Die Stiftung Horyzon wirkt seit über einem halben Jahrhundert als Schweizer Entwicklungsorganisation für Jugendliche. Aktuell unterstützt Horyzon mehrere Projekte in den Ländern Palästina, Kolumbien, Uganda, Nepal und Haiti. Horyzon erreicht so jährlich rund 5500 Jugendliche, mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Da schwierige Lebensumstände oft zu geschlechterspezifischer Gewalt führen, liegt ein besonderer Fokus bei der Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen.
Existenzielle Herausforderungen in Krisengebieten
Die Jugendlichen in den Horyzon-Projekten sind von Armut, Gewalt und Ausgrenzung betroffen. Sie haben oft Traumatisches erlebt und müssen sich täglich existenziellen Herausforderungen stellen: Genügend Nahrung, Zugang zu Bildung und gesundheitliche Grundversorgung sind für sie nicht selbstverständlich. Die Projekte in den Armuts- und Krisenregionen stellen die Selbstbestimmung der Jugendlichen ins Zentrum: Die Jugendlichen lernen ihre Rechte kennen, übernehmen Führungsaufgaben und setzen sich auf lokaler und nationaler Ebene für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und ein friedliches Zusammenleben ein.
Aktuell fliessen 75 Prozent der Spendengelder in Projekte im Ausland. Knapp ein Drittel der Spenden stammt vom Deza, der eidgenössischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Einen weiteren grossen Anteil machen die Spenden von Stiftungen und die privaten Spenden aus: «Die privaten Spendengelder sind unser Rückgrat. Ein breiter Mix an Finanzierungsquellen ist für uns sehr wichtig, um die Programme durchführen zu können», sagt Andrea Rüegg. Sie ist seit 2018 Geschäftsführerin bei der Stiftung Horyzon.
Legate ermöglichen langfristige Planung
Die Stiftung Horyzon ist 1969 aus der Cevi-Bewegung – der weltweit grössten christlichen und überkonfessionellen Bewegung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen – entstanden. Horyzon kann auch auf treue Spender und Spenderinnen aus der Cevi-Community zählen. Die lebensnahe Verbundenheit dauert über den Tod hinaus an, wenn die Spender und Spenderinnen die Stiftung in ihrem Testament berücksichtigen. «Ein Testament geschrieben zu haben, empfinden viele Menschen als eine Erleichterung. Sie geben ihren persönlichen Wünschen Ausdruck und bekennen sich zu dem, was ihnen wirklich wichtig ist. Das schafft Sicherheit und Klarheit in der Familie und in ihrem Umfeld. Wir möchten die Unterstützung aus Legaten gerne noch ausbauen», so Andrea Rüegg. Dank Legaten erhalte Horyzon eine Sicherheit, um langfristig Projekte zu planen. Ausserdem können nicht zweckgebundene Gelder dort eingesetzt werden, wo gerade am meisten Hilfe benötigt wird – Hilfe aus Sicht der Betroffenen, wie Rüegg betont.
«Das Geld nicht einfach in betroffene Länder schicken»
Doch gerade in Ländern, wo es keine politische Stabilität gibt, können Spendengelder schnell mal versickern oder nicht für die gewünschte Unterstützung eingesetzt werden. «Wir schicken die Gelder nicht einfach in Länder, die Hilfe benötigen, sondern investieren in Organisationen vor Ort, welche die Umstände und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung gut kennen», betont Andrea Rüegg. Horyzon arbeitet mit unabhängigen, lokalen Partnerorganisationen zusammen. Das Programm «Espace Sûr» in Haiti wird von der Partnerorganisation «Young Women’s Christian Association (YWCA) Haiti»geleitet.
Auch wenn Horyzon möglichst viel Geld direkt in die Programme investieren möchte, ist es genauso wichtig, dass diese gut betreut sind: Deshalb leistet die Stiftung auch Unterstützung für die Administration, Organisation und das Fundraising der lokalen Partnerinstitutionen. So können interne Strukturen auf Organisations- und Führungsebene verbessert werden. Sandrine Kénol ist Programmverantwortliche von «Espace Sûr» in Haiti: «Die Partnerschaft mit Horyzon ist für uns sehr wichtig und ermutigend. Dank dieser Zusammenarbeit können wir auch wertvolles Know-how für das Personal aufbauen», so Kénol.
