Der Krebs war stärker. Ciao, Peter

Dreieinhalb Jahre kämpfte er gegen den Krebs, setzte auf die unterschiedlichsten Therapien, dachte positiv und aktivierte Selbstheilungskräfte. Er wollte leben – und musste sterben. Am Sonntag, 1. November 2020, sagte Peter R. Schwegler «bye-bye».

Lieber Peter

Du hast den Strom des Lebens verlassen, hast den Weg in den Ewigen Osten angetreten. Mein Lebensstrom zieht weiter – und trennt uns. Bhüet di, lieber Freund.

Wir kannten uns wohl seit zwanzig Jahren. Im Oktober 2017 kontaktiertest du mich, erzähltest mir von deiner Krebsgeschichte. Lange Jahre waren es wohl nur irgendwelche Netzwerke, die uns verbanden – ohne unser Zutun. Du wusstest, was ich treibe, was ich schreibe, und ich hätte wohl Ähnliches über dich herausfinden können.

Peter R. Schwegler, Beerdigung
Er dachte positiv, strotzte nur so von Zuversicht. DeinAdieu berichtete am 3. November 2017 erstmals über Peters Krankheit. (Foto: Ueli Hiltpold)

Auge verloren und zuversichtlich geblieben

Ich war erfreut dich zu hören und traurig über deine Nachricht, du hättest 2016 dein links Auge verloren. Wir redeten am Telefon darüber, trafen uns später. Du hast dich nicht geschont – und mich ebenso wenig. Du warst zuversichtlich. Sagtest, du hättest es nicht so schlecht gehabt, hättest ein gutes Leben verbracht, mit Hochs und Tiefs. Sagtest: «Ich denke positiv».

Und in diesem Moment wusstest du, es werden sich Metastasen bilden. Nachdenklich warst du. «Ich mache das Beste draus und verfolge meine Ziele. Ich lebe, geniesse jede Minute mit Arissa. Sie ist orientiert, meine erwachsenen Kinder wissen von meiner Erkrankung, die Freunde, Freundinnen sind eingeweiht.»

Ja, lieber Peter, da hast du gute Arbeit gemacht. Du schriebst Newsletter, einen, zwei, drei – viele. Du recherchiertest. Knüpftest Kontakte. Flogst um die halbe Welt. Am Schluss unserer ersten Geschichte sagtest du «Ich sah viele Patienten, Patientinnen im Endstadium. War oft auf der Onkologie. Ich kannte viele Tumorpatienten, die nun gegangen sind. Wenns fertig ist, ist fertig. Schluss. Aus die Maus.» Sagtest du und lachtest. Bauch und Schnauz wackelten.

Rote Rosen auf Urnengrab Peter R. Schwegler.
Rote Rosen auf der Urnengrab-Platte von Peter Schwegler. (Foto: Ueli Hiltpold)

Lachen bis der Bauch wackelte

So warst du, lieber Peter. Fröhlich. Direkt. Meist deutsch und deutlich. Wir wollten doch so sehr, dass es noch lange nicht fertig ist. Kein aus die Maus.

Im Frühsommer 2019 schlug der Krebs zurück. Er forderte ein weiteres Opfer: «Die Zunge gebe ich nicht», diktiertest du mir. «Ich glaube daran, den Krebs in den Griff zu bekommen. … Einerseits bin ich hoffnungsvoll, andererseits habe ich Schiss.» Schiss wovor, fragte ich. Schiss vor dem Krebs. Schiss vor dem Sterben?

Du sagtest darauf: «Ich will mein Leben bewältigen können, will die Beziehung zu meiner Frau Arissa aufrechthalten. Sie bat mich, ‹stirb nicht›. Das versprach ich ihr. Und überhaupt, ich habe noch so viel zu tun, habe keine Lust und keine Zeit, zu sterben. Absolut nicht.»

Lust zu sterben? Wer hat das schon. Praktisch niemand. Und doch wusstest du nur zu gut, was dir, was uns allen blüht. Du kanntest meine freimaurerischen Wurzeln, wir redeten über den Gang in den Ewigen Osten. Wir wussten, beide würden wir ihn einmal antreten. Du hast es am Sonntag, 1. November getan.

Peter R. Schwegler, Beerdigung
An Allerheiligen, am 1. November trat Peter R. Schwegler seine Reise in den Ewigen Osten a. (Foto: Ueli Hiltpold)

Die Schweglers sind Kämpfer seit 1212

«Ich lass mich nicht unterkriegen», sagtest du zum Schluss unserer zweiten Geschichte. «Ich sicher nicht. Wir Schweglers wurden 1212 erstmals registriert in Willisau, Kanton Luzern. Wir geben nicht auf, wir sind Kämpfer. Auf keinen Fall schwenke ich die weisse Fahne.»

Es gab keine Veranlassung, den Krieg gegen den Krebs aufzugeben. «Ich habe zu tun – und noch viel vor», sagtest du. «Eine Heirat steht bevor, Zwillinge kommen zur Welt. Und wie es die schweglersche Familientradition vorsieht, sollen neue Erdenbürger eine Märklin-Eisenbahn erhalten.»

Oh Peter, du hast viele Pläne geschmiedet. Sterben war nicht angesagt. «Wieso denn auch», sagtest du lächelnd.

