Wer Lea Moliterni kennen lernt, erlebt einen Glücksmoment. Die Verantwortliche für Grossgönner, Legate und Stiftungen beim Schweizerischen Roten Kreuz für den Kanton Zürich verzaubert ihre Gesprächspartner mit natürlicher Fröhlichkeit, mit viel Empathie und einem grossen Wissen. Die Historikerin arbeitet seit 2013 beim Roten Kreuz für den Kanton Zürich. DeinAdieu-Autor Martin Schuppli traf sie noch vor der Corona-Zeit zum Interview.
Frau Moliterni, was ist Ihre Rolle bei der Organisation?
Lea Moliterni: Ich trage verschiedene Hüte beim Zürcher Roten Kreuz. Einerseits bin ich eine begeisterte Fundraiserin, sammle also Geld, stehe daher in regelmässigem, engem Kontakt mit Gönnerinnen, Spendern sowie Stiftungen. Meine «Spezialität» sind die Grossspenden, also diejenigen Einzelbeiträge, die wesentlich zum Gelingen ganzer Projekte und Aktivitäten beitragen.
Sie haben sich auf Vorsorge spezialisiert.
Genau. Seit einigen Jahren berate ich unsere Unterstützerinnen, Unterstützer rund um Fragen zu Nachlass, Testament sowie Vorsorge.
Wie stelle ich mir das vor?
Einerseits sind es persönliche Gespräche und individuelle Beratungen. Andererseits organisieren wir Veranstaltungen zum Thema. Dort geben wir Interessierten Raum und Zeit, um Fragen zu stellen. Und die Leute realisieren, ich bin nicht die Einzige, die Fragen hat, die verunsichert ist.
Und das beruhigt?
Das ist so. Nach einem Vortrag sagte mir eine ältere Dame: «Sie, jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Sterben.» Das hat mich unendlich berührt.
Das historische an der Arbeit des SRK interessiert Sie ebenso?
Stimmt. Ich bin fürs Rote Kreuz ebenfalls als Historikerin tätig, kümmere mich um alles «Historische». Diese spannende Aufgabe zu beschreiben, würde hier den Platz sprengen (lacht). Es gäbe genug Stoff für eine weitere Geschichte. Etwa die Zugkinder aus ehemaligen Kriegsländern, die zur Erholung in die Schweiz kamen.
Martin Schuppli: Ich erinnere mich, wir beherbergten in den sechziger Jahren viele Sommer lang die Bukow-Kinder aus Berlin.
Welche Aufgaben versieht das SRK für den Kanton Zürich?
Wir sind für alle Menschen im Kanton da, die auf Hilfe angewiesen sind. Am bekanntesten sind unser Fahrdienst sowie der Notruf. Sie werden vorwiegend von betagten Menschen genutzt. Wir haben aber auch ein tolles Jugendrotkreuz, welches über 20 Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und betagte Menschen durchführt. Dann unser breites Hilfs- und Beratungsangebot für Menschen in Not, für psychisch Kranke, für Familien in Ausnahmesituationen etc. Wie Sie sehen, wir sind sehr breit aufgestellt.
Wie finanzieren Sie sich? Gibts staatliche Beiträge neben Spenden und Erbschaften?
Das Rote Kreuz für den Kanton Zürich finanziert sich etwa zur Hälfte durch Spendengelder. Die andere Hälfte generieren wir mit Einnahmen aus verschiedenen kostenpflichtigen Angeboten und Dienstleistungen, beispielsweise von unserem Bildungszentrum in Winterthur, das auf die Ausbildung für Pflegende und Betreuende spezialisiert ist.
Wie wichtig sind für Sie Einnahmen aus Erbschaften, aus Legate?
Immer wichtiger. Wir sehen hier ein grosses Potential für die Zukunft, denn der traditionelle Spendenmarkt wird immer volatiler, das heisst unbeständig, sprunghaft. Wer sich jedoch für eine Erbschaft oder ein Legat entscheidet, trifft eine bewusste Entscheidung, und leistet dadurch einen Beitrag zur nachhaltigen Arbeit des Hilfswerks.
Können Sie die Menschen beschreiben, die Ihrer Organisation eine Erbschaft vermachen?
Es sind unterschiedliche Menschen, die etwas gemeinsam haben: Sie sind sich der menschlichen Zerbrechlichkeit bewusst. Und sie schrecken nicht davor zurück, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen.
Angetrieben durch Nächstenliebe?
