Das Wichtigste in Kürze
- Die Erbschaftsklage dient der Herausgabe von Nachlassgegenständen, die sich im Besitz von Nichterben befinden.
- Mit der Erbteilungsklage haben die Erben die Möglichkeit, die Erbteilung gerichtlich durchzusetzen.
- Die Verjährungsfrist beträgt für die Erbschaftsklage in der Regel zwischen einem Jahr und zehn Jahren.
- Mit der Vermächtnisklage kann ein Vermächtnisnehmer bzw. eine Vermächtnisnehmerin die Herausgabe des Vermächtnisses gerichtlich verlangen.
- Die Vermächtnisklage verjährt mit Ablauf von zehn Jahren.
- All diesen Klagen geht ein Schlichtungsverfahren voraus.
Mit dem Tod des Erblassers bzw. der Erblasserin stehen die Erben vor der Herausforderung, den Nachlass zu verwalten und zu verteilen. Nicht immer gestaltet sich diese Aufgabe als ganz so einfach. In manchen Fällen ist sogar ein Gerichtsverfahren unvermeidbar. Dabei sind für verschiedene Anliegen unterschiedliche Klagen vorgesehen.
Erbschaftsklage
Wer kann gegen wen klagen?
Die Erbschaftsklage kommt zur Anwendung, wenn jemand etwas vom Nachlass des Verstorbenen besitzt, aber nicht erbberechtigt ist. Dies kann beispielsweise vorkommen, wenn die Erblasserin zu Lebzeiten etwas ausgeliehen hat. Gibt diese Person den Nachlasswert nicht an den Erben (bei nur einem einzigen Erben) respektive die Erbengemeinschaft (bei mehreren Erben) heraus, kann eine Erbschaftsklage notwendig sein. Die Beklagte ist verpflichtet, die in ihrem Besitz befindlichen Nachlassgegenstände herauszugeben, wenn das Gericht der Klage stattgibt. Eine Erbschaftsklage richtet sich somit gegen einen Nicht-Erben bzw. eine Nicht-Erbin. Anders ausgedrückt, kann sich eine Erbschaftsklage nicht gegen einen Miterben richten. In diesem Fall steht den Erben aber die Erbteilungsklage offen.
Wenn mehrere Erben vorhanden sind, ist die Erbengemeinschaft als Ganzes klageberechtigt und nicht der einzelne Erbe. Wenn die Erbschaft bereits geteilt ist, besteht keine Erbengemeinschaft mehr. In diesem Fall kann eine Erbin keine Erbschaftsklage mehr erheben. Es stehen ihr aber andere Klagemöglichkeiten zur Verfügung. Wenn ein Willensvollstrecker oder eine amtliche Erbschaftsverwalterin eingesetzt wurde, ist in der Regel auch dieser/diese klagebefugt.
Wo und bis wann muss ich die Klage einreichen?
Bevor sich ein Gericht der Klage annimmt, ist zuerst ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Das Ziel des Schlichtungsverfahrens ist es, aussergerichtlich eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn sich die Parteien nicht einigen können, stellt die Schlichtungsbehörde dem Antragsteller eine Klagebewilligung aus. Diese Bewilligung ermöglicht es dem Antragsteller, die Erbschaftsklage beim zuständigen Gericht einzureichen. Zuständig ist das Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Die Tatsache, dass sich der Gegenstand allenfalls an einem anderen Ort befindet, ändert daran nichts.
Die Möglichkeit, eine Erbschaftsklage zu erheben, ist zeitlich begrenzt. Sie kann erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist und nach Errichtung des öffentlichen Inventars erhoben werden. Zudem ist die Erbschaftsklage an eine Verjährungsfrist gebunden. Diese beträgt ein Jahr. Die Frist beginnt zu laufen, sobald die Klägerin vom Tod des Erblassers, von ihrer eigenen Erbberechtigung und vom Besitz des Beklagten an einem zum Nachlass gehörenden Wert Kenntnis erlangt hat. In jedem Fall verjährt die Erbschaftsklage aber innerhalb von zehn Jahren. Die zehn Jahre beginnen bei einem Testament mit dessen Eröffnung und bei einem Erbvertrag mit dem Tod des Erblassers zu laufen. Bei Bösgläubigkeit des Beklagten gilt eine längere Frist von 30 Jahren. Der Beklagte kann sich bei der Erbschaftsklage nicht auf die Ersitzung berufen. Ersitzung bedeutet so viel wie das Erlangen von Eigentum durch langjährigen Besitz.
