Wer hat wem gegenüber eine Auskunftspflicht?
Die erbrechtliche Auskunftspflicht gemäss ZGB betrifft zunächst Miterben und umfasst sämtliche Sachverhalte, die für den Erbgang von Belang sein könnten. Insbesondere lebzeitige Zuwendungen von Seiten des Erblassers sind damit gemeint. Als lebzeitige Zuwendungen gelten (reine oder gemischte) Schenkungen, Erbvorbezüge, Darlehen sowie weitere Begünstigungen.
Lebzeitige Schenkungen unterliegen grundsätzlich der Ausgleichungspflicht. Davon ausgenommen sind allerdings übliche Gelegenheitsgeschenke bis zu einem gewissen Wert (z.B. anlässlich Weihnachten, Geburtstag oder Jahrestag). Bei der gemischten Schenkung handelt es sich um ein Geschäft (typischerweise einen Kaufvertrag), bei dem der Wert der Leistung des Erblassers den der Gegenleistung bewusst und gewollt übersteigt. Dies meistens in so hohem Masse, dass über die Differenz eine Absicht zur Schenkung anzunehmen ist.
Der Erbvorbezug ist eine unentgeltliche, lebzeitige Zuwendung des Erblassers, die auf den Erbteil des Begünstigten angerechnet werden soll. Er kann z.B. per Erbvertrag als Erbauskauf vereinbart werden. So verzichtet der Erbe gegen Entgelt auf spätere Ansprüche aus dem Nachlass des Erblassers.
Beim Darlehen überträgt der Darleiher dem Borger das Eigentum an vertretbaren Sachen. Der Borger verpflichtet sich zur Rückerstattung gleichwertiger Sachen. Typischerweise gewährt der Erblasser einem Erben ein Darlehen über eine gewisse Geldsumme. Der Erbe verpflichtet sich dagegen, diese zu einem bestimmten Termin zurückzuzahlen. Dies ist, falls nicht anders vereinbart, unverzinslich der Fall. Verstirbt der Erblasser vor diesem Termin, geht seine Forderung auf die Erbengemeinschaft über. Der Borger hat seine Miterben über ihren Anspruch zu informieren.
Das Anrecht auf diese Informationen steht dem Willensvollstrecker, dem Erbenvertreter, der mit der Erbteilung befassten Behörde sowie jedem gesetzlichen oder (testamentarisch bzw. erbvertraglich) eingesetzten Erben einzeln gegenüber den Miterben zu. Vermächtnisnehmer sind nicht aktiv legitimiert. Zudem haben die Erben und ihre Interessensvertretung Auskunftsansprüche gegen Dritte, die in einer Beziehung zum Erblasser standen und über erbschaftsrelevante Informationen verfügen (ausgenommen Geheimnisträger). Gegen die Miterben besteht ein Auskunftsanspruch während der Dauer der Erbengemeinschaft. Gegen Dritte dagegen solange die sich ergebenden Herausgabeansprüche noch nicht verjährt sind. Die Auskunftsklage dient namentlich der Vorbereitung einer Herabsetzungs- oder Ausgleichungsklage.
Die örtliche Gerichtszuständigkeit für die Auskunftsklage richtet sich nach der Zivilprozessordnung. Grundsätzlich sind die Gerichte am Beklagtenwohnsitz zuständig. Für erbrechtliche Klagen dagegen das Gericht am letzten Erblasserwohnsitz.
Welche Dokumente fallen unter der Herausgabepflicht?
Die Auskunftspflicht wird ergänzt durch die Pflicht zur Einreichung bzw. Herausgabe von Dokumenten mit Bezug zum Erbfall. Zunächst handelt es sich dabei um letztwillige Verfügungen der Erblasserin, die von einem Dritten aufbewahrt wurden oder anderweitig in seinen Besitz gelangt sind. Diese sind der Eröffnungsbehörde nach Kenntnisnahme von dessen Ableben unverzüglich und unaufgefordert einzureichen. Dies per Gesetz auch dann, wenn der Besitzer sie für ungültig erachtet.
Im Rahmen der Nachlassabwicklung kann es nötig werden, weitere Unterlagen zu konsultieren. Diese Notwendigkeit kann sich auch auf eine (eingelieferte und gültige) letztwillige Verfügung oder die gesetzliche Erbfolge stützen. Steuerunterlagen, Bankbelege, Rechnungen, Korrespondenzen, etc. vervollständigen den Überblick über die finanzielle Situation des Erblassers.
Das Bankgeheimnis gilt zwar gegenüber Dritten, nicht aber gegenüber den Erben als Rechtsnachfolger der Erblasserin. Die Bank ist ihnen gegenüber mit der Auskunftspflicht verpflichtet, Einblick in das Nachlassvermögen zu gewähren. Uneingeschränkten Zugriff auf Bankkonten, Sparbücher, Depots etc. erhalten die Erben aber erst mit Ausstellung eines Erbscheins. Dieser erfolgt im Anschluss an die rechtskräftige Eröffnung des Testaments.
Was sind die Konsequenzen der Verweigerung?
Versäumt eine zur Einlieferung letztwilliger Verfügungen verpflichtete Person ihrer Verantwortung nachzukommen, so haftet sie persönlich für den aus ihrer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden. Dies umfasst die zivilrechtliche Haftung für vorsätzlich oder fahrlässig zugefügten Schaden sowie bei vorsätzlichem Handeln den Verlust der Erbenstellung wegen Erbunwürdigkeit. Eine erbunwürdige Person wird behandelt, als sei sie vorverstorben. Ihre Nachkommen treten an ihre Stelle.
Falls Vorsatz und Bereicherungsabsicht nachgewiesen werden, kann sich die betreffende Person zudem des Strafdelikts der Urkundenunterdrückung schuldig machen. Zum Nachteil von Familienangehörigen wird dieses zwar nur auf Antrag verfolgt, kann aber mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und/oder Geldstrafe geahndet werden.
Steuerunterlagen, Bankbelege, Rechnungen und Korrespondenzen können den Erben zur Begründung und Substantivierung von Ansprüchen dienen. Wer einen Anspruch geltend macht, hat diesen zu belegen. Kommt jemand dieser Obliegenheit nicht nach, nimmt er den Verlust der behaupteten Rechte in Kauf. Die Verweigerung der Auskunftspflicht oder der Herausgabepflicht von Dokumenten führt nicht per se zu einer Umkehr der Beweislast. Sie kann aber bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.