Das Wichtigste in Kürze:
- Bei der sog. (aktiven) Sterbehilfe wird die Handlung, die zum Tod führt, durch eine andere als die sterbewillige Person vorgenommen. Sie ist als Tötung auf Verlangen sowohl in Österreich als auch in der Schweiz strafbar.
- Bei der Suizidhilfe wird die Tötungshandlung durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen. Sie ist in der Schweiz nur verboten, wenn sie aus eigennützigen Motiven erfolgt. Auf dieser Grundlage können gemeinnützige Organisationen sterbewillige Personen aus dem In- und Ausland zu einem selbstbestimmten Lebensende begleiten.
- In Österreich wurde das generelle Verbot der Suizidhilfe 2020 durch ein Gerichtsurteil aufgehoben. Der Gesetzgeber hat daraufhin mit dem 2022 in Kraft getretenen Sterbeverfügungsgesetz einen rechtlichen Rahmen für die legale Suizidhilfe geschaffen. Gewisse Formen der Mitwirkung an der Selbsttötung blieben jedoch strafbar. Dieser Rechtsrahmen wurde von den beteiligten Kreisen jedoch als zu restriktiv kritisiert und ist im Jahr 2024 Gegenstand einer erneuten höchstgerichtlichen Prüfung.
- Aufgrund dieser Rechtslage reisen bisweilen sterbewillige Personen aus Österreich in die Schweiz, um legale Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Anzahl dieser Personen stagniert, was u.a. auf Präventionsarbeit und medizinischen Fortschritt, aber auch auf eingeschränktes Angebot, aufwändige Abläufe und hohe Kosten zurückzuführen sein dürfte.
Was ist Sterbehilfe, und was ist Suizidhilfe?
Wichtig ist zu Beginn eine begriffliche Klarstellung: «Sterbehilfe» und «Suizidhilfe» (auch: assistierter Suizid) sind zwei verschiedene Dinge, die auch vom Gesetz unterschiedlich geregelt werden:
- Bei der sog. (aktiven) Sterbehilfe wird die Handlung, die zum Tod führt (bspw. Verabreichung eines Betäubungsmittels), durch eine andere als die sterbewillige Person vorgenommen. Sie ist als Tötung auf Verlangen in den meisten Staaten (und sowohl in Österreich als auch in der Schweiz) strafbar.
- Bei der Suizidhilfe wird die Tötungshandlung durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen. Die Rechtslage hinsichtlich der Suizidhilfe in den europäischen Staaten ist sehr vielfältig: So verfolgen etwa Staaten wie bspw. Belgien, die Niederlande und Luxemburg liberale Ansätze. Auch die Schweiz gehört zu denjenigen Staaten, die von einem generellen Verbot der Suizidhilfe absehen. In vielen anderen Staaten sind Strafen für Drittpersonen vorgesehen, die an Suizidhandlungen von Sterbewilligen mitwirken. Auch Österreich ist in der Handhabung (weiterhin) deutlich restriktiver als die Schweiz, weshalb in manchen Fällen sterbewillige Personen ins Ausland reisen, um dort Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
Wie ist Sterbehilfe bzw. Suizidhilfe in Österreich geregelt?
In Österreich wurde in den letzten Jahren eine intensive öffentliche Debatte um den assistierten Suizid geführt. Anlass dafür war das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 11.12.2020 – G 139/2019. Durch dieses wurde das Verbot der Suizidbeihilfe als grundrechtswidrig aufgehoben. Im Anschluss bemühte sich das Parlament um eine Ersatzgesetzgebung, das Sterbeverfügungsgesetz, das am 01.01.2022 in Kraft getreten ist. Seither ist nicht mehr jede Beihilfe zur Selbsttötung strafbar; zudem wurde ein Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zur Versorgung schwer kranker Menschen am Lebensende beschlossen.
Idee und Inhalt einer Sterbeverfügung
Die Sterbeverfügung ist ein rechtliches Instrument, mit dem eine schwer kranke Person in Österreich ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss zur Selbsttötung festhalten kann. Die Sterbeverfügung ermöglicht es der sterbewilligen Person, gewisse Suizidhilfemassnahmen in Anspruch zu nehmen, ohne dass die hilfeleistenden Personen eine strafrechtliche Verfolgung befürchten müssten.
Um eine gültige Sterbeverfügung errichten zu können, müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die sterbewillige Person muss volljährig und allein entscheidungsfähig sein.
- Sie muss die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben.
- Sie muss an einer unheilbaren, tödlichen oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit leiden.
- Die sterbewillige Person muss frei und selbstbestimmt entscheiden, dass sie ihr Leben beenden will. Sie darf dabei nicht von einer anderen Person beeinflusst oder vertreten werden.
