Ursachen von Erbstreitigkeiten frühzeitig erkennen
Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Nachlassplanung liegt darin, herauszufinden, wo mögliche Streitpunkte liegen. Diese können je nach Vermögenssituation und Familienverhältnissen sehr verschieden ausfallen. Gemeinsam ist ihnen in der Regel, dass sich einzelne Personen übergangen oder ungerecht behandelt fühlen. Diese Wahrnehmung kann bloss subjektiver Natur sein, sie kann sich aber auch auf gute sachliche Gründe stützen. Im letzteren Fall haben die unzufriedenen Erbinnen und Erben gute Chancen, eine letztwillige Verfügung oder sonstige Dispositionen des Erblassers anzufechten. Sie können sich dabei auf ganz unterschiedliche Verletzungen ihrer Rechte berufen.
Grundlegend für den Vollzug eines letzten Willens ist, dass die letztwillige Verfügung der Behörde ausgehändigt wird, die für den Erbgang zuständig ist. Nur so kann diese ihn den Erben und Bedachten eröffnen. Deshalb ist es wichtig, als Erblasser sicherzustellen, dass Testamente und Erbverträge gut auffindbar sind. Dazu empfiehlt sich bspw. die Hinterlegung bei einem Notar oder einer Behörde sowie die Registrierung des Verwahrungsorts im Zentralen Testamentenregister. Zudem sind alle Personen, die im Erbfall eine letztwillige Verfügung auffinden, verpflichtet, diese unverzüglich der Behörde zur Eröffnung zu übergeben. Bei Zuwiderhandeln drohen Erbunwürdigkeit, Schadenersatzpflichten und strafrechtliche Sanktionen.
Weitere Problemfelder sind die Form und der Inhalt einer letztwilligen Verfügung. Ein Erblasser muss sein Testament in aller Regel eigenhändig oder als öffentliche Urkunde errichten. Sind die Formvorschriften nicht erfüllt, können Erben und Bedachte mit einem Aufhebungsinteresse die Verfügung mittels Ungültigkeitsklage anfechten. Der Inhalt kann rechtswidrig sein, wenn z.B. Pflichtteile verletzt oder Pflichtteilserben ohne hinreichende Begründung enterbt werden. In diesen Fällen steht insbesondere die Herabsetzungsklage zur Verfügung, seltener auch die Ungültigkeitsklage oder eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit.
Eine letztwillige Verfügung kann aber auch unklar oder mehrdeutig formuliert sein, sodass der letzte Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei aus ihr hervorgeht. Es ist z.B. denkbar, dass Begünstigte nicht beim richtigen Namen genannt werden oder dass Vermögenswerte, die sie erhalten sollen, gar nicht im Nachlass enthalten sind. Solche Fälle sind besonders schwierig, da der Erblasser sich ja nicht mehr zu seinen Ausführungen äussern kann.
Auch Zuwendungen an einzelne Personen selbst können Anlass für Erbschaftsstreitigkeiten geben. Einerseits kommen Begünstigungen zu Lebzeiten dafür infrage, andererseits auch Inhalte von letztwilligen Verfügungen.
Ein Beispiel:
Wenn ein Erblasser seiner Tochter zu Lebzeiten ein Auto schenkt und ihr im Testament zudem die freie Quote zuwendet, der Sohn aber leer ausgeht, ist das eine Ungleichbehandlung.
Diese kann bei der Erbteilung berücksichtigt werden. Wo der Erblasser dies angeordnet hat, müssen gesetzliche (aber auch eingesetzte) Erben lebzeitige Zuwendungen im Erbgang ausgleichen. Unter Nachkommen wird eine Ausgleichungspflicht vermutet, der Erblasser kann aber davon abweichen.
Selbst wenn er dies tut, bedeutet das aber nicht, dass damit alles «wasserdicht» ist. Bestimmte lebzeitige Zuwendungen werden bei der Berechnung der Pflichtteile zum verfügbaren Nachlass addiert. Sind nach dieser Berechnung Pflichtteile verletzt, können die benachteiligten Erben (hier der Sohn) diese mit der Herabsetzungsklage durchsetzen. Haben sie damit Erfolg, wird der Erbteil der Begünstigten zugunsten der Kläger herabgesetzt.
So bekommt in diesem Beispiel der Sohn mehr Vermögen aus dem Nachlass. Reicht das nicht zur Befriedigung seiner Ansprüche, kann er auch die Rückleistung von lebzeitigen Zuwendungen verlangen. Dies allerdings nur, insoweit seine Schwester als gutgläubige Empfängerin noch bereichert ist.
