Treffe ich Peter Junginger im Städtchen Walenstadt, weiss ich, für welche Berufsgruppe er gerade unterwegs ist. Vor allem jetzt, im Winter. Trägt er eine Wollmütze und steckt in einer hauptsächlich gelben Jacke, ist er als Rettungschef gefragt. Dann gilt es, Verunglückte zu bergen, Verunfallte zu suchen. Seien es Wanderer, Basejumper, Wingsuit- oder Gleitschirmpiloten, Lawinenopfer, Skifahrer. Die steilen Churfirsten-Felswände kennt Peter seit Kindsbeinen. Oft ist er schon auf den Chäserrugg und auf den Hinterrugg gestiegen, auf den Schibestoll, den Zustoll oder auf einen der anderen Gipfel. Zum einen, weil er im Einsatz war, zum andern, weil er sich mit solchen Gipfeltouren fit hält.
Särge zimmert bei den Jungingers niemand mehr
Trägt er aber die beigen Hosen mit den vielen Taschen sowie eine gelbe Jacke und drüber ein braunes Fleece-Gilet, dann ist er ganz Zimmermann. Topfit, fröhlich, ständig auf Trab. Beim 56-jährigen Handwerker arbeitet Patrick, einer der beiden Söhne, zudem beschäftigt er zwei Lehrlinge und vier Angestellte. Ehefrau Charlotte arbeitet ebenfalls mit – im Büro. Peter Junginger: «Die Firma und die damit verbundenen Aufgaben, Pflichten übernahm ich von meinem Vater. Später wird Sohn Patrick diese Tradition in dritter Generation fortführen.»
Mit Tradition meint Peter Junginger das Amt des gewählten Bestatters für die Gemeinden Walenstadt, Quarten und Flums. «Schon mein Vater versah diese Aufgabe, und wir Kinder wuchsen damit auf. Ich begleitete ihn oft beim Einsargen. Die Gespräche über Verstorbene, über Bestattungen, Beerdigungen waren nie ein Tabu. Im Gegenteil: Sterben war ein Thema am Familientisch.»
Peter Junginger kannte das Lawinenopfer. «Das tat weh»
Sehe ich Peter Junginger mit eher dunkler Kleidung, festen dunklen Schuhen und ernster Miene, dann ist er unser Bestatter. Seine Aufgaben sind vielfältig. Viele der verstorbenen Einwohner, Einwohnerinnen kannte Peter Junginger persönlich. Das kann die Aufgabe erschweren. Andererseits kommt er zum Einsatz, wenn auf der Autobahn jemand tödlich verunfallt oder wenn sich jemand vor den Zug wirft. Letzthin galt es, nach Lawinenopfern zu suchen. Gefunden hat Peter Junginger mit seinem Team einen Einheimischen. «Ich kannte ihn gut. Wir waren zusammen im Militär.» Solch Momente gehen dem erfahrenen Retter und Bestatter nahe. «Ich war froh, konnte ich gewisse Arbeiten delegieren.»
Findet Peter Junginger mit dem Rettungsteam einen Toten, eine Tote, übt er gleich zwei Aufgaben aus. «Zuerst leite ich die Rettungskolonne, dann amte ich als Bestatter, sarge die Verstorbenen ein. So machte es mein Vater, so mache ich es.»
Peter Jungingers Familie ist ebenfalls eingespannt in diese verantwortungsvolle Aufgabe. Ehefrau Charlotte, 52, sowie die Söhne Patrick und Thomas sind bereit, auszurücken. Wer mit wem wohin muss, um Stillgewordene einzusargen, ergibt sich. «Jeder hat seine Aufgabe, und alle ziehen am selben Strick. Ist einer verhindert, springt ein anderes Familienmitglied ein.» Charlotte Junginger etwa begleitet ihren Mann oder einen ihrer Söhne vor allem dann, wenn in einem der Altersheime jemand eingesargt werden muss.»
Teure Särge aus edlem Material sind kaum gefragt
Als ich Peter Junginger kennenlernte, fragte ich, ob ich bei ihm meinen Sarg zimmern könne. Er lachte: «Wir zimmern keine Särge mehr, das machen die Roboter in den Sargfabriken. Dort kaufen wir ein.» Viele verschiedene Modell stehen nicht im Keller. Verpackt sind sie in durchsichtigem Plastik. «Teure Särge aus edlem Holz brauchen wir kaum mehr. Die meisten Verstorbenen wollen kremiert werden. Und dafür reicht ihnen in der Regel ein schlichtes Modell.»
Wenn jemand etwas Besonderes wünscht, bietet der Stadtner Bestatter Hand dazu. Ich weiss von einer Frau, der hatten ihre Kinder einen ganz persönlich bemalten Sarg geschenkt. Der Sohn zimmerte ihn selbst. Der Handwerker nickt. «Das stimmt. Die Frau hatte ihre helle Freude an diesem besonderen Geschenk. Später starb sie an Krebs. Und wurde in ihrem Sarg kremiert.» Er lächelt ganz fein.
Urnen und Särge vor Ort auswählen
Seit die Jungingers im neuen Haus gleich neben der Zimmerei wohnen, finden Interessierte im Parterre einen schmucken Raum mit Mustersärgen, mit verschiedenen Urnen sowie mit einigen Dekostücken, die dem Raum eine besondere Note verleihen. Gesucht und ausgewählt von Charlotte Junginger.
Peter Junginger führt mir einige Kleinsturnen vor, zeigt mir Diamanten, die in Domat-Ems aus der Asche von Verstorbenen entstanden sind. «Unser Angebot ist vielseitig», sagt Charlotte Junginger. «So wie es sich unsere Kundschaft vorstellt. Nicht übertrieben. Einfach, modern.»
Charlotte Junginger wuchs mit ihrer Ehe na-dis-na in die Rolle einer Bestatterin. Zudem musste sie ebenso akzeptieren, dass sich Ehemann Peter und Sohn Patrick als Bergretter in Gefahr begeben. «Für Heliflüge ist Patrick zuständig. Er liess sich von der Alpinen Bergrettung St. Gallen zum Fachspezialist Helikopter ausbilden.»
Charlotte Junginger würde ihre Organe spenden
Angst um ihre Familie darf die grossgewachsene, sportliche Frau nicht haben. Angst vor dem Sterben hat sie ebenso keine. «Ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Der Körper bleibt hier, und deshalb trage ich einen Organspendeausweis auf mir.» Sie findet, das Ritual mit dem Aufbahren sehr wertvoll. So würden Angehörige gut Abschiednehmen können.
Ihr Mann Peter fürchtet sich ebensowenig vor dem Tod, vor dem Sterben. «Ein Pflegefall zu werden, machte mir viel mehr Angst», sagt er und steht auf.
Unsere Zeit fürs Gespräch ist um. Die Schattenbachlaui, eine berüchtigte Staublawine, muss von Spezialisten abgeschossen werden. Peter Junginger gehört zum Team. Er schlüpft in die Kleider des Bergretters, schnürt die festen Schuhe und eilt aus dem Haus. Draussen auf der Strasse setzt er sich die gelismete Mütze auf.
Text: Martin Schuppli, Fotos: Paolo Foschini
Junginger Bestattungen
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