Weiterhin strafbar ist jedoch die Verleitung zum Suizid, die Suizidhilfe gegenüber einer minderjährigen Person, aus einem verwerflichen Beweggrund (z.B. Habgier) oder gegenüber einer Person, die nicht an einer schweren Krankheit leidet oder nicht ärztlich aufgeklärt wurde. Ebenso strafbar ist die Tötung auf Verlangen (§ 77 at-StGB).
Ablauf des assistierten Suizids mit Sterbeverfügung nach geltendem österreichischem Recht
Das Verfahren zur Errichtung einer Sterbeverfügung kennt zwei Phasen: Zunächst müssen zwei ärztliche Aufklärungsgespräche erfolgen, in denen die sterbewillige Person über die medizinischen Aspekte einer Sterbeverfügung sowie allfällige Alternativen (z.B. palliativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten) aufgeklärt wird. Die beiden Ärzte bestätigen die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person sowie dass sie an einer unheilbaren, tödlichen oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit leidet.
Anschliessend erfolgt nach einer Wartefrist von mindestens zwölf Wochen die rechtsförmliche Errichtung der Sterbeverfügung bei einem Notar oder einer Patientenanwältin. Diese Frist kann bei tödlichen Erkrankungen im Endstadium auf zwei Wochen verkürzt werden. Nach einer rechtlichen Aufklärung über die Wirkungen und Folgen der Sterbeverfügung erstellt die Urkundsperson ein entsprechendes Dokument und händigt dieses der sterbewilligen Person im Original aus.
Wurde eine gültige Sterbeverfügung errichtet, so kann die sterbewillige Person während eines Jahres ein Sterbemittel aus der Apotheke beziehen oder eine in der Sterbeverfügung genannte Drittperson mit der Abholung beauftragen. Nach einem Jahr oder bei früherem Widerruf tritt die Sterbeverfügung ausser Kraft. Anhand der Originalurkunde und des Registereintrags wird durch das Apothekenpersonal überprüft, ob die sterbewillige Person zum Bezug berechtigt ist und ob für diese Sterbeverfügung schon einmal ein Mittel abgegeben wurde. Ob, wann, wo und wie die sterbewillige Person das Präparat einnimmt, kann und muss sie selbst entscheiden. Sie muss es sicher verwahren und darf es sich nicht von einer anderen Person verabreichen lassen, z.B. mit einer Spritze oder einer Infusion; derartige Hilfeleistungen wären wiederum (als Tötung auf Verlangen) strafbar. Alle Beteiligten – Ärztinnen, Urkundspersonen und Apotheker etc. – wirken rein freiwillig an der Sterbeverfügung mit; niemand ist rechtlich gezwungen, mitzuwirken. D.h. die Beteiligung kann ohne rechtliche Konsequenzen verweigert werden.
Kritik und weitere Entwicklungen
Diese erst vor wenigen Jahren in Kraft getretene Regelung, die zum damaligen Zeitpunkt als potentiell fortschrittlicher Kompromiss galt, wurde jedoch bald aufgrund der restriktiven Behörden- und Gerichtspraxis kritisiert: Durch die zeitraubenden und kostspieligen Formalitäten werde leidenden Menschen ein rascher, begleiteter und selbstbestimmter Tod mit Hilfe Dritter praktisch unmöglich gemacht. Dies verstosse gegen das Recht auf Privatleben, das Recht auf Leben sowie den Gleichheitsgrundsatz.
Aus diesem Grund wurde auch die neue Regelung bereits vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten (siehe dazu den Bericht «Kritik an Sterbehilfegesetz: Verein ruft Verfassungsgerichtshof an» von DerStandard.at): Mehrere betroffene Personen halten das Sterbeverfügungsgesetz sowie das revidierte Suizidhilfeverbot für verfassungswidrig und haben daher VfGH deren teilweise Aufhebung beantragt. Eine öffentliche Verhandlung über den Fall fand am 19.09.2024 statt. Eine entsprechende Erkenntnis ist daher erst später im Herbst 2024 zu erwarten. Sie wird zu gegebener Zeit hier verlinkt und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die künftige Rechtslage erläutert.
Wie ist Sterbehilfe bzw. Suizidhilfe in der Schweiz geregelt?
Das schweizerische Recht regelt Sterbehilfe und assistierten Suizid nur in Grundzügen; der weitere Rahmen ergibt sich vor allem aus der Gerichts- und Behördenpraxis zu diesen Themen. Sterbehilfe entspricht der in Art. 114 ch-StGB geregelten, grundsätzlich immer strafbaren Tötung auf Verlangen. Dabei wird eine Person, die einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Die Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen wird ist in der medizinischen Praxis der Schweiz nicht weiter relevant.
Die Suizidhilfe ist demgegenüber grundsätzlich straffrei und wird nur bei Hinzutreten besonderer Umstände geahndet: Gemäss Art. 115 ch-StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nur bestraft, wer «aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet». Als selbstsüchtige Beweggründe gelten insb. auch finanzielle Motive wie die Erzielung eines Gewinns. Die zum Tod führende Handlung (bspw. Einnahme eines Betäubungsmittels) muss zwingend durch die sterbewillige Person selbst vorgenommen werden; Dritte dürfen aber – etwa durch die Bereitstellung von Sterbemitteln zur selbstverantwortlichen Einnahme – Hilfe leisten.
