Schenkung und Erbvorbezug: Macht es Sinn für mich?

Wer jung ist, hat meistens sowohl Zeit als auch Energie, doch fehlt es häufig am Geld. Viele Eltern möchten ihre Kinder deswegen bereits zu Lebzeiten einen grösseren finanziellen oder materiellen Zuschuss zukommen lassen, statt sie erst nach ihrem Tod mit der Erbschaft zu begünstigen. Lesen Sie hier, was Sie beim Erbvorbezug bzw. bei der Schenkung beachten sollten und welche Vor- und Nachteile die beiden Optionen bereithalten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei der Schenkung erfolgt eine Zuwendung ohne entsprechende Gegenleistung. Dagegen handelt es sich beim Erbvorbezug um eine Auszahlung des künftigen Erbteils.
  • Erhalten Nachkommen eine Zuwendung, wird angenommen, dass diese der Ausgleichungspflicht unterliegen soll. Selbst nach der Befreiung von der Ausgleichungspflicht unterliegt die Zuwendung immer noch der Herabsetzung.
  • Schenkungen an Ehegatten und andere Erbinnen als die Nachkommen unterliegen der Herabsetzung, wenn sie weniger als 5 Jahre vor dem Tod der Erblasserin erfolgten.
  • Durch eine Schenkung bzw. einen Erbvorbezug können steuerliche Vorteile entstehen: Die Schenkenden reduzieren dadurch ihr steuerbares Einkommen (insbesondere vorteilhaft bei progressiven Steuersätzen). Gerade Konkubinatspartner:innen kann so Vermögen übertragen werden, ohne die Belastung durch eine Erbschaftssteuer.
  • Entspricht der Kaufpreis nicht dem Verkehrswert, kann eventuell von einer gemischten Schenkung gesprochen werden; Dann muss der geschenkte Teil versteuert werden. Beachten Sie hier auch die kantonalen Bestimmungen.

Was ist eine Schenkung?

«Schenkung» ist ein rechtlicher Begriff und nicht zu verwechseln mit dem umgangssprachlichen Begriff «Geschenk». Eine Schenkung ist laut Gesetz eine Zuwendung unter Lebenden, mit welcher jemand einen andern aus seinem Vermögen ohne entsprechende Gegenleistung bereichert. In anderen Worten müssen, damit man im juristischen Sinne von einer Schenkung spricht, folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Eine Person wird bereichert (Beschenkter).
  • Aus dem Vermögen einer andern (der Schenkerin)
  • Der Beschenkte möchte beschenkt werden (Schenkungsempfangswillen)
  • Die Schenkerin muss schenken wollen (Schenkungswillen)

Die Bereicherung kann in Form einer Vermehrung von Aktiven erfolgen, d.h. der Beschenkte erhält Vermögenswerte, oder aber auch durch Verminderung der Passiven, d.h. dem Beschenkten werden Schulden erlassen.

Die Schenkung trifft man in unterschiedlichen Formen an (mehr zu den unterschiedlichen Schenkungsformen). Auch der Erbvorbezug wird als besondere Schenkungsform bezeichnet.

Darf ich verschenken, so viel ich will?

Grundsätzlich dürfen die künftigen Erblasser:innen über ihr Vermögen verfügen, wie sie wollen. Sie haben keine Pflicht, ihren Nachkommen (Kinder, Enkel, etc.) etwas zu hinterlassen. Allerdings kann die Schenkung für die Beschenkten nach dem Tod des Schenkers Folgen haben.

Hier kommen wir auf die Ausgleichungspflicht zu sprechen. Die Ausgleichungspflicht bedeutet, dass sich eine Erbin eine Zuwendung an ihren Erbteil anrechnen lassen muss und entsprechen weniger (oder nichts) aus der Erbschaft erhält (mehr zur Ausgleichungspflicht). Nachkommen müssen gemäss Gesetz Zuwendungen, die sie zu Lebzeiten des Erblassers erhalten haben, im Zeitpunkt der Erbteilung grundsätzlich immer ausgleichen (ausser es handelt sich um blosse Gelegenheitsgeschenke). Ehegatten und andere Erben müssen hingegen nur ausgleichen, wenn der Erblasser dies ausdrücklich angeordnet hat.

