Begünstigung des Anwalts im Testament

Immer wieder kommt es vor, dass eine Person den Anwalt oder die Notarin ihres Vertrauens letztwillig begünstigen möchte. Ob dies zulässig ist, und worauf es allenfalls zu achten gilt, erklären wir Ihnen in diesem Ratgeberartikel.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Grundsätzlich darf die Erblasserin im Umfang ihrer frei verfügbaren Quote jede beliebige Person begünstigen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, sei dies durch Testament oder Erbvertrag, Erbeinsetzung, Vermächtnis oder Auflage.
  • Wenn eine Erblasserin den Anwalt oder Notar ihres Vertrauens (oder dessen Angehörige) erbrechtlich begünstigen möchte, kann dies aber heikle Fragen in Bezug auf deren Berufspflichten aufwerfen: Anwälte und Notare sind zur getreuen und sorgfältigen Interessenwahrung ihrer Mandantschaft und zur Unabhängigkeit verpflichtet.
  • Diese Berufspflichten können gefährdet erscheinen, wenn Anwältinnen oder Urkundspersonen erbrechtliche Zuwendungen gemacht werden sollen. Das Risiko eines Verstosses steigt mit der Höhe der Zuwendungen, der Tragweite des Mandats, der Schutzbedürftigkeit der Erblasserin und der Intensität der Beziehung.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen sind die entsprechenden Verfügungen anfechtbar. Bei Gutheissung der Ungültigkeitsklage werden die Zuwendungen aufgehoben. Zudem muss sich die begünstigte Person u.U. wegen Disziplinarverstössen oder sogar strafrechtlich verantworten.
  • Daher ist stets zu empfehlen, eine professionelle Distanz zu wahren. Dazu empfiehlt sich u.a. der Beizug unabhängiger Dritter als Beratungs- und/oder Urkundspersonen, sowie die Beendigung von potentiell durch die erbrechtliche Verfügung beeinflussten Mandaten.

Ein vertrauensvolles Verhältnis ist ein wichtiger Faktor in der besonderen Beziehung zwischen Anwalt und Mandantschaft. In einzelnen Fällen geht dieses Vertrauensverhältnis sogar bis über den Tod hinaus – so weit, dass eine Begünstigung des Anwalts durch Testament oder Erbvertrag erfolgen soll. Anhand einiger Präzedenzfälle konnte die schweizerische Rechtsprechung Faktoren identifizieren, die für die Beurteilung der Zulässigkeit erbrechtlicher Zuwendungen an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte entscheidend sind. Diese gelten sinngemäss auch für andere juristische Fachpersonen in einer vergleichbaren Position, namentlich Notarinnen und Notare.

Ist es zulässig, eine Anwältin oder einen Anwalt im Testament zu berücksichtigen?

Ein bedeutender Grundsatz des Erbrechts ist jener der Verfügungsfreiheit: Die Erblasserin oder der Erblasser ist prinzipiell frei zu entscheiden, wem sie welche Vermögenswerte aus dem eigenen Nachlass zuwenden möchten. Einschränkungen hinsichtlich des Kreises möglicher Zuwendungsempfänger – Erbinnen, Erben, Vermächtnisnehmerinnen oder Vermächtnisnehmer sowie Auflagenbegünstigte – gibt es kaum. Juristische Personen können ebenso begünstigt werden wie natürliche Personen; Tiere können zwar nicht im engeren Sinne erben, aber sogar für sie sieht das Gesetz eine eigene Lösung vor.

Die wichtigste Schranke der Verfügungsfreiheit bildet das Pflichtteilsrecht: Mit der Herabsetzungsklage können Nachkommen und Ehegatten des Erblassers einen ihnen zwingend zustehenden Anteil am Nachlass geltend machen. Darüber hinaus – im Umfang der sogenannten freien oder verfügbaren Quote – können Erblasserinnen und Erblasser durch Testament oder Erbvertrag begünstigen, wen sie möchten.

Das gilt selbstverständlich auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, wobei deren berufliche Tätigkeit nur dann von Belang ist, wenn sie mit der Zuwendung in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Anders ausgedrückt: Wenn bspw. ein Grossvater seiner Enkelin das Wohnhaus vermacht und die Enkelin zufällig als Rechtsanwältin arbeitet, ohne ihren Grossvater rechtlich zu beraten oder zu vertreten, spielt es keine Rolle, welchen Beruf sie hat – sie könnte ebenso gut Ärztin, Informatikerin oder Lehrerin sein. Eine Anwältin, die den Erblasser nicht berät oder vertritt, kann erbrechtlich begünstigt werden, ohne dass sich besondere Herausforderungen ergeben.

Das charakteristische Merkmal eines Anwaltsmandats – und der kritische Punkt in Bezug auf eine erbrechtliche Begünstigung – ist nämlich das besondere Vertrauensverhältnis, das zwischen den Parteien in aller Regel besteht. Ihm gegenüber steht die Gefahr von Interessenkonflikten, wenn bedeutende Vermögenswerte zur Disposition stehen. Darin liegt – wie sich sogleich zeigen wird – die Wurzel der Probleme, die sich bei einer erbrechtlichen Begünstigung des Anwalts oder der Anwältin ergeben können.

