Eva Finkam begleitet Sternenkinder in den Himmel

Sternenkinder nennt Bestatterin Eva Finkam verstorbene Kinder und Jugendliche. Ihren Abschied hilft sie würdevoll zu gestalten.

Es sind die Details, die Eva Finkams Arbeit so besonders machen. Es sind kleine Aufmerksamkeiten, die grosse Wirkung erzielen. Das sieht der Besucher in ihrem Garten und in ihrem Haus, wo sie zusammen mit ihrer Familie wohnt. Es sind prächtige Malven, die dem Autor gefallen, ein hübsch geschmücktes Gartenhaus, liebevoll gepflegte Wildwiesen, ein verwunschenes Blumendickicht, ein gemütlicher Sitzplatz. Warmes Holz, runder Kies. Wo man hinschaut, tauchen sie auf, die kleinen, überraschenden Details.

Eva Finkam aus Attiswil im Oberaargau arbeitet seit fünf Jahren als ausgebildete Bestatterin. Sie hat sich spezialisiert, Sternkinder auf ihrer letzten Reise zu begleiten. Eltern zu begleiten, deren Kinder allzu früh verstorben, deren Kinder gar tot auf die Welt gekommen sind.

Eva Finkam erzählt und erklärt ihre Tätigkeit in so wunderschönen Worten, dass der Autor sie reden lässt. Hören wir ihr zu: «Wenn in einer Familie ein Kind stirbt, ist es das Schlimmste, was wir uns vorstellen können. Eltern, Geschwister und nahe Angehörige sind gezwungen, ein Stück Lebensweg zu gehen, der eigentlich unmöglich gegangen werden kann.

Dieser Gang, dieser Prozess, sollte in geschützter Ruhe geschehen, damit die Trauerfamilie Schritt für Schritt spüren kann, wie sie diese schwierige Zeit des Abschieds gestalten möchte. Die verbleibende Zeit mit dem verstorbenen, mit dem stillgewordenen Kind hier auf der Erde ist unwiederbringlich und deshalb überaus kostbar.

Sternenkinder. Spezial Urnen von Eva Finkam
Diese kleinen Urnen liess Eva Finkam speziell für «ihre» Sternenkinder herstellen. (Foto: Daniela Friedli)

Sternenkinder: Die Familie soll bestimmen, wie sie den Abschied gestalten möchte

Gemeinsam mit den Angehörigen versuche ich herauszufinden, was nun noch getan werden kann, was nie mehr möglich ist? Was ist unser stimmiger Abschied? Was hat das verstorbene Kind ausgemacht, wie war sein spezielles Wesen, seine Ausstrahlung, sein Charakter? Wie möchten wir als Familie diese Tage verbringen?

Da taucht die Frage auf: Was müssen wir tun, was dürfen wir machen? Hier braucht die Trauerfamilie eine Begleitung, die ermutigt, die individuellen Möglichkeiten aufzeigt und die suchen hilft, aber nie bestimmt. Die Trauerfamilie muss wissen:

Erstens: Ihr dürft euch Zeit nehmen und herausfinden, was ihr möchtet und was euch guttut.

Zweitens: Ihr könnt diese schwierige Zeit bewältigen. Macht es in grosser Liebe, macht es mit grosser Liebe für euer verstorbenes Kind. Hört auf euer Herz!

(Eva Finkam)

Sternenkinder. Weidesarg
Eva Finkam bei ihrem Ausstellungs-Tisch. Eindrücklich die schönen Details für ihre Arbeit. (Foto: Daniela Friedli)

Abschiedsfeiern für Sternenkinder sind individuell. Sie müssen zur Familie passen

Es gibt keine goldene Regel, wie Abschied und Bestattung eines Sternenkindes sein müssen. Ein guter Abschied, eine gute Bestattung ist individuell. Für mich gibt es nur eine Regel. Die Feier muss passend sein zur Familie und zum verstorbenen Kind. Denn eines lehrt mich meine Erfahrung: Alles, was ich der Familie ermöglichen kann, aber auch alles, was wir versäumt haben zu tun, beeinflusst den weiteren Weg durch die Trauer. Wenn die Eltern spüren, was ihnen wichtig ist, und was sie möchten, was sie wollen, ist etwas Wertvolles geschehen. Dann befinden sie sich auf dem, meiner Ansicht nach, einzig richtigen Abschiedsweg.

