Die Ehe, die Scheidung und ihre Folgen im Allgemeinen
Wie bei der Eheschliessung handelt es sich bei der Scheidung um eine rechtliche Handlung von grosser Tragweite. Aus dem Zivilstand einer Person leitet das Schweizerische Zivilgesetzbuch verschiedene Vermutungen ab. Dazu gehören auch zwingende Regelungen, die das Vermögen der Beteiligten betreffen.
Zwischen den Ehegatten besteht ein besonderes güter- und erbrechtliches Verhältnis. Die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe sind im Ehegüterrecht geregelt. Neben dem praktisch bedeutsamen ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung können die Ehegatten in der Form des öffentlich beurkundeten Ehevertrags miteinander die Gütergemeinschaft oder die Gütertrennung vereinbaren.
Sie können die Güterstände zudem innerhalb der gesetzlichen Schranken modifizieren. In bestimmten Fällen kann von Gesetzes wegen oder auf Begehren eines einzelnen Ehegatten der ausserordentliche Güterstand gelten, der dem der Gütertrennung entspricht. Der Ehevertrag kann auch mit einer Verfügung von Todes wegen (einem Erbvertrag oder einer letztwilligen Verfügung) kombiniert werden, in welchen die Ehegatten einander mittels Erbeinsetzung oder Vermächtnis begünstigen.
Da die Ehe auch eine Wirtschaftsgemeinschaft darstellt, sind bei ihrem Ende die Vermögen der Ehegatten voneinander zu entflechten. Die güterrechtliche Auseinandersetzung erfolgt daher grundsätzlich unabhängig davon, aus welchem Grund eine Ehe beendet wird, und geht dem Erbgang immer chronologisch voraus.
Die Scheidung ist die Auflösung der Ehe durch ein gerichtliches Scheidungsurteil. Dieses Urteil entscheidet neben der Hauptfolge, also der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und der Änderung des Zivilstands der Parteien, auch über die Nebenfolgen.
In der güterrechtlichen Auseinandersetzung, die regelmässig im selben Verfahren bzw. Urteil vorgenommen wird, ergeben sich in Abhängigkeit vom gewählten Güterstand Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten. Deshalb kann auch beim Tod von (noch) verheirateten Erblassern erst nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Wert des Nachlasses bestimmt werden.
Zusätzlich kann das Gericht im Bedarfsfall einem Ehegatten einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gegenüber dem anderen zusprechen. Dieser geht mit dem Tod des Schuldners unter, kann also nicht gegen dessen Erben gerichtet werden.
Das Erbrecht während und nach der Scheidung
Eine weitere Nebenfolge der Scheidung ist das Dahinfallen des gesetzlichen Erbrechts der Ehegatten und damit auch deren Pflichtteilsschutz. Falls also nach Abschluss der Scheidung einer der Geschiedenen ohne Testament verstirbt, nimmt der andere nicht mehr an dessen Nachlass teil. Er gehört von Gesetzes wegen nicht mehr als «überlebender Ehegatte» zum Kreis der Erben.
Bisher gilt die Regelung, dass die gesetzliche Erbberechtigung des Ehegatten mit Rechtskraft des Scheidungsurteils erlischt und nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsbegehrens zurückbezogen wird. Die Rechtskraft erwächst ganz am Ende eines oft monate- oder jahrelangen Gerichtsprozesses und ggf. nach Abwarten einer Rechtsmittelfrist. Der Pflichtteil des in Scheidung lebenden Ehegatten kann daher nur aufgrund Enterbung, Erbunwürdigkeit oder Verzicht entzogen werden.
Dies ändert sich per 2023 mit der Erbrechtsrevision. Das neue Recht sieht vor, dass Ehegatten, vorbehaltlich einer abweichenden Anordnung, ihre Pflichtteilsansprüche bereits mit hängigem Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren oder auf Klage nach zweijährigem Getrenntleben verlieren. Die abweichende Anordnung kann der/die Erblasser:in in einem Testament oder Erbvertrag vorsehen.
Speziell geregelt sind die Ansprüche der Ehegatten aus Verfügungen von Todes wegen, die vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens errichtet wurden. Unter dem geltenden Recht wird vermutet, dass ab dem Zeitpunkt, in welchem die Ehegatten offiziell die Scheidung verlangen, kein Grund bzw. kein Wille mehr besteht, den anderen Ehegatten (bzw. auch eingetragenen Partner / eingetragene Partnerin) von Todes wegen zu begünstigen.
