Petra Jennis Trauerbuch hilft, sich an Verstorbene zu erinnern

Es sind die kleinen Dinge, die Grosses bewirken. Das weiss Petra Jenni. Die 41-jährige Grafikerin, Unternehmerin, Mutter und Ehefrau macht Menschen Freude, weil sie ihnen hilft, traurige Momente zu ertragen und schmerzvolle Verluste zu bewältigen.

Sie ist eine fröhliche Frau, die Petra Jenni. Eine Frau, die lachen kann und eine grosse Empathie ausstrahlt. Eine Frau, die Anteil nimmt am Leben und an den Menschen. Gut, wenn jemand wie sie Politik als Gemeinderätin macht. Gut, wenn jemand wie Petra Jenni darüber nachdenkt, Menschen zu helfen, die vom Schicksal gebeutelt wurden. Menschen, die ihr Liebstes verloren haben. Menschen, die trauern und nicht wissen, wohin mit den Erinnerungen, wohin mit den Gedanken.

Für dieses Wohin hat Petra Jenni ein Erinnerungsbuch geschaffen. «Ich habe dich im Herzen» heisst das Trauer- und Erinnerungsalbum für Kinder.

Petra Jenni schuf das Buch als eine Art Hilfe, Erinnerungen zu bewahren und die Trauer zu verarbeiten. „Mit ihrer grauen Farbe wirkt die Maus niemals dominant und lässt so Raum für das ‹Eigene›. Das Herbstblatt, steht für den Menschen, der stillgeworden ist.“ (Foto: Daniela Friedli)

Begonnen hat das ungewöhnliche Projekt mit der Tatsache, dass es im Umfeld der Künstlerin zu verschiedenen Todesfällen kam. «Es starben Menschen bei Arbeitsunfällen oder nach einem Suizid», sagt sie und malt gedankenverloren auf einem Papier herum, das vor ihr liegt. So ein Ereignis trifft die Menschen in einem kleinen Dorf mitten in der Schweiz, genauer im Luzerner Seetal. «Weisst du, ich bin sprachlos, wenn es um Trauer geht. Wenn es um den Tod geht. Und bei jedem dieser Sterbefälle blieben Kinder zurück. Was sollte ich da sagen, was konnte ich den Kleinen geben. Ich fand kein Buch, mit dem sie ihre Trauer hätten verarbeiten können. Also schuf ich eines.»

Aufgebaut ist Petra Jennis Erinnerungsbuch wie ein Poesiealbum. Wer es nutzt, schreibt das Datum und den Namen des Verstorbenen rein, klebt ein Foto rein. Auf den folgenden Seiten hats Platz für Texte, für Zeichnungen, für weitere Fotos, für Erinnerungen. Durch das Buch begleitet einen die kleine süsse Maus. Sie bringt die Fröhlichkeit zwischen die Seiten. Sie sorgt, findet der Autor, für Zuversicht.

Petra Jenni
Petra Jenni liebt das Zeichnen sehr. «Wenn ich ein konkretes Projekt habe, können es gut und gerne bis zu acht Stunden pro Tag sein.» (Foto: Daniela Friedli)

Trauerbücher helfen nicht nur Kindern

Das erste dieser Trauerbücher erhielt Petra Jennis Cousine. Sie verlor ihr schwerstbehindertes Kind. Das Buch half ihr, die Trauer zu verarbeiten. Es sind süsse, niedliche Zeichnungen, die als kleine Illustrationen die leeren Seiten zieren. Sie fordern einen auf, zu zeichnen, zu schreiben, zu kleben. So ein Trauerbuch ist nicht nur für Kinder eine Hilfe. Erwachsene erhalten ebenso die Möglichkeit, ein Erinnerungsalbum zu schaffen.

Einfach war die Entwicklung des Buches nicht. «Ich dachte viel und lange nach über die Möglichkeit, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Ihn in einem Erinnerungsbuch zu würdigen. «Allerdings wusste ich lange nicht, wie ich diese Arbeit angehen soll», sagt Petra Jenni. «Ich schob die Idee einige Jahre vor mir her. Irgendwann 2015, auf einem Morgenspaziergang mit unserem Hund Miro, wusste ich endlich, wie ich es machen wollte und legte los.»

Petra Jenni
Petra Jennis liebste Stifte sind von Faber Castell. Zudem zeichnet sie gerne mit schwarzen Tuschestiften. «Die Pitt Artist Pen habe ich in allen Pinselspitzengrössen und …“, sie lacht „… die Albrecht Dürer Künstleraquarellstifte male ich bis auf die kleinsten Stummel runter.» (Foto: Daniela Friedli)

So einfach stampft niemand ein Buch aus dem Boden. Die Idee entwickeln ist das eine. All die Zeichnungen und Texte zu fertigen das andere. Das reicht aber noch nicht. Petra Jenni brauchte Geld, um eine erste Auflage drucken zu lassen. «Damit konnte ich dann Buchhandlungen besuchen, Werbung machen, Leute überzeugen.» Gut gibts die Möglichkeit des so genannten Crowdfundings. Mit einer grossen Menge kleiner Beträge schaffte es die Luzernerin im vergangenen Jahr, eine erste Auflage produzieren zu lassen. «Ich wollte es schaffen, die Bücher unter 25 Franken verkaufen zu können.»

