SolidarMed verbessert die Gesundheitsversorgung von Millionen von Menschen in Kenia, Lesotho, Mosambik, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Tansania. Die Organisation wurde 1926 als katholische Organisation zur Entsendung von Ärztinnen und Ärzten aus der Schweiz gegründet. «Heute ist SolidarMed kirchlich ungebunden und stellt die Stärkung der Gesundheitsversorgung ins Zentrum all ihrer Aktivitäten», sagt Christian Heuss, Leiter Fundraising und Kommunikation und stellvertretender Geschäftsführer der Organisation. Statt Gesundheitspersonal zu entsenden, arbeitet SolidarMed mit lokalen Partnern im Gesundheitswesen zusammen. So entstehen medizinische Projekte in enger Zusammenarbeit mit Spitälern, Gesundheitszentren und Behörden mit dem Ziel, die Versorgung insbesondere von Kindern und jungen Familien zu verbessern, medizinisches Personal auszubilden oder Spitäler und Gesundheitszentren zu stärken. 2020 hat SolidarMed ausserdem die Zürcher Stiftung Aids und Kind integriert und führt die Aktivitäten für HIV/Aids-betroffene Jugendliche und Kinder in Südafrika und Kenia weiter.
In welchen Ländern, in denen SolidarMed tätig ist, bleibt HIV ein besonders grosses Problem?
Christian Heuss: HIV spielt in allen Ländern, in denen wir mit SolidarMed aktiv sind, noch immer eine bedeutende Rolle. Am schwierigsten ist die HIV-Situation in Lesotho, einem Bergstaat in der Mitte von Südafrika. Dort ist noch immer jeder vierte Erwachsene HIV-positiv. Damit ist Lesotho das Land mit der zweithöchsten Prävalenz weltweit. Heute ist das Virus mit modernen Medikamenten zwar gut behandelbar, und diese sind auch nicht mehr teuer (eine Jahrestherapie kostet pro Patientin oder Patient unter 75 Franken). Eine Herausforderung bleibt aber die Diagnostik. Nur wer seinen HIV-Status kennt, wird sich auch behandeln lassen. Und nur wer regelmässig Medikamente nimmt, kann das Virus auch nicht mehr übertragen. Ein Problem ist auch die Verfügbarkeit von Kondomen, gerade, wenn die Spitäler katholisch geprägt sind.
Wie stark sind Kinder noch von HIV betroffen?
HIV wird bei der Geburt nur noch selten auf Kinder übertragen, wenn deren Mütter während der Schwangerschaft unter Therapie stehen und begleitet werden. Trotzdem ist ein positiver HIV-Status der Mutter oder des Vaters für Kinder ein grosses Problem, etwa in den Townships von Südafrika, wo oft sehr schwierige soziale Verhältnisse in den betroffenen Familien herrschen. Stigmatisierung spielt dabei auch eine grosse Rolle.
Wie genau helfen Sie vor Ort?
In den meisten Einsatzländern haben wir lokale Länderteams aufgebaut. Sie bestehen aus Experten im Bereich Public Health, Medizin, Geburtshilfe oder Pflege. So gibt es etwa im Bereich HIV ein Jugendzentrum, in dem Jugendliche bezüglich Familienplanung oder Sexualität beraten werden und das Wissen in ihre Dörfer raustragen. Ein solches Projekt läuft derzeit in Lesotho. Auch in Simbabwe, Tansania und Mosambik arbeiten wir an diesen Themen. Ein Ziel ist dabei auch, die Zahl der Teenager-Schwangerschaften zu reduzieren. Denn junge Mädchen sind für Schwangerschaften körperlich oft noch nicht bereit. So besteht ein hohes gesundheitliches, aber auch finanzielles Risiko für Mutter und Kind.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
In vielen afrikanischen Ländern gibt es viel zu wenig Gesundheitspersonal. In den meisten Ländern liegt die Zahl des Personals weit unter der Empfehlung der WHO, was in ländlichen Gebieten noch akuter ist. Es braucht viel mehr Pflegende, Hebammen und Ärztinnen, und auch die Qualität der Arbeit muss besser werden. So investiert SolidarMed stark in die Ausbildung des Personals und in die Qualität von Behandlung und Pflege. Denn eine gute Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Mittel, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Ohne Gesundheit keine Bildung, ohne Bildung keine Entwicklung. So arbeiten wir auch an besseren Wohnmöglichkeiten für das Gesundheitspersonal, um die Abwanderung von Fachpersonal zu verhindern.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie?