Einen sicheren Ort im Chaos schaffen
Nach der Ermordung des Präsidenten im Jahr 2021 entstand in Haiti ein Machtvakuum. Kriminelle Banden übernahmen mehrheitlich die Kontrolle über das Land. Die desaströse Situation im karibischen Inselstaat ist aus dem Fokus der internationalen Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. «Wer in Haiti geboren wurde, hat ein schweres Los gezogen. Der Alltag ist von Gewalt geprägt, und es herrscht politisches Chaos. Weder Strom- oder Wasserversorgung, Gesundheitsversorgung, noch das Bildungssystem funktionieren», so Horyzon-Geschäftsführerin Rüegg. Die Pandemie habe die Misere noch verschlimmert. Für Mädchen und junge Frauen sei die Lage besonders gefährlich.
Das Projekt «Espace Sûr», das am Rande eines Armenviertels bei Port-au-Prince liegt, bietet einen sicheren Ort mitten im Chaos: Neben warmen Mahlzeiten erhalten die Mädchen täglich Betreuung beim Erledigen der Hausaufgaben und bei Bedarf individuellen Nachhilfeunterricht oder medizinische und psychosoziale Hilfe. «Espace Sûr» fördert seit 2015 Frauen aus den ärmsten sozialen Schichten, damit sich diese zu gesunden, selbstbewussten und gleichgestellten Frauen entwickeln und sich so aktiv für positive Veränderungen in der haitianischen Gesellschaft einsetzen können.
Junge Menschen für den Wandel ermächtigen
Pro Jahr arbeitet «Espace Sûr» mit rund 500 Mädchen und jungen Frauen zwischen 5 und 35 Jahren zusammen. Die Mädchen und jungen Frauen erhalten je nach ihren Bedürfnissen individuelle Hilfe, sei dies sexuelle Aufklärung oder psychologische Unterstützung. Frauen ab 18 Jahren bietet «Espace Sûr» mit der «Leadership Academy» die Möglichkeit, Kurse und Workshops zu Recht, Finanzen oder Gesundheit zu besuchen. In den vergangenen zwei Jahren bot YWCA auch jungen Männern Workshops zu Lebenskompetenzen an. Einerseits, um ihnen ein besseres Verständnis für die Selbstbestimmung der jungen Frauen zu vermitteln. Andererseits, um auch ihre Fähigkeiten als junge Männer zu stärken, damit sie ebenfalls zu Akteuren des Wandels werden. «Das führte zu besseren und umfassenderen Ergebnissen des Programms für Lebenskompetenzen bei den jungen Frauen, da diese berichteten, ihr männliches Gegenüber verstehe und unterstütze die Veränderungen, die sie in ihrem Leben als junge Frauen vornehmen wollen, nun besser», sagt Sandrine Kénol.
Planung als Herausforderung
Die fehlende Sicherheit und das politische Chaos im karibischen Inselstaat ist für die Partnerorganisation vor Ort herausfordernd: «Es ist schwierig, Aktivitäten zu planen und einzuhalten. Gleichzeitig suchen wir neue Partnerschaften, um unsere Programme zu finanzieren. Die tägliche Unsicherheit erschwert das aber», berichtet Sandrine Kénol. Langfristiges Ziel von «Espace Sûr» sei es, langfristige Einkommensquellen aufzubauen: ein Cybercafé oder die Vermittlung des Lebenskompetenzprogramms an Schulen. Spendeneinnahmen aus neuen Partnerschaften oder Fundraising-Aktivitäten auf lokaler Ebene würden solche wichtigen Programme ermöglichen. Doch Aktivitäten konnten in den letzten zwei Jahren aufgrund der Sicherheitsprobleme und der zivilen Unruhen oft nicht wie geplant durchgeführt werden.
Flexibilität bei der Zusammenarbeit ist auch für die Mitarbeitenden von Horyzon in der Schweiz unabdingbar: «Die Menschen in Haiti leben aktuell von der Hand in den Mund. Für uns ist deshalb nur eine rollende Planung möglich, bei der wir Geplantes immer wieder den Umständen anpassen», sagt Horyzon-Geschäftsführerin Andrea Rüegg.