Mit Crowdfunding erste Auflage finanziert

Das klappte. Im Juni 2017 waren 2000 Exemplare gedruckt. «Ich musste einen Kompromiss mit der Grösse machen. Aber das schaffte ich.» Und mit dem Verkauf der ersten Auflage finanzierte Petra Jenni die Bücher der 2. Auflage. «Mittlerweile konnte ich sogar einen Verlag in Deutschland gewinnen. Das macht mich uhh stolz», sagt sie und lacht.

Petra Jenni
Petra Jenni erzählt von den Reaktionen auf ihr Erinnerungsbuch. «Die Krebsliga ist begeistert. Kathrin Kramis-Aebischer, CEO, schrieb mir: ‹Ihr Erinnerungsbuch ist ein wahres Bijou, grafisch, inhaltlich, psychologisch.› Und bei der Pro Juventute ist es Teil eines Programms des Witwen-, Witwer- und Waisenfonds, der es bei Bedarf verschenkt.» (Foto: Daniela Friedli)

«Ich liebe das Leben mit all seinen Facetten»

«Wenn ich sage, ich liebe das Leben, dann sage ich das aus der Optik von jemandem, mit dem es das Leben bisher gut gemeint hat. Doch Glück im Leben zu haben macht das Glück alleine nicht aus. Wer im Leben nur funktioniert und das Schöne nicht sieht, dem bleibt keine Möglichkeit, das Schöne, das Wunderbare zu geniessen. Für das Schöne und Wunderbare dankbar zu sein.»

Petra Jenni sagt: «Menschen, die nach immer grösserem Glück streben, verpassen den Moment und bemerken erst, wenn ein Schicksalsschlag ihr Leben verändert, dass sie das Wesentliche übersehen haben. Glücklich ist daher, wer das Leben lebt und liebt.»

Was aber, wenn das Unglaubliche geschieht? Wenn jemand aus der eigenen Nähe stirbt? Verhindern könnte Petra Jenni das nicht. Spielt der Gedanke, jeder Tag könnte der letzte sein, eine Rolle in der Gestaltung ihres Lebens? Sie nickt, schweigt: «Ja, darüber denke ich manchmal nach. Wenn ein geliebter Mensch sterben würde, wäre ich natürlich sehr traurig. Traurig, weil ich nicht weiterhin Anteil an seinem Leben nehmen könnte. Traurig, weil ich um weitere gemeinsame Momente gebracht worden wäre. Und ich wäre dankbar. Dankbar für alles, was war.»

Petra Jenni
Für Petra Jenni ist Zeichnen definitiv Beruf und Hobby. «Ich mache es sehr gerne. Und ich liebe die Vielseitigkeit meiner Tätigkeit als Unternehmerin. Daher geniesse ich ebenso die organisatorischen Aufgaben. »(Foto: Daniela Friedli)

Ich möchte, noch lange Mutter, Partnerin, Freundin sein

Machte sich Petra Jenni schon einmal Gedanken, über den Tod? Fürchtet sie sich vor dem Sterben? Wenn ja, wovor? Sie schweigt kurz, sagt dann: Angst vor dem Sterben habe sie nicht. Ob das immer so bleibe, fragt sie sich, «ich hoffe es». Wieder denkt sie nach. Sagt nach kurzer Pause: «Wann immer es so weit ist, gehe ich als Mensch, der sein Glück gefunden hat. Der sein Leben und die Menschen darin geliebt hat. Das wissen meine Liebsten, und das ist gut so. Natürlich hoffe ich, noch lange Mutter, Partnerin, Freundin sein zu können, noch viele schöne morgendliche Spaziergänge mit unserem Hund zu erleben.»

Und was glaubst du, kommt nach dem Tod? Wohin führt unsere letzte Reise? Da muss Petra Jenni nicht lange überlegen. Sie sagt: «Ich denke, dass wir dahin zurückkehren, von wo wir gekommen sind.» Dann zitiert sie einen schönen Geburtsspruch: «Wenn aus Liebe Leben wird, erhält das Glück einen Namen». Sie schaut uns an. «Merkt ihr den Sinn? Wenn wir nun also dahin zurückkehren, wo aus Liebe Leben werden kann, muss es das Paradies sein.» Sie lacht schallend, wir stimmen ein.

Text: Martin Schuppli, Fotos Daniela Friedli

Petra Jenni
Petra Jenni mit Tochter Alessandra: «Ich finde es schön, dass sie solche Erinnerungsalben macht. Schliesslich gehört das Thema Tod ebenfalls zum Leben.» (Foto: Daniela Friedli).

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Die Erinnerungs- und Babybücher von Petra Jenni gibts im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Mehr Informationen www.lioverlag.ch

Eine Antwort auf „Petra Jennis Trauerbuch hilft, sich an Verstorbene zu erinnern“

Claudia Jenni sagt:

Strahlefrau pur ❤️

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