So kann man das sagen, ja. Manche wollen beispielsweise verhindern, dass ihr Hund nach ihrem Tod ins Tierheim kommt. Anderen liegt der familiäre Frieden am Herzen, den sie durch eine Erbschaft gefährdet sehen. Wiederum andere möchten schlichtweg ein Vermächtnis hinterlassen, sozusagen über den Tod hinaus etwas bewirken. Dafür eignet sich eine Testamentsspende sehr gut.
Was motiviert diese Menschen dazu?
Etwa unsere menschlich zugewandte und fachlich kompetente Beratung. Danach sind viele gerne bereit, einen Teil ihres Vermögens dem Roten Kreuz zu hinterlassen.
Gibt es ebenso Spenderinnen, Spender, die Ihre Organisation berücksichtigen und die Sie vorher nicht gekannt haben?
Ja, das kommt ebenfalls vor. Unsere Marke ist sehr bekannt, und die Menschen haben Vertrauen ins Rote Kreuz. Das ist wohl mit ein Grund, warum wir regelmässig von uns unbekannten Menschen im Testament berücksichtigt werden.
Fast jeder von uns hat eine Verbindung zum Roten Kreuz.
So ist es. Jemand in der Familie nutzt den Notruf, die Nachbarin ist langjährige Rotkreuz-Fahrerin, die Tochter hat die Babysitter-Ausbildung gemacht, ein Onkel den Palliative-Care-Kurs usw.
Das wirkt sich aus?
Ja, sehr. Grundsätzlich machen wir folgende Erfahrung: Gerade bei Nachlässen spielt die Langfristigkeit eine wichtige Rolle (lacht). Die Organisation soll es schliesslich noch geben nach dem Ableben eines Erblassers, einer Erblasserin. Und irgendwie zweifelt niemand daran, dass es das Rote Kreuz in zehn, zwanzig, dreissig Jahren noch geben wird. So lange Menschen Hilfe benötigen, werden wir uns einsetzen, und dies wird so gesehen – leider – noch lange der Fall sein.
Wie können Sie Spender, Spenderinnen die Testamentsspende nahebringen, ohne pietätslos zu wirken?
Pietätslosigkeit ist für mich gar kein Thema. Ich mache eine ernsthafte, einfühlsame und zugewandte Beratung für jene Menschen, die sich um ihre Vorsorge kümmern und ihren Nachlass planen möchten. Viele sind bei den Fragen, die sich dabei stellen, überfordert und sind dankbar für eine externe Beratung.
Zum Abschluss: Frau Moliterni, haben Sie Ihr «letztes Büro» organisiert, ihr Testament gemacht?
Lea Moliterni: Natürlich habe ich mein Testament verfasst. Allerdings ist der Aufbewahrungsort zugegebenermassen nicht ideal. Es steckt nämlich in der Mitte meines Lieblingskochbuchs – aber mein Mann weiss das.
Warum sagen Sie: Natürlich …
Nun, wer beruflich mit diesen Themen arbeitet und selbst einfach nur «dahinlebt», ohne die Zukunft im Blick zu haben, ist einfach nicht glaubwürdig.
Und welches, liebe Frau Moliterni, ist denn Ihr Lieblingskochbuch?
Das bald hundertjährige Standardwerk «Il talismano della felicità» von Ada Boni. Sie war die italienische Elisabeth Fülscher. Die Erstausgabe erschienen 1927 mit 800 Rezepten. In diesem Kult-Kochbuch lernt frau noch so Sachen, wie sie das Huf vom Fuss trennt, bevor dieser über dem Feuer schmurgelt.
Der geschmorte Fuss ohne Huf wird nicht Ihr Lieblingsrezept sein? (lacht) Nein, es sind die gefüllten Artischocken im Ofen.
Verraten Sie uns die Details?
Weil Sie so nett fragen (lacht). Gefüllt werden die Artischocken mit grossblättrigem italienischem Peterli, mit Knoblauch, altem Brot, Salz, Pfeffer, Olivenöl sowie Pecorino. Dann werden sie mit einem grossen Gutsch Salzwasser im Ofen gegart. Und zwar thronen sie wie Königinnen inmitten von ganzen Kartoffeln sowie ganzen Zwiebeln, Loorbeerblättern und ganzen Datteltomaten.
Dann wünsch ich «en Guete», danke für das Gespräch und für das Rezept.
Interview: Martin Schuppli, Fotos: Paolo Foschini
Hier die Angaben zum DeinAdieu-Profil von SRKKZH
Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Zürich
Drahtzugstrasse 18
8008 Zürich
www.srk-zuerich.ch