Wenn irgend möglich, wäre es schön, eine Aufbahrung zu machen. Die Aufbahrung war früher ein natürlicher Teil unserer Trauerkultur. Damals hatten wir unsere Stillgewordenen in der guten Stube aufgebahrt. Schön zurechtgemacht in den Sonntagskleidern. Verwandte, Freunde, Nachbarn schauten vorbei und erwiesen dem Verstorbenen ganz selbstverständlich die letzte Ehre.

Eine Aufbahrung zu Hause ist nach wie vor gut machbar. Der Verstorbene, respektive das Zimmer, ist mit einfachen Mitteln kühlzuhalten.

Wenn das Vertrauen da ist, genug Zeit zu haben, wagen/getrauen sich Eltern viele letzte Liebesdienste, die sie sich zuerst selbst nicht zugetraut hätten. Im Nachhinein sind sie unendlich getröstet dadurch. Bereut wird nur Unterlassenes. Welche Form der liebenden Fürsorge stattfindet, ist in jeder Trauerfamilie anders, aber immer passend.

Es ist möglich, einem verstorbenen Kind in Liebe nahe zu sein: Angehörige können es in den Arm nehmen, können es streicheln, küssen, können still Totenwache halten. Sie können Gebete sprechen, Märchen erzählen, vertraue Gute-Nacht-Lieder singen. Wer möchte, darf ein stillgewordenes Kind baden, einölen. Darf ihm die Haare kämmen, darf ihm die Lieblingskleider anziehen.

Sternkinder: Engelslichtlein von Eva Finkam
Engelslichtlein. Mit solch kleinen Details beeindruckte Eva Finkam das DeinAdieu-Team. (Foto: Daniela Friedli)

Mit Blumen, Kuscheltieren oder Spielzeug den Aufbahrungsraum schmücken

In solchen Momenten soll Vieles ausgesprochen werden. Manche bitten das verstorbene Kind um Verzeihung, sprechen einen tiefempfundenen Dank aus. Manche schmücken das Sterbezimmer oder den Aufbahrungsort des Kindes. Dazu verwenden sie Blumen, Kuscheltiere, Spielzeug oder Elemente aus dem Hobbythema eines verstorbenen Jugendlichen. Andere wünschen sich, nochmals gemeinsam im Garten zu sein. Wünschen sich, zusammen unter dem Apfelbaum zu sitzen. Einigen tut es wohl, den Sarg selber mit der liebsten Bettwäsche des Kindes auszustatten oder eine Art Urne aus dem Nuscheli zu nähen.

Ganz wichtig ist es, die Geschwister zu integrieren. Sie sollen dabei sein, sollen helfen dürfen. Wenn Geschwister in dieser Zeit eine liebevolle, aufmerksame Bezugsperson an ihrer Seite haben, etwa eine nahestehende Verwandte oder einen Freund, eine Freundin der Familie, können sie deutlich sagen oder zeigen, was für sie stimmt und was nicht.

Viel Boden unter die Füsse kann den Eltern eine Abschiednahme geben. Diese ersetzt nicht die Abschiedsfeier. Die Abschiednahme findet in den Tagen vor der Bestattung statt. Dies ist eine alte Trauerkultur, die wir wieder leben sollten. Zur Abschiednahme werden diejenigen Menschen eingeladen, die sich persönlich vom verstorbenen Kind verabschieden dürfen. Das können Verwandte sein, Freunde, Kameraden aus der Schule, dem Kindergarten oder vom Sport. Oft sind Pflegende dabei, Nachbarn.

Eva Finkam, Sternenkinder-Bestatterin.
Eva Finkam, Sternenkinder-Bestatterin: «Ein weiterer schwerer Moment ist die Sargschliessung: Wann der passende Zeitpunkt ist, sagt die Familie.» (Foto: Daniela Friedli)

Bei einer Feier die Kraft der Gemeinschaft spüren

Bei so einer Feier erfährt die Trauerfamilie die Kraft der Gemeinschaft. Diese erleidet ja ebenfalls einen Verlust und trauert. Das verstorbene Kind erhält gute Wünsche, einen Segen, vielleicht wird eine kleine Zeremonie abgehalten oder einfach still am Sarg gesessen.

Hinterbliebene sollen nicht zu Alleingebliebenen werden. Die Abschiednahme ist ein erster wichtiger Schritt dazu.

(Eva Finkam)

Ein weiterer schwerer Moment ist die Sargschliessung: Wann der passende Zeitpunkt ist, sagt die Familie. Sie sagt, wann sie so weit ist, diesen Schritt zu gehen. Diesen letzten, diesen unendlich schweren Weg sollen Betroffene unbedingt vorher gemeinsam anschauen.