Diese Regelung und die Gerichtspraxis haben dazu geführt, dass sich in den letzten Jahrzehnten verschiedene Eckpunkte und Institutionen herausgebildet haben, die einen rechtlich einwandfreien und ethisch vertretbaren Ablauf des assistierten Suizids gewährleisten sollen. Die wichtigsten Voraussetzungen, damit Suizidhilfe in der Schweiz als legal gilt, sind folgende: Die Tat muss durch die sterbewillige Person selbst herbeigeführt worden sein. Zudem muss die sterbewillige Person Urteilsfähigkeit, Konstanz, Autonomie und Wohlerwogenheit hinsichtlich des Sterbewunsches vorweisen; ebenfalls muss eine ausführliche Dokumentation der vorgängigen medizinischen Abklärungen vorliegen.
Organisationen, die sterbewillige Personen unterstützen, sehen in ihren Statuten oder Reglementen weitergehende Voraussetzungen vor, z.B. das Leiden an einer unheilbaren, schweren Krankheit.
Suizidhilfeorganisationen in der Schweiz sind gemeinnützig. Sie finanzieren sich überwiegend aus Mitgliedschaftsgebühren, die periodisch (meist jährlich) oder anlassbezogen anfallen können. Bedeutende Kostenfaktoren sind Vorabklärungen, Arztkosten und Rezeptgebühren, Personalkosten für Freitodbegleitung und Öffentlichkeitsarbeit sowie fakultative Bestattungsleistungen. Die Kosten der Suizidhilfe werden nicht durch schweizerische Sozialversicherungen übernommen. Es gibt aber in begründeten Einzelfällen die Möglichkeit, eine Ermässigung oder einen Erlass der Gebühren mit den Organisationen individuell zu vereinbaren. Lesen Sie mehr zur Regelung in der Schweiz in diesem Ratgeberartikel: Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?
Inwiefern ist es möglich, grenzüberschreitend Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen? Was gilt es zu beachten?
Angesichts der unsicheren, eher restriktiven Rechtslage in Österreich bleibt die letzte Reise in die Schweiz für einen Teil der sterbewilligen Personen eine mögliche Option. Deren Anzahl bleib in den letzten Jahren stabil auf einem niedrigen Niveau (siehe z.B. statista.de: Anzahl der Sterbehilfe-Touristen in der Schweiz nach ausgewählten Herkunftsländern im Zeitraum der Jahre von 1998 bis 2023). Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass in anderen Staaten (z.B. Belgien, den Niederlanden und Luxemburg) eine ähnliche, teils noch liberalere Rechtslage gilt als in der Schweiz, und die anfallenden Kosten in der Regel niedriger sind.
Nicht jede schweizerische Organisation, die Suizidhilfe anbietet, ist auch für Personen aus dem Ausland zugänglich. So können etwa nur Personen mit Schweizer Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz in der Schweiz Mitglied von EXIT werden und die entsprechenden Angebote in Anspruch nehmen. Andere Organisationen wie DIGNITAS haben eine deutsche Sektion, die sich im Ausland für die Förderung eines selbstbestimmten Lebensendes einsetzen und eng mit ihren schweizerischen Gegenübern zusammenarbeiten. Wieder andere Organisationen, wie EX International, unterscheiden bei ihrer Tätigkeit nicht zwischen Personen mit und ohne Bezug zur Schweiz.
In jedem Fall müssen Personen, die aus dem Ausland für einen begleiteten Suizid in die Schweiz kommen, mit höheren Kosten rechnen als Schweizerinnen und Schweizer. Diese entstehen vor allem durch die Anreise selbst, dann aber auch durch die Kosten für Unterkunft und Betreuung während der diversen zu treffenden Abklärungen, und schliesslich durch die Bestattung, die Erledigung von Behördenwegen sowie die Übergabe der sterblichen Überreste an die Angehörigen. Im Allgemeinen dürfte mindestens mit einem hohen vierstelligen, eher mit einem fünfstelligen Frankenbetrag zu rechnen sein.
Viele Organisationen in der Schweiz und im Ausland betreiben Öffentlichkeitsarbeit für eine Liberalisierung der Suizidhilferegelungen in ganz Europa. Ihr Ziel ist es, dass keine kranke oder leidende Person eine beschwerliche Reise unternehmen muss, um dieses selbstbestimmt beenden zu können. Und tatsächlich weisen auch die jüngere Gesetzgebung und Rechtsprechung Österreichs in diese Richtung: Das Thema ist auch im Jahr 2024 noch keineswegs abgeschlossen, sondern vielmehr sind aktuell zahlreiche signifikante Entwicklungen im Gange, deren Ergebnis noch weitgehend offen ist.