Unter welchen Umständen besteht eine besondere Gefahr von Interessenkonflikten?

Gemäss Art. 12 lit. a bis c des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA) müssen Anwälte ihren Beruf sorgfältig, gewissenhaft und unabhängig ausüben sowie jeden Interessenkonflikt im Verhältnis zu ihrer Klientschaft vermeiden. Ob diese Berufspflichten im Einzelfall eingehalten oder verletzt werden, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern muss anhand der konkreten Umstände ermittelt werden.

In einem Rechtsstreit aus dem Jahr 2006 setzte eine vermögende Witwe ihren Rechtsanwalt als Alleinerben ein, woraufhin das entsprechende Testament nach ihrem Tod durch den Begünstigten aus einer früheren Verfügung erfolgreich angefochten wurde. Massgebend für die Aufhebung der Zuwendungen an den Anwalt waren insb. die folgenden Umstände:

Zunächst stellte das Bundesgericht fest, dass ein Anwalt und Berater in erbrechtlichen Angelegenheiten, der selbst zum Alleinerben eingesetzt werde, keine neutrale und unabhängige Rechtsberatung mehr bieten könne und offensichtlich in einen schweren Interessenkonflikt gerate. Aufgrund seines Wissensvorsprungs in erb- und berufsrechtlichen Angelegenheiten sowie seiner Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber der schutzbedürftigen, betagten und von Dritten weitgehend isolierten Mandantin, wäre er verpflichtet gewesen, diese von der Unzulässigkeit und Unzweckmässigkeit der getroffenen Nachlassregelung zu überzeugen und ihr andere Lösungen aufzuzeigen. Wenigstens aber hätte er sie auf seinen Interessenkonflikt hinweisen und ihr eine unabhängige Beratung empfehlen müssen.

Im Widerspruch dazu habe er jedoch das bestehende Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis ausgenützt und dazu beigetragen, die Erblasserin weiter zu isolieren. Schliesslich habe er sogar das ihn begünstigende Testament mitgenommen, sodass die Erblasserin dieses nicht mehr zerstören bzw. nur mit erheblichen Schwierigkeiten widerrufen oder durch ein neues ersetzen konnte.

Wenngleich es sich in dieser Konstellation um einen besonders stossenden Fall handeln mag, lassen sich daraus einige Lektionen von allgemeiner Relevanz ableiten:

  • Je umfangreicher die Begünstigung des involvierten Rechtsanwalts oder Notars ist, desto mehr ist von einem gravierenden Interessenkonflikt auszugehen, der die von Berufs- und Standesrecht geforderte Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigt.
  • Je unübersichtlicher und komplexer ein Erbfall ist – und je mehr Expertise er daher voraussetzt – umso weniger darf davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin imstande ist, die Verhältnisse eigenständig zu überblicken und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. In solchen Fällen sind die Treue-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten der Fachpersonen weitreichender als bei einfachen Konstellationen.
  • Je schutzbedürftiger die Erblasserin aufgrund ihres Alters, ihres Geisteszustandes, ihrer sozialen Isolation oder anderer Einschränkungen ist, desto grösser erscheint das Risiko, dass diese ausgenützt werden. Unter solchen Umständen erscheint der Beizug von neutralen Drittpersonen geboten. Die Beratung darf nicht alleine durch die zu begünstigende und daher in einem Interessenkonflikt befindliche Person erfolgen.
  • Schliesslich ist in jedem Fall die Entscheidungsfreiheit der Erblasserin weitestmöglich aufrechtzuerhalten und zu fördern. Insb. bedeutet dies, dass sie die Möglichkeit haben muss, eine problematische Verfügung zugunsten eines Anwalts oder Notars jederzeit zu widerrufen oder durch eine neue zu ersetzen. Jedes Verhalten des Begünstigten, das darauf abzielen könnte, dies zu verhindern, erscheint im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als unzulässig.

Nicht nur eine Zuwendung an einen Anwalt oder Notar selbst kann problematisch sein, sondern auch die Begünstigung von ihm nahestehenden Personen. Aufgrund der persönlichen und vermögensmässigen Verflechtungen kann auch in diesen Fällen die gebotene Unabhängigkeit der Fachpersonen beeinträchtigt sein. Vorsicht ist stets dann geboten, wenn sie aufgrund (des Anscheins) von persönlicher Betroffenheit in den Ausstand treten müssten. Dies ist insb. der Fall, wenn sie selbst, ihre Lebensgefährten, Verlobten oder Ehegatten, eingetragenen Partner, ihre Verwandten und Verschwägerten bis und mit dem dritten Grad, ihre Adoptiv-, Pflege- oder Stiefeltern oder -kinder an der Angelegenheit persönlich beteiligt sind.

Was können Erbinnen und Erben unternehmen, wenn sie mit einer testamentarischen Begünstigung des Anwalts nicht einverstanden sind?

