit und konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen.

Ein Antrag mit dem Titel «Suizidprävention stärken» wurde hingegen angenommen. Seither bleibt das Thema zwar im politischen Diskurs präsent, mit gemischten Aussichten auf eine Lösung noch in der Legislaturperiode 2021-2025 (siehe dazu den Tagesspiegel-Beitrag «Abgeordnete feilen an Entwürfen: Sterbehilfe-Wirrwarr – kommt eine Neuregelung noch 2024 durch den Bundestag?» vom 24.04.2024).

Wie ist Sterbehilfe bzw. Suizidhilfe in der Schweiz geregelt?

Das schweizerische Recht regelt Sterbehilfe und assistierten Suizid nur in Grundzügen; der weitere Rahmen ergibt sich vor allem aus der Gerichts- und Behördenpraxis zu diesen Themen. Sterbehilfe entspricht der in Art. 114 ch-StGB geregelten, grundsätzlich immer strafbaren Tötung auf Verlangen. Dabei wird eine Person, die einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Die Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen wird ist in der medizinischen Praxis der Schweiz nicht weiter relevant.

Die Suizidhilfe ist demgegenüber grundsätzlich straffrei, und wird nur bei Hinzutreten besonderer Umstände geahndet: Gemäss Art. 115 ch-StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nur bestraft, wer «aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet». Als selbstsüchtige Beweggründe gelten insb. auch finanzielle Motive wie die Erzielung eines Gewinns. Die zum Tod führende Handlung (bspw. Einnahme eines Betäubungsmittels) muss zwingend durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen werden; Dritte dürfen aber – etwa durch die Bereitstellung von Sterbemitteln zur selbstverantwortlichen Einnahme – Hilfe leisten.

Diese Regelung und die Gerichtspraxis haben dazu geführt, dass sich in den letzten Jahrzehnten verschiedene Eckpunkte und Institutionen herausgebildet haben, die einen rechtlich einwandfreien und ethisch vertretbaren Ablauf des assistierten Suizids gewährleisten sollen. Die wichtigsten Voraussetzungen, damit Suizidhilfe in der Schweiz als legal gilt, sind folgende: Die Tat muss durch die sterbewillige Person selbst herbeigeführt worden sein. Zudem muss die sterbewillige Person Urteilsfähigkeit, Konstanz, Autonomie und Wohlerwogenheit hinsichtlich des Sterbewunsches vorweisen; ebenfalls muss eine ausführliche Dokumentation der vorgängigen medizinischen Abklärungen vorliegen.

Organisationen, die sterbewillige Personen unterstützen, sehen in ihren Statuten oder Reglementen weitergehende Voraussetzungen vor, z.B. das Leiden an einer unheilbaren, schweren Krankheit.

Suizidhilfeorganisationen in der Schweiz sind gemeinnützig. Sie finanzieren sich überwiegend aus Mitgliedschaftsgebühren, die periodisch (meist jährlich) oder anlassbezogen anfallen können. Bedeutende Kostenfaktoren sind Vorabklärungen, Arztkosten und Rezeptgebühren, Personalkosten für Freitodbegleitung und Öffentlichkeitsarbeit sowie fakultative Bestattungsleistungen. Die Kosten der Suizidhilfe werden nicht durch schweizerische Sozialversicherungen übernommen. Es gibt aber in begründeten Einzelfällen die Möglichkeit, eine Ermässigung oder einen Erlass der Gebühren mit den Organisationen individuell zu vereinbaren. Lesen Sie mehr zur Regelung in der Schweiz in diesem Ratgeberartikel: Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?

Inwiefern ist es möglich, grenzüberschreitend Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen? Was gilt es zu beachten?

Angesichts der unsicheren, eher restriktiven Rechtslage in Deutschland bleibt die letzte Reise in die Schweiz für einen Teil der sterbewilligen Personen eine mögliche Option. Trotzdem lässt sich in den entsprechenden Statistiken ein deutlicher Rückgang der suizidwilligen Personen aus Deutschland beobachten (siehe z.B. statista.de: Anzahl der Sterbehilfe-Touristen in der Schweiz nach ausgewählten Herkunftsländern im Zeitraum der Jahre von 1998 bis 2023). Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass in den BeNeLux-Staaten eine ähnliche, teils noch liberalere Rechtslage gilt als in der Schweiz, und die anfallenden Kosten in der Regel niedriger sind.

Nicht jede schweizerische Organisation, die Suizidhilfe anbietet, ist auch für Personen aus dem Ausland zugänglich. So können etwa nur Personen mit Schweizer Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz in der Schweiz Mitglied von EXIT werden und die entsprechenden Angebote in Anspruch nehmen. Andere Organisationen wie DIGNITAS haben eine deutsche Sektion, die sich in Deutschland für die Förderung eines selbstbestimmten Lebensendes einsetzen und eng mit ihren schweizerischen Gegenübern zusammenarbeiten. Wieder andere Organisationen, wie EX International, unterscheiden bei ihrer Tätigkeit nicht zwischen Personen mit und ohne Bezug zur Schweiz.

In jedem Fall müssen Personen, die aus dem Ausland für einen begleiteten Suizid in die Schweiz kommen, mit höheren Kosten rechnen als Schweizerinnen und Schweizer. Diese entstehen vor allem durch die Anreise selbst, dann aber auch durch die Kosten für Unterkunft und Betreuung während der diversen zu treffenden Abklärungen, und schliesslich durch die Bestattung, die Erledigung von Behördenwegen sowie die Übergabe der sterblichen Überreste an die Angehörigen. Im Allgemeinen dürfte mindestens mit einem hohen vierstelligen, eher mit einem fünfstelligen Frankenbetrag zu rechnen sein.

Viele Organisationen in der Schweiz und im Ausland betreiben Öffentlichkeitsarbeit für eine Liberalisierung der Suizidhilferegelungen in ganz Europa. Ihr Ziel ist es, dass keine kranke oder leidende Person eine beschwerliche Reise unternehmen muss, um dieses selbstbestimmt beenden zu können. Und tatsächlich weisen auch die jüngere Gesetzgebung und Rechtsprechung Deutschlands in diese Richtung: Das Thema ist auch im Jahr 2024 noch keineswegs abgeschlossen, sondern vielmehr sind aktuell zahlreiche signifikante Entwicklungen im Gange, deren Ergebnis noch weitgehend offen ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert