Warum Steuerwert?
Bei einem Blick ins gesetzliche Erbrecht (Art. 457-640 ZGB) ist schnell klar, dass dort in aller Regel nur in Proportionen und Anteilen gerechnet wird. Damit möchte der Gesetzgeber den zahllosen denkbaren Vermögenskonstellationen Rechnung tragen. Auch im Testament ist es empfehlenswert, den Nachlass anteilig aufzuschlüsseln, da sich die Vermögenssituation in jedem Moment verändern kann.
Zuweisungen absoluter Vermögensbeträge (z.B. „Meine Tochter Anna soll CHF 10‘000 in bar aus meinem Tresor erhalten“) werden üblicherweise als Teilungsvorschriften verstanden. Das heisst, als Anordnung darüber, mit welchen konkreten Wertgegenstände Ansprüche einzelner Erben zu befriedigen sind. Diese Fragen entscheiden sich im Rahmen der Erbteilung.
Mit absoluten Beträgen zu rechnen ist auch deshalb schwierig, weil sich der Wert vieler Dinge mit der Zeit ändert. Während Gebrauchsgegenstände oder immaterielle Rechte gegen Ende ihrer Nutzungsdauer eher an Wert verlieren, können bspw. Immobilien oder Sammlerstücke bedeutende Zuwächse erzielen.
Welche Werte sind massgeblich?
Doch welcher Wert ist überhaupt wofür massgeblich? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Vermögensgegenstände zu ihrem Verkehrswert (auch: Marktwert) berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich um den Wert, den ein unabhängiger Dritter im Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände am Stichtag (Todestag) dafür zu bezahlen bereit wäre. Dieser ist im zivilrechtlichen Verkehr, so auch für die Erbteilung, entscheidend. Doch nicht immer nehmen auch die Steuerbehörden bei der Berechnung der geschuldeten Erbschaftssteuer auf diesen Wert Bezug. Gewisse Vermögenswerte bekommen von ihnen bei der Inventarisation einen eigenen Steuerwert zugeschrieben.
Manche Werte können verlässlich beziffert werden…
Simpel ist die Bewertung bei börsenkotierten Wertpapieren, Devisen, Edelmetallen oder Rohstoffen. Hier wird für die Erbteilung und Besteuerung der letztverfügbare Kurswert vor dem Stichtag herangezogen (Liste der ESTV).
Lebensversicherungen, soweit nicht steuerbefreit, werden zum Rückkaufswert gemäss den jährlichen Angaben des Versicherers inventarisiert.
Für Geschäftsvermögen, also solches, das unmittelbar im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit des Erblassers steht, gilt in der Schweiz das Massgeblichkeitsprinzip. Dieses besagt, dass die Geschäftsabschlüsse – ggf. mit Korrekturen – neben der Rechenschaftsablage gemäss Obligationenrecht auch für die steuerliche Bewertung massgeblich sind. Grundlage der Bewertung von Unternehmensbeteiligungen oder gewerblich genutzten Vermögensgegenständen ist also, mit welchem Buchwert sie in den letztverfügbaren Abschlüssen des Einzelunternehmers bzw. der Gesellschaft angeführt sind. Gedenken die Erben, das Gewerbe des Verstorbenen fortzuführen, so kann die Unternehmensnachfolge deutlich vergünstigt oder sogar steuerfrei vollzogen werden. Bei Aufgabe und Liquidation sind allerdings zusätzliche Steuern auf das Einkommen und dem Liquidationsgewinn fällig.
… andere bedürfen einer Schätzung
Für nicht kotierte Wertpapiere ist der Verkehrswert grundsätzlich durch den Sitzkanton der Gesellschaft nach der „Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer“ vom letztverfügbaren inneren Wert zu schätzen (Kreisschreiben Nr. 28 vom 28. August 2008, mit Ergänzung vom 25./26. März 2009).
Auch Liegenschaften werden ausgehend vom Substanzwert bzw. Realwert unter Berücksichtigung des Ertragswertes durch die kantonalen Steuerämter geschätzt. Es wird dabei häufig ein Wert zwischen 60 und 80 Prozent des effektiven Verkehrswertes angenommen. Ausnahme bilden bäuerliche Grundstücke, bei welchen der Ertragswert einzusetzen ist. Je nach Kanton sind unterschiedliche zusammenhängende Schulden und/oder Freibeträge vom Grundstückswert abzugsfähig. Folglich kann der Steuerwert deutlich unter dem objektiven Verkehrswert als Resultat anderer Schätzverfahren zu liegen kommen.
Für Kunstwerke, Antiquitäten, Sammlungen etc. kann, sofern bekannt, der sogenannte Versicherungswert herangezogen und mit Abschlägen versehen werden. Diesen müsste der Eigentümer auslegen, um die versicherten Gegenstände bei Verlust neu zu beschaffen.
Beschränkte dingliche Rechte an Erbschaftssachen, wie z.B. Nutzniessungs– oder Wohnrechte, werden bei der Besteuerung ebenfalls berücksichtigt. Diese sind in Abhängigkeit von den konkreten Gegebenheiten mit einem Kapitalisierungsfaktor und -zinssatz zu versehen, der ihren Wert gegenüber dem des vollen Eigentumsrechts mindert. Die Formeln dafür können sogenannten Barwerttafeln entnommen werden.
Hausrat und private Gebrauchsgegenstände werden in vielen Kantonen zumindest bis zu einem gewissen Betrag nicht besteuert. Falls sie doch steuerlich relevant sind (bspw. Privatfahrzeuge), können vielfach Abschreibungen in Abhängigkeit von Kaufpreis, Alter und Nutzungsdauer vorgenommen werden. Diese sind eigenen Tabellen zu entnehmen.
Dass bei einer Schätzung nie ein vollkommen akkurater Wert angegeben werden kann, liegt in der Natur der Sache. Meist wird daher im Rahmen eines Gutachtens eine Bandbreite zwischen Mindestwert und Höchstwert angegeben. Daraus wird ein Wert gewählt, zu dem am Markt mit angemessener Sicherheit ein Käufer gefunden werden könnte, um nicht rein fiktives Vermögen zu besteuern.
Der Wert Ihres Vermögens schwankt tagtäglich. Für die Bewertung des Nachlasses ist, soweit ermittelbar, der Vermögensstand am Todestag massgeblich. Der Verkehrswert ist für die Erbteilung und neben dem Steuerwert oft auch für die Steuerveranlagung relevant, kann aber für gewisse Vermögenskategorien nur angenähert werden. Er ermittelt sich für Börsengüter nach dem Kurswert, für Versicherungspolicen nach dem Rückkaufswert und für Geschäftsvermögen nach dem Buchwert, der jeweils zuletzt verfügbar war. Bei nicht kotierten Wertpapieren, Grundstücken, Sammlungen oder beschränkten dinglichen Rechten ist eine Schätzung nötig, die den objektiven Wert der Gegenstände annähern soll. Davon können u.U. gewisse Steuervorteile zum Abzug gebracht werden.