Juristische Grundlagen
Die Schweiz kennt – im Gegensatz zu einigen anderen Ländern – auf Bundesebene keine Erbschaftssteuer. In den meisten Kantonen (ausgenommen sind der Kanton Schwyz und Obwalden) gibt es eine Erbschaftssteuer, deren Höhe massgeblich vom Verwandtschaftsgrad abhängt. Hier finden Sie einen Überblick über die Kantone.
Erbschaften als «unverdientes Vermögen»
Erbschaften werden oft als unverdientes Vermögen betrachtet, da sie den Empfängern zufallen, ohne dass diese aktiv dafür gearbeitet haben. In der Schweiz können erhebliche Vermögenswerte über Generationen hinweg weitergegeben werden, was zu einer Konzentration von Reichtum in bestimmten Familien führt. Diese Dynamik verstärkt soziale Ungleichheit, da wohlhabende Familien ihren Kindern finanzielle Vorteile bieten können, die anderen verwehrt bleiben.
Soziale Ungleichheit zeigt sich in verschiedenen Bereichen: Zugang zu hochwertiger Bildung und zu spezifischen Personenkreisen, Chancen auf dem Arbeitsmarkt und der Fähigkeit, überhaupt Vermögen zu akkumulieren. Dies kann zu einer Verfestigung sozialer Schichten führen, in denen die wirtschaftlichen Aussichten stark von der familiären Herkunft abhängen.
Massnahmen gegen die Verstärkung sozialer Ungleichheit
Viele argumentieren, dass insbesondere eine progressive Besteuerung von Erbschaften ein Mittel sein könnte, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und Chancengleichheit zu fördern. Dadurch würden sehr grosse Erbschaften stärker besteuert, während kleinere Erbschaften wenig an Substrat verlieren würden, was auf längere Dauer einen Umverteilungseffekt zur Folge hätte. Die Einnahmen aus einer Erbschaftssteuer könnten gezielt für Bildungsprojekte, soziale Programme und Infrastrukturen, Altersvorsorge oder sonstige Bereiche eingesetzt werden. Dadurch würden die Mittel zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit verwendet.
Denkbar wären auch gezielte Anreizsysteme, die Erblasser:innen dazu motiviert, Teile ihres Vermögens in gemeinnützige Stiftungen oder Projekte zu investieren. Solche Regelungen würden den gesellschaftlichen Nutzen von Erbschaften erhöhen.
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Argumente für eine Erbschaftssteuer
- Gerechtigkeit: Eine Erbschaftssteuer trägt zur Verwirklichung von Verteilungsgerechtigkeit bei. Da Erbschaften oft auf bereits bestehendem Wohlstand beruhen, könnte eine Besteuerung dazu beitragen, diesen Wohlstand gleichmässiger zu verteilen.
- Staatsfinanzen: Die Einnahmen aus einer Erbschaftssteuer könnten den Staatshaushalt entlasten und für wichtige Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur verwendet werden.
- Chancengleichheit: Durch die Umverteilung von Vermögen wird es möglich, soziale Mobilität zu fördern und die Abhängigkeit des individuellen Wohlstands von der familiären Herkunft zu reduzieren.
- Verhinderung von Vermögenskonzentration: Die Besteuerung von Erbschaften kann dazu beitragen, die zunehmende Konzentration von Reichtum in den Händen weniger Familien zu verhindern.
Argumente gegen eine Erbschaftssteuer
- Doppelte Besteuerung: Gegner argumentieren, dass eine Erbschaftssteuer unfaire Doppelbesteuerung darstellt, da das Vermögen bereits während des Lebens des Erblassers besteuert wurde.
- Gefahr von Kapitalflucht: In einem international vernetzten Wirtschaftssystem könnten hohe Erbschaftssteuern dazu führen, dass wohlhabende Personen ihr Vermögen ins Ausland verlagern, was zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Schweiz führt. Sie argumentieren, dass die bereits bestehenden kantonalen Erbschaftssteuern viel Geld einbringen und mit einer Bundessteuer insgesamt weniger Geld zusammenkäme. Würden sich vermögende Personen ins Ausland absetzten, so schmälere dies auch die Einnahmen aus den Einkommenssteuern.
- Einschränkung von Familienunternehmen: Besonders in der Schweiz, wo viele mittelständische Unternehmen in Familienbesitz sind, könnte eine Erbschaftssteuer die Fortführung solcher Betriebe erschweren oder sogar gefährden. Die im Rahmen der Ausgestaltung einer Erbschaftssteuern diskutierten Rabatte und Ausnahmen für Familienunternehmen bergen Missbrauchspotenzial für sehr wohlhabende Familien.
- Finanzautonomie: Die Umsetzung einer eidgenössischen Erbschaftssteuer schmälert die kantonale Finanzautonomie, was den föderalistischen Prinzipien der Schweiz widerspricht.
Alles eine Frage der Umsetzung?
Entscheidend für die Akzeptanz einer eidgenössischen Erbschaftssteuer wäre letzten endlich wohl die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung einer Gesetzesreform in der Praxis. Einerseits beeinflusst die Ausgestaltung der Steuer (z.B. der Steuersatz, lineare vs. progressive Besteuerung, Freibeträge, Ausnahmen usw.) die Akzeptanz massgebend, andererseits ist auch die Zweckbindung der Steuermittel ein wesentlicher Punkt.
Fazit
Die Einführung einer Erbschaftssteuer bleibt ein komplexes und emotionales Thema. Während sie das Potenzial hat, soziale Ungleichheit zu reduzieren und Chancengleichheit zu fördern, birgt sie auch Risiken wie Kapitalflucht und eine potenzielle Schwächung der Wirtschaft. Die Debatte über eine Erbschaftssteuer sollte daher nicht nur soziale und ethische, sondern auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Ein ausgewogener Ansatz, der die gesellschaftlichen Bedürfnisse mit wirtschaftlichen Realitäten in Einklang bringt, ist entscheidend.