Das Wichtigste in Kürze
- Durch die Gesetzesrevision «Ehe für alle» können gleichgeschlechtliche Paare seit Juli 2022 heiraten. Die Ehe war bisher als zivilstandsmässige Verbindung von Mann und Frau gedacht. Für gleichgeschlechtliche Paare bestand bis anhin die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft. Nun erfolgte die vollständige Gleichstellung von gemischt- und gleichgeschlechtlichen Paaren.
- Die eingetragene Partnerschaft wird mit der «Ehe für alle» an Bedeutung verlieren, zumal seit Inkrafttreten der Revision keine neuen eingetragenen Partnerschaften mehr begründet werden können. Eine eingetragene Partnerschaft kann auf Antrag der Heiratswilligen durch das Zivilstandsamt in eine Ehe umgewandelt werden.
- Im Übrigen brachte die Revision nur kleine, kosmetische Änderungen mit sich. Für bestehende Ehen und die Ehe zwischen Mann und Frau im Allgemeinen änderte sich kaum etwas. So beschränkte sich die Gesetzesrevision «Ehe für alle» auf das Gleichstellungsanliegen. Weitere Neuerungen im Eherecht sind zwar in Planung, hängen aber inhaltlich nicht mit der «Ehe für alle» zusammen.
Was ist neu im Familienrecht?
An der Volksabstimmung vom 26. September 2021 wurde die «Ehe für alle» angenommen. Ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer hat also die vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und damit die grösste Revision des Eherechts in der jüngeren Vergangenheit gutgeheissen. Die zentrale Bestimmung über die Eheschliessung lautet seit 1. Juli 2022 wie folgt:
Die Ehe kann von zwei Personen eingegangen werden, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und urteilsfähig sind.
ART. 94 ZGB EHEFÄHIGKEIT
Während das alte Recht auf die «Brautleute», also Braut und Bräutigam, Bezug nahm, ist die neue Bestimmung ausdrücklich geschlechtsneutral («zwei Personen»). Unverändert bleiben die übrigen Anforderungen, nämlich Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit beider Heiratswilliger im Zeitpunkt der Eheschliessung. Daneben wurden diverse Bestimmungen des Eherechts dahingehend angepasst, dass sie ebenfalls geschlechtsneutral formuliert sind.
Hauptfolge dieser Revision ist, dass neu auch gleichgeschlechtliche Paare sich verloben und eine Ehe eingehen können. Zuvor konnten gleichgeschlechtliche Paare nur den Zivilstand der eingetragenen Partnerschaft wählen. Eine gleichgeschlechtliche Ehe ist nun möglich und derjenigen zwischen Mann und Frau in jeder Hinsicht gleichgestellt. Dies zieht zahlreiche familien- und vermögensrechtliche Folgen nach sich. Gleichgeschlechtliche Ehepaare können neu etwa gemeinsam Kinder adoptieren oder die Güterstände des Eherechts wählen. Sie unterstehen aber auch in weiteren Belangen den Bestimmungen des «allgemeinen» Ehe- und Familienrechts.
Was passiert jetzt mit der eingetragenen Partnerschaft?
Die eingetragene Partnerschaft ist der Ehe ähnlich, ihr aber nicht vollständig gleichgestellt. Sie ist Ausdruck der bis vor einiger Zeit wohl vorherrschenden Auffassung, die Ehe sei Mann und Frau zum Zweck der Familiengründung vorbehalten. Zugleich spiegelte sie die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen als besondere Form des Zusammenlebens von zwei einander nahestehenden Personen wider. Eingetragene Partner sind also rechtlich enger miteinander verbunden als Personen, die ohne entsprechenden Zivilstand zusammenleben (sog. Konkubinatspartner).
Neben symbolischen gibt es auch rechtliche Unterschiede zwischen der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe. Diese bestehen etwa bei der Einbürgerung, im Bereich der Fortpflanzungsmedizin und bei der Adoption von Kindern. Hier existierten bislang verschiedene Restriktionen für gleichgeschlechtliche Paare; diese fallen mit der gleichgeschlechtlichen Ehe weg (siehe unten).
Ändert sich etwas für die Ehe zwischen Mann und Frau? Mit der Öffnung der Ehe für alle Paare können keine neuen eingetragenen Partnerschaften mehr geschlossen werden. Paare, die bereits in einer eingetragenen Partnerschaft leben, können diese weiterführen oder durch eine gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt in eine Ehe umwandeln. Ab dem Zeitpunkt der Umwandlung gelangen die eherechtlichen Regelungen zur Anwendung; eine Rückwirkung gibt es nicht. Das bedeutet, dass die eherechtlichen Bestimmungen erst ab dem Zeitpunkt zur Anwendung gelangen, in dem die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umgewandelt wurde. Bestimmungen, welche sich auf die Dauer der Ehe beziehen (beispielsweise in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt, den Vorsorgeausgleich oder die Einbürgerung) knüpfen jedoch am Zeitpunkt der Eintragung der Partnerschaft an. Für die Berechnung der Dauer einer Ehe wird nach der Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft somit die vorangehende Dauer der eingetragenen Partnerschaft angerechnet.