Kranz an Beerdigung von Peter R. Schwegler
«Was bleibt, wenn alles Vergängliche geht, ist die Liebe», stand in Peters Todesanzeige. (Foto: Ueli Hiltpold)

Weite Reisen im Kampf gegen den Krebs

Nach Deutschland begleiteten wir dich. Fotograf Ueli Hiltpold und ich waren im Sommer 2019 dabei, als dir Dr. Weber eine faseroptische Kanüle in den Tumor gelegt hat und dann mit dem Laser-Katheter die Galenik Nano IndoCianinGrün tief in den Körper brachte, wo sie länger verbleiben solle. So könne die photodynamische Therapie tiefliegende Tumoren erreichen, war deine Erklärung. Ich drückte intensiv die Daumen. Hoffte auf irgendeine Macht. Hoffte, dein Kampf möge siegreich sein. Er war es nicht.

Du brachtest keine gute Kunde ins Schwatzgeschäft, als wir uns dieses Jahr noch vor Corona in Walenstadt trafen. Deine Frau begleitete dich sowie dein Freund Bruno. Fotograf Ueli war aus Bern angereist.

Du erzähltest uns, die Tumoren im Bereich Zunge und Hals seien wohl etwas resistenter. Die photodynamische Therapie habe sehr geholfen. Die Lymphknoten hätten sich stark zurückgebildet, das Atmen würde dir leichter fallen. Super, das war die gute Nachricht.

Grabschmuck von Peter R. Schwegler
Federn und Rosen als letzter Gruss an einen, der noch lange leben wollte und nun nicht mehr da ist. Ciao Peter. (Foto: Ueli Hiltpold)

Mit photodynamischer Therapie Tumoren attackiert

Dein Blick sprach Bände. Ich spürte, da gibt es noch eine andere Seite. Du sagtest, die anschliessende Kombi-Behandlung mit einem Chemotherapeutikum sei dir nicht gut bekommen. «Die Low-dose-Therapie mit Cisplatin habe ich sehr schlecht vertragen. Unter den Nebenwirkungen leide ich noch heute. Schlimm ist der Geschmacksverlust. Ich merke nur schwer, was ich esse oder trinke.» Das zu hören war hart. Nichts mehr schmecken, nichts mehr riechen. Gerade du, der so wunderbar für mich gekocht hast.

Wir redeten an diesem Februartag im Schwatzgeschäft, gingen im «Seehof» essen, plauderten draussen in der fahlen Wintersonne. Deine positive Einstellung faszinierte mich. Deshalb wollte ich wissen, wie du mit Tiefschlägen umgehst. Mit der Machtlosigkeit, respektive der Hilflosigkeit. Mit der Tatsache, nicht alles beeinflussen zu können.

Abendstimmung auf dem Friedhof Erlenbach
Abendstimmung auf dem Friedhof Erlenbach. Peter Schwegler träumte von seiner Beerdigung. (Foto: Ueli Hiltpold)

Von der Beerdigung geträumt

Du schautest mich damals an mit grossen Augen. Sagtest: «Ja, ich erlebte einige Tiefschläge, die meine Psyche in Mitleidenschaft gezogen haben. Das verlorene Auge vermisse ich. Ebenfalls vergesse ich den Tag nicht, als ich erfuhr, es wachse da ein neuer Tumor, und Metastasen würden sich ausbreiten. Autsch! Da bin ich in ein ziemlich tiefes Loch gefallen. …. Düstere Wolken zogen sich zusammen vor meinem geistigen Auge, und ich träumte von meiner Beerdigung. Ich sah aus dem Grab die Trauergemeinschaft, und ich konnte nichts tun, war hilflos.» Peter verfiel ins Schweigen. Sagt dann: «Ich hasste diesen Traum. Und ich träumte ihn mehrmals.»

Ich glaube, wir ahnten damals beide, es könnte eines unserer letzten Gespräche sein. Ich fragte dich zum Schluss: «Peter, was ist dein Ziel?» Du antwortetest: «Ich möchte leben. Möchte erfüllt leben. Möchte umgeben sein von Liebe, Wärme, Erfülltheit und Licht. Weiter möchte ich mit meiner Frau Arissa Verbundenheit geniessen, mit meiner Familie und meinen Freunden, Freundinnen. Ich möchte meine Projekte realisieren. Sie werden von humanitären Gedanken getragen. Mit ihnen möchte ich für die Menschheit etwas Gutes und Nachhaltiges tun, bevor ich ins neue Leben starte.»

Sonnenuntergang Zürichsee
Peter wollte leben. Wollte umgeben sein von Liebe, Wärme, Erfülltheit und Licht. (Foto: Ueli Hiltpold)

Am Sonntag, 1. November sagtest du bye-bye

Du hast Nachhaltiges geschaffen, lieber Peter, lebst in den Herzen deiner Liebsten weiter. Ich werde Geschichten erzählen von dir. Etwa die, wo du mich zum weihnächtlichen Wildschwein-Schmaus eingeladen hast und ich mich weigerte, teilzunehmen, weil ich einen der geladenen Politiker nicht kennenlernen wollte. Wir lachten noch Jahre später darüber.

Peter, dein Lachen wird mir immer in Erinnerung bleiben. Bhüet di.

Text: Martin Schuppli, Fotos Ueli Hiltpold

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Eine Antwort auf „Der Krebs war stärker. Ciao, Peter“

Petra sagt:

Lieber Martin, ach je. Tut mir leid zu lesen. Zum Tod Deines Freundes mein herzliches Beileid. Möge er „im Osten“ gut angekommen sein, Leckeres kochen und schmecken. Mit liebevollen Gedanken Petra

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