Irgendwo vor Ort zu sein, zu helfen und nach kurzer Zeit nicht einfach wieder zu gehen, hat eine grosse Qualität und kann zu nachhaltigen Veränderungen führen. SolidarMed ist in einigen Ländern bereits seit Jahrzehnten aktiv. Manchmal führen wir an einem Spital oder Gesundheitszentrum kleinere Pilotprojekte durch, die dann später in anderen Regionen des Landes übernommen werden. So etwa in einem abgelegenen Spital in Tansania, wo wir mit wenigen Mitteln viel erreicht haben. Wir haben eine Station für Frühgeborene aufgebaut und das Konzept der Kangoroo Mothercare eingeführt: Frühchen erhalten möglichst viel Mutternähe, wodurch ihre Überlebenschancen dramatisch ansteigen. So hat eine kleine Massnahme zur massiven Reduktion der Sterblichkeit geführt. Vertreter des Gesundheitsministeriums haben das Spital besucht. Nun können ähnliche Massnahmen an anderen Spitälern umgesetzt werden.
Was mögen Sie an Ihrer Arbeit besonders?
Was mich persönlich sehr beeindruckt hat, war das sehr disziplinierte Verhalten der Menschen während der Pandemie. Eine Maske zu tragen, war in unseren Einsatzländern überhaupt kein Thema. Schneider haben schnell Masken genäht, die Leute haben die Aufforderungen befolgt. Die Leute sind in Afrika viel mehr von Krankheiten geprägt, kennen etwa Malaria als saisonale Gefahr. Die Sensibilität ist viel höher. Die emotionalen Diskussionen über die Maskentragpflicht, die wir hierzulande führten, sind dort kaum Thema gewesen. Auch das Bewusstsein, dass das Problem nur als Gemeinschaft gelöst werden kann, war dort grösser.
Was ist Ihre Vision?
Meine Grundüberzeugung ist: Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist ein Menschenrecht. Es ist ungerecht, dass dies für einen Grossteil der Weltbevölkerung nicht der Fall ist. Weil die Behandlung zu teuer ist, der Zugang fehlt. Wo man geboren wird, ist dem Zufall geschuldet. Ich sehe nicht ein, warum jemand, der in Tansania zur Welt kommt, schlechtere Bedingungen haben soll als jemand, der in Basel zur Welt kommt. Diese Ungerechtigkeit treibt mich persönlich an. Unsere Vision bei SolidarMed ist es, einen Beitrag zu leisten, dass es eine universelle Gesundheitsversorgung gibt. Jedes Kind, das man retten kann, jedes Frühgeborene, das nicht stirbt, ist ein Erfolg. Wir stehen in dieser Verantwortung.
Wofür brauchen Sie Spenden?
Unsere Spenden fliessen in unsere Gesundheitsprojekte und kommen so der Gesundheit von über drei Millionen Menschen zugute. Obwohl wir von der DEZA, aber auch von Stiftungen, Kantonen und Gemeinden unterstützt werden, sind wir angewiesen auf Spenden von Privatpersonen. Als Zewo-zertifiziertes Hilfswerk garantieren wir einen effektiven Umgang mit den Spenden. Über 81 Prozent der Spenden fliessen direkt in unsere medizinische Projektarbeit.