Ändert sich etwas für die Ehe zwischen Mann und Frau?
Grundsätzlich änderte sich für Ehen zwischen Mann und Frau mit der Revision nichts. Dies gilt sowohl für vorbestehende Ehen, als auch für solche, die nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen geschlossen werden. In den Worten des Bundesrats: «[Mit der Revision] soll die heutige Ungleichbehandlung beseitigt werden. Alle Paare sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben, wenn sie heiraten. Die Vorlage trägt einem Bedürfnis vieler Menschen Rechnung. Für die Ehe zwischen Frau und Mann ändert sich nichts».
Was bedeutet die Revision für Familienplanung und Vorsorge?
Änderungen der Rechtslage ergeben sich also in erster Linie für gleichgeschlechtliche Paare. Regelungen, die nicht an das Geschlecht der Eheleute anknüpfen, wurden auch nicht geändert. Die wichtigsten Neuerungen betreffen das Güterrecht und die Bestimmungen über die Adoption. In den Bereichen Fortpflanzungsmedizin, Erbrecht und Erwachsenenschutzrecht ist die Gleichstellung auch ohne nennenswerte Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen möglich.
Ehegüterrecht
Für eingetragene Partnerinnen und Partner gilt nach dem Partnerschaftsgesetz grundsätzlich eine Regelung, die der eherechtlichen Gütertrennung entspricht. Davon kann das Paar abweichen, indem es durch öffentlich beurkundeten Vermögensvertrag festlegt, dass bei der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft die Bestimmungen über die Errungenschaftsbeteiligung Anwendung finden sollen. Einen mit der Gütergemeinschaftvergleichbaren Güterstand gibt es für die eingetragene Partnerschaft nicht.
Dies änderte sich: Für gleichgeschlechtliche Ehepaare gelten dieselben güterrechtlichen Regeln wie für gemischtgeschlechtliche. Der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gilt ab dem Zeitpunkt der Eheschliessung (oder der Umwandlung einer eingetragenen Partnerschaft). Er wird nicht auf den Zeitpunkt, in dem die Partnerschaft eingetragen wurde, zurückbezogen. Dies ist wichtig für die Zuordnung der Vermögenswerte bei einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung. Durch einen Ehevertrag können die Eheleute ihren Güterstand modifizieren oder einen anderen (Gütergemeinschaft oder Gütertrennung) wählen. Ein Ehevertrag kann auch mit einem Erbvertrag kombiniert werden.
Adoption
Für Personen, die selbst keine Kinder bekommen können, ist die Adoption einer der wichtigsten Wege, um eine Familie zu gründen. Auch wenn zwischen einem Elternteil und einem Kind kein biologisches Abstammungsverhältnis besteht, kann ein Kindesverhältnis durch Adoption begründet werden. Wer in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, konnte schon nach dem alten Recht das Kind seines Partners oder seiner Partnerin adoptieren. Mit der Öffnung der Ehe haben neu auch gleichgeschlechtliche Paare Zugang zur gemeinschaftlichen Adoption. Die Möglichkeit, ein Kind gemeinsam zu adoptieren, war zuvor (gemischtgeschlechtlichen) Ehepaaren vorbehalten.
Fortpflanzungsmedizin
Die «Ehe für alle» öffnete hingegen keinen Weg zur Eizellenspende oder Leihmutterschaft. Die Revision sah keine grundlegenden Änderungen beim Zugang zur Fortpflanzungsmedizin vor. Die anonyme Samenspende, die Eizellenspende und die Leihmutterschaft bleiben verboten. So kommen allen Ehepaaren im Bereich der Fortpflanzungsmedizin (weiterhin) gleiche Rechte zu.
Erbrecht, Erwachsenenschutzrecht und Steuerrecht
Im Erbrecht und im Erwachsenenschutzrecht waren Eheleute und eingetragene Partnerinnen und Partner bereits vor der «Ehe für alle» weitgehend gleichgestellt, sodass auf diesen Gebieten keine Gesetzesrevision nötig war. Auch eingetragene Partner galten schon nach dem alten Recht als gesetzliche Erben mit Pflichtteilsschutz und hatten ein gesetzliches Vertretungsrecht im Fall der Urteilsunfähigkeit. Eines änderte sich dennoch im Erbrecht: Die Meistbegünstigung des überlebenden Ehegatten steht nun geschlechtsneutral allen verheirateten Paaren offen. Bislang war der massgebliche Art. 473 ZGB seinem Wortlaut nach auf gemischtgeschlechtliche Ehepaare beschränkt und stand folglich eingetragenen Partnern nicht zur Verfügung. Schliesslich waren eingetragene Partner den Eheleuten auch in Bezug auf kantonale Schenkungs- und Erbschaftssteuern bereits vor Inkrafttreten der «Ehe für alle» gleichgestellt.