Wenn eine Person stirbt, sind ihre Nachkommen die nächsten Erben, ganz unabhängig von deren Alter. Unter dem Vorbehalt anderer erbrechtlicher Anordnungen erben alle Nachkommen zu gleichen Teilen und treten an die Stelle des vorverstorbenen Erblassers. Je nach Konstellation ist es möglich, dass die Kinder den gesamten Nachlass erhalten oder dass der Nachlass mit dem/der überlebenden Ehegatten/Ehegattin geteilt wird. Auch durch die Begünstigung in Form eines Legats kann ein Anspruch am Nachlass entstehen.
Unabhängig davon, ob das Kind den gesamten Nachlass oder bloss einen Teil davon erbt, stellen sich die gleichen Fragen rund um die Verwaltung dieses plötzlichen Vermögensanfalls: Können minderjährige Kinder überhaupt erben und wenn ja, in welchem Umfang?
Das Wichtigste in Kürze
- Auch minderjährige Kinder können eine Erbschaft erhalten.
- Minderjährige Kinder sind aufgrund ihres Alters nicht handlungsfähig, weshalb sie bis zur Volljährigkeit nicht allein über die Erbschaft verfügen können.
- Je nach Begebenheiten wird das geerbte Vermögen durch die Eltern oder, im Falle eines Interessenskonflikts, eine Beistandsperson verwaltet.
- Urteilsfähige Kinder sollten ihrer Reife und ihrem Alter entsprechend in die Vermögensverwaltung miteinbezogen werden.
In der Schweiz können auch minderjährige Kinder erben. Minderjährige sind jedoch nicht handlungsfähig und können daher nicht am Rechtsverkehr teilnehmen bzw. Rechtsgeschäfte tätigen. Sie sind demzufolge nicht imstande, über das geerbte Vermögen (das sog. Kindesvermögen) zu verfügen. Das Erbe wird daher nicht direkt dem Kind überlassen, sondern es wird von einer gesetzlichen Vertretung (in der Regel den Eltern) oder Beistandsperson bis zu dessen Volljährigkeit verwaltet.
Nach welchen Grundsätzen ist das Kindesvermögen zu verwalten?
Die gesetzliche Vertretung oder Beistandsperson ist dabei verpflichtet, das Kindesvermögen zu schützen und nach den Interessen des Kindes zu handeln. Insbesondere die Erhaltung der Vermögenssubstanz ist von grosser Relevanz. Beispielsweise darf das Vermögen selbst nicht für eigennützige Zwecke vom Vertreter angezehrt werden.
Das Vermögen darf nur verbraucht werden, wenn dies für die Bestreitung der Unterhaltskosten, der Erziehung oder der Ausbildung notwendig ist und der/die Unterhaltsschuldner:in (i.d.R. die Eltern) den Unterhalt selbst nicht bezahlen kann. Ein solches Vorgehen muss vorangehend von der KESB bewilligt werden.
Hingegen dürfen die Erträge des Vermögens für Unterhalt, Erziehung, Ausbildung, sowie rechtmässige Ausgaben für den Haushalt gebraucht werden. Denkbar ist bspw., dass die Eltern dem Kind mit dem geerbten Vermögen den Besuch einer Privatschule, Nachhilfestunden oder etwa Musikunterricht finanzieren.
Mit Eintritt der Volljährigkeit, d.h. mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs, erlangt das Kind das Recht, selbst über das Kindesvermögen bzw. das Erbe zu entscheiden und jenes zu verwalten.
Wer verwaltet das Kindesvermögen bis zur Volljährigkeit?
Vertretung durch die Eltern
Grundsätzlich handeln für Kinder die gesetzlichen Vertreter bzw. die Eltern. Ihnen steht aufgrund der elterlichen Sorge von Gesetzes wegen die Vertretung der finanziellen Interessen und damit die Verwaltung des Kindesvermögens zu. Sollte der Nachlass überschuldet sein, so müssen die gesetzlichen Vertreter im Sinne der Kindesinteressen das Erbe für das Kind ausschlagen.
Wenn das Kind die einzige erbberechtigte Person ist, stellt sich die Problematik eines potenziellen Interessenkonfliktes nicht. In diesem Fall ist kein Beistand notwendig. Ein Beispiel hierfür ist, wenn Ehegatten sich vor mehreren Jahren haben scheiden lassen und ein Elternteil verstirbt. Da der überlebende Elternteil keinen Erbanspruch (mehr) hat, ist das Kind die einzige erbberechtigte Person. Der überlebende Elternteil übernimmt die Verwaltung des Kindesvermögens selbstständig.
Interessenkonflikt
Im Falle eines vor dem Todesfall verheirateten Paares liegt ein Interessenkonflikt vor, da der überlebende Elternteil und das Kind beide gemeinsam an der Erbschaft beteiligt sind. Die gleiche Sachlage liegt vor, wenn das Kind und der überlebende Elternteil letztwillig begünstigt bzw. durch Testament oder Erbvertrag als Erben eingesetzt worden sind.
In solchen Konstellationen entfallen die elterlichen Befugnisse von Gesetzes wegen und der Einbezug der KESB ist vonnöten. Der überlebende Elternteil muss bei der KESB ein Inventar über das Kindesvermögen einreichen und für die Erbteilung wird eine Beistandschaft errichtet. Wenn einfache Verhältnisse vorliegen, kann die KESB punktuelle Angelegenheiten auch selbst regeln.
Im Falle, dass die ordnungsgemässe Verwaltung des Kindesvermögens auch nach der Erbteilung nicht gewährleistet werden kann, muss die KESB geeignete Massnahmen anordnen. Zu denken ist namentlich an eine Pflicht zur regelmässigen Berichterstattung an die KESB, eine Vermögenssperre oder als schärfste Massnahme, die gänzliche Übertragung der treuhänderischen Vermögensverwaltung auf eine Drittperson.
Bestellung eines Beistands
Die Bestellung eines Beistands ist, wie bereits erwähnt, notwendig, sobald sich ein Interessenkonflikt abzeichnet und der Schutz des Kindesvermögens nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Den Eltern steht die Möglichkeit offen, selbstständig vorzusorgen, indem sie vorgängig einen Beistand für das Kind bestimmen. Dieser Vorschlag ist für die KESB zwar nicht bindend, jedoch werden die Elternwünsche, wenn möglich, berücksichtigt.
Sofern der Nachlass überschuldet ist, muss der Beistand die Erbschaft in Vertretung des minderjährigen Kindes ausschlagen. Eine Ausschlagung der Erbschaft bedarf zwingend der Zustimmung der KESB. Die Überschuldung muss dann durch die eingereichten Unterlagen nachgewiesen und dokumentiert werden.
Verwaltung durch das Kind selbst
Urteilsfähige Kinder sind im Rahmen der Erziehung in die Vermögensverwaltung und Entscheidfindung einzubeziehen, insbesondere wenn es um Entscheide grösserer Tragweite geht. Das Alter und die Reife des Kindes sind dabei entsprechend zu berücksichtigen.
Vom Kindesvermögen abzugrenzen ist das sogenannte «freie Kindesvermögen». Hierbei handelt es sich um selbst erarbeitetes Geld, das unter der eigenständigen Verwaltung des Kindes steht – vorausgesetzt, das Kind ist urteilsfähig. Das freie Kindesvermögen hat mit der dem Kind zustehenden Erbschaft grundsätzlich nichts zu tun.