Beispiel
Der unverheiratete Peter starb am 1. Januar 2023 in seinem Zuhause in Zürich. Er hinterlässt zwei Kinder, Annina und Marco. Annina und Marco bemerken am 1. Mai 2023, dass ihr Vater seinem Arbeitskollegen Thomas vor vielen Jahren eine Uhr und verschiedene Bilder ausgeliehen hat. Daraufhin nehmen Annina und Marco Kontakt mit Thomas auf. Sie bitten ihn, die Uhr und die Bilder herauszugeben. Thomas behauptet, er habe die Gegenstände inzwischen ersessen, weshalb sie nun ihm gehören. Auch auf erneutes Nachhaken möchte Thomas die Gegenstände nicht herausgeben. Annina und Marco bleibt nach mehrmaligem Nachfragen und einem Schlichtungsverfahren nichts anderes übrig, als eine Erbschaftsklage zu erheben. Die Geschwister reichten das Schlichtungsgesuch am 15. Dezember 2023 ein. Die Verjährungsfrist ist also noch nicht abgelaufen. Annina und Marco können vor Gericht beweisen, dass die Uhr und die Bilder zur Erbschaft gehören. Das Gericht hält sodann fest, dass sich Thomas nicht auf die Ersitzung berufen kann. Thomas wird durch das Urteil verpflichtet, die Gegenstände herauszugeben.
Wie unterscheidet sich die Erbschaftsklage von der Erbteilungsklage?
Die Erbteilungsklage und die Erbschaftsklage sind zwei verschiedene Klagen. Die Erbteilungsklage gibt den Erben die Möglichkeit, die Erbteilung gerichtlich durchzusetzen. Dies kann notwendig sein, wenn sich die Erben einer Erbengemeinschaft nicht auf eine einvernehmliche Teilung einigen können. Hingegen richtet sich die Erbschaftsklage, wie bereits erwähnt, gegen einen Nicht-Erben auf Herausgabe von Nachlassgegenständen. Die Erbschaftsklage dient somit auch einem anderen Zweck als die Erbteilungsklage.
Vermächtnisklage
Wer kann gegen wen klagen?
Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei der Vermächtnisklage um eine Klage im Zusammenhang mit Vermächtnisnehmenden. Der Vermächtnisnehmer kann mit der Vermächtnisklage die Herausgabe des Vermächtnisses gerichtlich verlangen. Natürlich sollte auch hier zunächst versucht werden, dies ohne gerichtliche Hilfe zu erreichen. Verweigern jedoch die Erben die Herausgabe des Vermächtnisses, so kann die Vermächtnisnehmerin die Herausgabe gerichtlich erzwingen.
Wenn es sich beim Vermächtnis um eine Sache handelt, kann die Vermächtnisnehmerin die Herausgabe grundsätzlich von der Erbengemeinschaft verlangen. Handelt es sich dagegen um einen Geldbetrag, kann der Vermächtnisnehmer diesen von jedem Erben verlangen. Hat der Erblasser die Herausgabe der Sache oder die Zahlung des Geldbetrages durch einen bestimmten Erben angeordnet, so hat der Vermächtnisnehmer die Klage gegen diesen Erben zu richten.
Wo und bis wann muss ich die Klage einreichen?
Wie bei der Erbschaftsklage ist zuvor ein Schlichtungsverfahren erforderlich. Gerichtsstand ist grundsätzlich dort, wo die Erblasserin ihren letzten Wohnsitz hatte. Dieser Gerichtsstand ist jedoch nicht zwingend, sodass auch ein anderer Gerichtsstand vereinbart werden kann. Die Klage verjährt nach zehn Jahren. In den meisten Fällen beginnt die Frist mit der amtlichen Mitteilung des Vermächtnisses zu laufen.
Beispiel
Irene ist alleinerziehende Mutter von Pascal. Sie stirbt am 1. Juni 2022 in Bern, wo sie zuletzt gewohnt hat. Irene und ihre beste Freundin Frida lieben schöne und teure Taschen. Aus diesem Grund hat Irene ihre Taschensammlung Frida vermacht. Zudem hat sie verfügt, dass verschiedene Hilfswerke einen bestimmten Geldbetrag als Vermächtnis erhalten sollen. Frida informiert Pascal nach einiger Zeit, dass seine Mutter ihr die Taschen vermacht habe und sie diese nun gerne hätte. Pascal reagierte auf mehrmaliges Nachfragen nicht. Nach zwei Jahren hat Irene genug, da Pascal die Taschen noch immer nicht herausrücken will. Irene reicht am 15. September 2024 ein Schlichtungsgesuch ein. Da auch das Schlichtungsverfahren zu nichts führte, blieb ihr nichts anderes übrig, als am Regionalgericht Bern-Mittelland zu klagen.
Erbstreitigkeiten werfen viele rechtliche Fragen auf. Gerade wenn die Erben untereinander keine gemeinsame Lösung finden, kann eine anwaltliche Beratung sinnvoll sein.