Da tauchen Fragen auf. Etwa, was brauchen wir im Moment der Sargschliessung? Wer soll unterstützend dabei sein? Vielleicht ein Seelsorger, sehr nahestehende Menschen? Menschen, die einen halten, die mit einem weinen. Engste Freunde vielleicht? Sollen Gebete gesprochen werden, ein Segen, gute Wünsche? Geschieht das still oder laut? Was tun wir im Moment, wo die Kremation stattfindet? Wollen wir dort in der Nähe sein oder an einem für uns besonderen Ort? Leute, die ich betreute, entzündeten im Cheminee ein Feuer und waren so mit ihrem Kind verbunden.

Eva Finkam, Sternenkinder-Bestatterin.
« Das verstorbene Kind bleibt für immer ein Fixstern am Familienhimmel», sagt Eva Finkam, Sternenkinder-Bestatterin. (Foto: Daniela Friedli)

Geschwister in eine Abschiedsfeier integrieren

Ein weiteres Thema ist: Wie gestalten wir Abschiednahme, Abschiedsfeier und Beisetzung? Gibt es nahe Menschen, die etwas beitragen können? Geschwister können integriert werden, indem sie Papiernastüechli oder Schwimmkerzli an die Trauergäste verteilen.

Angehörige fragen sich: Wie überstehen wir das erste Mal nach Hause kommen nach der Beisetzung, nach der Trauerfeier? Können wir etwas Verbindendes vom Grab mitnehmen? Einen symbolischen Gegenstand, eine Handvoll Erde, eine Rose aus dem Kranz, ein Fläschchen Weihwasser, eine Kerze.

Es sind meist die einfachen Handlungen und Gesten, die so heilsam wirken.

(Eva Finkam)

Für viele Eltern verstorbener Kinder jeden Alters stehen Sterne oder der Sternenhimmel als ein ewiges Symbol der Verbundenheit. Oft stellen Kinder sich vor, ihr verstorbenes Geschwisterchen wohne dort oben auf einem Stern, und das tröstet sie sehr. Das verstorbene Kind bleibt für immer ein Fixstern am Familienhimmel. Fixstern bedeutet: ein fest stehender Stern. Ein Stern, der stets dieselbe Stellung einnimmt zu den anderen Sternen, die zusammen mit der Himmelssphäre den Sternenhimmel bilden. Ein schönes Bild, das Kraft gibt.

Sind wir nicht alle Sternenkinder?

Ganz zum Schluss eines unserer Gespräche wurde Eva Finkam und dem Autor klar, dass wir alle Sternenkinder sind. Und wir deshalb alle wie ein Sternenkind verabschiedet werden können. Mit viel Liebe, mit viel Aufmerksamkeit und mit vielen kleinen Details. Danke, Eva Finkam, für diesen Gedanken.

Eva Finkam, Sternenkinder Bestatterin im Gespräch mit DeinAdieu-Autor Martin Schuppli.
Eva Finkam, Sternenkinder-Bestatterin im Gespräch mit DeinAdieu-Autor Martin Schuppli. (Foto: Daniela Friedli)

Sternlichtbestattungen
Eva Finkam
Oberdorfstrasse 12
4536 Attiswil/BE
Mobile +41 79 955 24 61
info@sternlichtbestattungen.ch
www.sternlichtbestattungen.ch

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Unterstützung finden nach dem frühen, dem allzu frühen Tod eines Kindes:
www.kindsverlust.ch und www.jasminasoraya.ch

6 Antworten auf „Eva Finkam begleitet Sternenkinder in den Himmel“

Christine Friedli sagt:

Lieben Dank an dich Martin und Eva Finkam. Stirbt ein Kind ist die Familie komplett überfordert und hilflos. Die zurück bleibenden Geschwister suchen halt bei ihren Eltern. Und die fragen sich wie sollen wir das überstehen. Wie soll es weitergehen? In dieser Zeit eine Eva Finkam an der Seite zuhaben. Wertvoll und unbezahlbar.

Martin Schuppli sagt:

Danke liebe Christine. Liebe dein Kompliment.

Christine Friedli sagt:

Bitte. Da freue ich mich.

Alexandra Timmer sagt:

Danke Frau Finkman, so jemanden wie Sie hätte ich auch gerne an meiner Seite gehabt, ich hatte keine Unterstützung bei der Verabschiedung meines Sohnes.

Christine Gerber-Strahm sagt:

Hallo Eva Finkam. Haben sie/du vorher im Trubschachen gewohnt?

Arannej Jennara sagt:

Damaris Gubler

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