Daher werden die zuvor errichteten Verfügungen von Todes wegen (sowohl Testamente als auch Erbverträge) zumindest in den die Ehegatten untereinander betreffenden Punkten aufgehoben bzw. für nichtig befunden. Für nach Einleitung des Scheidungsverfahrens errichtete Verfügungen von Todes wegen wird angenommen, dass diese bereits den Scheidungswillen reflektieren; sie können folglich ihre Wirkungen entfalten.
Mit der bevorstehenden Gesetzesänderung erfolgt der Verlust der Pflichtteile der Ehegatten bereits per Hängigkeitsdatum des Scheidungsverfahrens und nicht erst, wenn die Ehegatten rechtskräftig geschieden sind. Der Zeitpunkt des hängigen Scheidungsverfahren bleibt zudem, wie bereits unter altem Recht, auch für die Gültigkeit von Verfügungen von Todes wegen massgeblich.
Ihre Gestaltungsmöglichkeiten
Neu ins Gesetz aufgenommen werden soll zudem die ausdrückliche Möglichkeit einer abweichenden Anordnung durch den Erblasser. Während vor Einleitung der Scheidung errichtete Verfügungen von Todes wegen vermutungsweise dahinfallen, ist und bleibt es möglich, ein Dahinfallen in einem Testament oder einem Erbvertrag explizit vorzusehen.
Diese erfassen auch trotz und nach einer Scheidung den überlebenden Ex-Ehegatten. Die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung bezüglich des Ehegatten bleibt dann vom Scheidungsurteil unberührt. So ist bei Veränderung der Verhältnisse eine ausdrückliche Aufhebung (durch Widerruf, Vernichtung oder spätere Verfügung) vonnöten.
Bei Testamenten ist diese Abänderung für den Erblasser jederzeit in den Errichtungsformen (eigenhändig, öffentlich beurkundet oder notfalls mündlich) zulässig. So ist ein Widerruf einer früheren Verfügung auch später, während oder nach der Scheidung möglich. Erbverträge können durch schriftliche Übereinkunft zwischen den Parteien jederzeit aufgehoben werden. In besonderen Fällen auch einseitig.
Ebenfalls ist es möglich, Verfügungen von Todes wegen mit Bedingungen oder Auflagen zu versehen. So können Vorkehrungen für bestimmte Ereignisse oder veränderte Umstände getroffen werden. Beispiele dafür sind Testamentsklauseln wie die nachfolgenden:
«Ich verfüge, dass meinem Ehemann der gesetzliche Erbteil auch im Falle der Scheidung zufallen soll; dies gilt aber nicht für den Fall, dass er eine andere Frau heiratet.»
«Ich möchte, dass meine Ehefrau nach der Scheidung noch ihren Pflichtteil erhalten soll.»
«Für den Fall, dass meine Ehefrau vor meinem Ableben die Scheidungsklage einreicht, soll ihr dahinfallender Erbanteil auf meinen Sohn übergehen.»
Das Wichtigste in Kürze
Häufig ist anzunehmen, dass während und nach einer Scheidung die Beteiligten kein Interesse mehr daran haben, einander erbrechtlich zu begünstigen.
Aus diesem Grund sieht das Gesetz vor, dass Verfügungen von Todes wegen (Testamente und Erbverträge), die vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens errichtet worden waren, ihre Gültigkeit mit der Rechtskraft des Urteils verlieren. Die Ehegatten können sich nicht darauf berufen, um im Erbfall Vermögenswerte Ansprüche geltend zu machen.
Diese Regelung ist allerdings nicht zwingend. Erblasserinnen und Erblasser können auch Verfügungen errichten, die von der Scheidung unberührt bleiben, wenn sie dies explizit als letzten Willen vorsehen.
Verfügungen, die nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens datieren, bleiben ebenso vom Urteil unberührt. Verfügungen von Todes wegen sind grundsätzlich jederzeit abänderbar. Durch Anfügen von Bedingungen, kann allenfalls eine noch bessere Umsetzung des Erblasserwillens erfolgen.
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