Bei einem Verstoss gegen die oben genannten Prinzipien können die Erbinnen die entsprechende Verfügung bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen anfechten. Das Gesetz bietet den Erben zwei Möglichkeiten: die Ungültigkeitsklage sowie die Berufung auf die Erbunwürdigkeit des begünstigten Anwalts.

Dies schliesst aber nicht aus, dass im Einzelfall weitere Anfechtungstatbestände erfüllt sein können (wie z.B. Formmängel der Verfügung, Verfügungsunfähigkeit der Erblasserin, Pflichtteilsverletzungen, etc.).

Die Erben können die Ungültigkeitsklage erheben, wenn die Ungültigkeitsgründe nach Art. 519 ff. ZGB erfüllt sind. Als mögliche Gründe für Ungültigkeit nennt das Gesetz den Willensmangel, die Unsittlichkeit oder die Rechtswidrigkeit der testamentarischen Verfügung. Heisst das Gericht die Klage gut, führt dies zur gänzlichen oder teilweisen Aufhebung der mangelhaften Verfügung. An deren Stelle tritt eine frühere Verfügung oder die gesetzliche Erbfolge. Klagen kann jede Person, die als Erbe oder Bedachte ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt wird; die Klage richtet sich gegen die aus der angefochtenen Verfügung begünstigte Person. Wird die Klage nicht oder nicht fristgerecht erhoben, so bleibt die mangelhafte Verfügung in Kraft und die begünstigte Person kann ihre Zuwendungen einfordern.

  • Als Willensmangel kommt insb. jeder für die Verfügung ursächliche Irrtum in Betracht: Ein solcher liegt vor, wenn die Erblasserin eine falsche Vorstellung über massgebliche Umstände hatte und in Kenntnis der effektiven Gegebenheiten keine oder andere Anordnungen getroffen hätte. Wenn also der Erblasserin die Interessenkollision und die wahren (Bereicherungs-)Absichten des Anwalts verborgen geblieben sind und sie bei Kenntnis davon eine andere letztwillige Anordnung getroffen hätte, ist die Verfügung anfechtbar. Den – meist sehr schwierigen – Beweis für die Unkenntnis und die hypothetische abweichende Verfügung muss der Kläger erbringen, der die Ungültigerklärung verlangt.
  • Die Unsittlichkeit oder Rechtswidrigkeit des Inhalts der Verfügung betrifft die Leistung als solche oder den angestrebten Erfolg, nicht den Beweggrund für die Zuwendung. Sie bezieht sich als Ungültigkeitsgrund stets auf das Verhalten des Erblassers und nicht auf dasjenige der begünstigten Person – für diese sind die Erbunwürdigkeitsgründe massgebend (dazu sogleich). Eine Erblasserin, die einen Anwalt erbrechtlich begünstigt, wird in den seltensten Fällen gegen geltendes Recht verstossen (vgl. die Ausführungen oben zur Verfügungsfreiheit) und sich auch kaum eines sittenwidrigen Verhaltens schuldig machen, zumal sie den Umständen nach oft eher als «Opfer» denn als «Täterin» erscheint.

Die vielversprechendste Lösung für benachteiligte Erbinnen und Erben ist daher die Berufung auf die Erbunwürdigkeit des begünstigten Anwalts oder Notars: Unwürdig, aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben, ist u.a., wer den Erblasser durch Arglist dazu gebracht oder daran gehindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder zu widerrufen.

Dies wurde auch im oben erwähnten Leitentscheid des Bundesgerichts bejaht: Dort habe der Anwalt in gezielter Ausnützung des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses, durch das Unterlassen jeglicher Aufklärung sowie unter Mitnahme des Testaments die Erblasserin daran gehindert, die ihn begünstigende Verfügung zu widerrufen. Er wurde daher aufgrund seines insgesamt als arglistig anzusehenden Verhaltens für erbunwürdig erklärt.

Zu beachten bleibt aber, dass der Tatbestand der Arglist nicht leichthin als erfüllt angesehen werden kann. Nicht jedes zweifelhafte Verhalten einer begünstigten Vertrauensperson rechtfertigt es, diese für erbunwürdig zu erklären. Vielmehr muss die Gesamtheit der Umstände objektiv darauf schliessen lassen, dass diese die Schwäche der anderen Partei vorsätzlich und widerrechtlich dazu genutzt hat, sich selbst oder ihre Angehörigen zu bereichern. In weniger klaren Fällen als dem geschilderten kann dies durchaus schwierig zu beurteilen sein.

Im Interesse einer rechtssicheren Nachlassplanung und einer sauberen Optik ist es daher zu empfehlen, unabhängige Dritte beizuziehen, wenn eine Rechtsanwältin oder ein Notar erbrechtlich begünstigt werden soll. Um auch die berufsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich Sorgfalts- und Treuepflichten sowie Unabhängigkeit zu wahren, ist der begünstigten Fachperson ausserdem dringend nahezulegen, ihre Mandate für die Erblasserin eingehend zu überprüfen und im Zweifelsfall niederzulegen, an Bürokollegen abzutreten oder wenigstens bis auf Weiteres ruhend zu stellen.

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