Erbstreitigkeiten gezielt vorbeugen
Wir sehen, dass sowohl ein Erbfall als auch lebzeitige Handlungen an vielen Stellen Konfliktpotentiale unter den Erben bergen. Wer jedoch für eine solide Nachlassplanung sorgt, kann dem Ausbruch von Erbschaftsstreitigkeiten frühzeitig vorbeugen. Sich darüber Gedanken zu machen, schafft als Beziehungspflege ein besseres Verhältnis zwischen dem Erblasser und den Erben, aber auch zwischen den Erben untereinander.
Ebenso divers wie die Problemfelder sind die im Einzelfall sinnvollen Lösungen. Generell ist es daher ratsam, alle betroffenen Personen in transparente Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Wenn die Meinung von Erben und weiteren Begünstigten angehört und berücksichtigt wird, ist es wesentlich weniger wahrscheinlich, dass diese sich später ungerecht behandelt fühlen.
Insbesondere dort, wo die Verhältnisse unübersichtlich oder Konflikte wahrscheinlich sind, können Fachpersonen darüber beraten, was möglich, zulässig und sinnvoll ist. Die Beratung durch Anwälte, Notare, Treuhänder oder andere Experten hilft dabei, Erklärungen rechtssicher, eindeutig und verständlich zu verfassen. Auch können sich so Möglichkeiten für Kompromisse oder einvernehmliche Lösungen ergeben. Zudem kann eine Fachperson als Willensvollstrecker damit beauftragt werden, den Erblasserwillen unparteiisch und objektiv umzusetzen.
Einvernehmliche Lösungen, wie z.B. ein entgeltlicher Erbverzicht, können in einem Erbvertrag für alle beteiligten Parteien verbindlich festgehalten werden. Anders als beim Testament ist die Abänderung des Erbvertrags nur unter strengen Voraussetzungen oder mit dem Willen aller Beteiligten möglich. Der Erbvertrag ist daher ein zentrales Element der langfristig wirksamen und nachhaltigen Nachlassplanung.
Erbstreitigkeiten konstruktiv auflösen
Nicht immer lässt sich durch Vorbeugung verhindern, dass es zu Streitigkeiten im Erbgang kommt. Deshalb ist es wichtig, dass die Erben auch im Streitfall möglichst professionell, konstruktiv und lösungsorientiert zusammenarbeiten. Können sie sich nicht einigen, kennt das Erbrecht Verfahren wie die Bildung und Ziehung von Losen durch die zuständige Behörde, um eine gerechte Erbteilung herbeizuführen. Auch Schlichtung oder Mediation durch unabhängige Dritte können auf die Konfliktlösung hinwirken.
Unter den Erben gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Zudem müssen sie einander alles mitteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft von Bedeutung ist. Dieser Informationsanspruch kann mit der Auskunftsklage durchgesetzt werden. Zu beachten ist auch, dass die Erben, wenn sie untereinander einig sind, auch von expliziten Anordnungen des Erblassers abweichen können. Gemeinsam ist also fast alles möglich, gegeneinander nur wenig.
Die Gründe dafür, warum Erbstreitigkeiten kostspielig sind, können ebenfalls ganz verschieden sein. Einerseits dürfen die Erben, solange der Nachlass nicht geteilt ist, über diesen nur einstimmig verfügen. Damit sind u.U. Vermögensposten oder die Fortführung eines Gewerbes über längere Zeit blockiert, sodass Wertverluste drohen. Andererseits sind auch erbrechtliche Klagen teuer: Anwaltshonorare, Prozesskostenvorschüsse und Parteientschädigungen zehren bald das Vermögen des Nachlasses oder der Erben an. Eine schnelle und günstige Erbteilung liegt daher im Interesse aller Beteiligten.
Wie gehe ich vor, um Erbschaftsstreitigkeiten vorzubeugen oder diese aufzulösen?
- Ursachen von Erbstreitigkeiten identifizieren
- Zu Lebzeiten klare und verbindliche Anordnungen treffen
- Anordnungen in einer Verfügung von Todes wegen festhalten
- Erbinnen, Erben und weitere Begünstigte in Entscheidungen einbeziehen
- In komplexen Fällen: fachlichen Rat einholen
- Erbstreitigkeiten unter Nutzung der gesetzlichen Instrumente und weiterer Streitbeilegungsverfahren auflösen