Ein Beispiel: Frau Meier schenkt ihrem Sohn und ihrer Freundin je 10’000 CHF. In ihrem Testament hat sie ihre Freundin als Erbin von 10% ihres Nachlasses eingesetzt. Zur Ausgleichungspflicht schweigt sie sich bei beiden aus. Bei ihrem Tod muss der Sohn sich das Geschenk von Gesetzes wegen an seinen Erbteil anrechnen lassen, die Freundin dagegen nicht.

Wenn Eltern möchten, dass ihre Nachkommen eine Schenkung (Erbvorbezug ohne Ausgleichungspflicht) erhalten, ohne sich diese später an den Erbteil anrechnen lassen zu müssen, können sie sie in ihrer Verfügung von Todes wegen explizit von der Ausgleichungspflicht befreien. Beachten Sie jedoch: Schenkungen an nicht pflichtteilsgeschützte Erben, die weniger als 5 Jahre vor dem Tod des Erblassers getätigt wurden, unterliegen der Herabsetzung. Ebenfalls können die Eltern ihre Nachkommen nur im Rahmen der freien Quote von der Ausgleichungspflicht befreien, da die Pflichtteil der anderen Erben nicht unterlaufen werden dürfen. Wurden durch die Schenkung an einen Nachkommen Pflichtteile verletzt, unterliegt die Schenkung auch der Herabsetzung. War eine Herabsetzungsklage erfolgreich, muss die Beschenkte den Pflichtteilserben das, was sie zu viel erhalten hat, auszahlen. Dies kann den Beschenkten in die finanzielle Bredouille bringen.

Was ist ein Erbvorbezug?

Beim Erbvorbezug erfolgt eine Auszahlung eines Teils der künftigen Erbschaft an einen voraussichtlichen Erben. Dafür muss der Erbvorbezüger zwar keine Gegenleistung erbringen, allerdings wird ihm dieser Vorbezug im Erbfall an seinen Erbteil angerechnet. Dass der Erbvorbezüger einwilligt, später auf einen Teil seines Erbanspruches zu verzichten (da er diesen schon erhalten hat), könnte als Gegenleistung gewertet werden. Deswegen ist es sinnvoll, den Erbvorbezug nur dann als Schenkung zu bezeichnen, wenn er eben nicht an den Erbteil angerechnet werden muss (siehe in der Folge zur Ausgleichungspflicht). Umgekehrt könnte man also von einer Schenkung an einen künftigen Erben als Erbvorbezug ohne Ausgleichungspflicht sprechen.

Welches Ausmass darf der Erbvorbezug haben?

Auch beim Erbvorbezug gilt, dass künftige Erblasser:innen grundsätzlich frei entscheiden können, welches Ausmass ihre Erbvorbezüge haben. Allerdings können sowohl der künftigen Erblasserin als auch dem Erbvorbezüger Nachteile entstehen, wenn der Erbvorbezug zu gross ist.

Erbvorbezüger:innen müssen das Erhaltenen nämlich zum Ausgleich bringen. Und wenn der Erbvorbezug einen Pflichtteil verletzt, unterliegt der Erbvorbezug der Herabsetzungsklage.

Die künftige Erblasserin erhält zudem möglicherweise keine Sozialleistungen wegen des Erbvorbezugs, da dieser unter Umständen an ihr Vermögen angerechnet wird und somit der Schwellenwert für Ergänzungsleistungen und dergleichen nicht erreicht wird. Lesen Sie hier mehr zum Erbvorbezug und seinen Risiken für die Beteiligten.

Vor- und Nachteile des Erbvorbezug / der Schenkung an die künftigen Erben?

Schenkungen und Erbvorbezüge sind grundsätzlich steuerpflichtig. Doch Nachkommen (Kinder, Enkel etc.) und Ehepartner:innen/eingetragene Partner:innen sind in den meisten Kantonen von der Steuerpflicht betreffend Schenkungen befreit. Dies gilt aber nicht für alle Kantone: Eine Ausnahme bildet beispielsweise der Kanton Appenzell Innerrhoden, welcher eine Schenkungssteuer für Nachkommen vorsieht.

Auch gegenüber anderen Erben kann sich eine Schenkung rentieren. Insbesondere Konkubinatspartner:innen sind, im Gegensatz zu Nachkommen, in den meisten Kantonen durch Erbschaftssteuern belastet. Darum kann es sich lohnen, eine Schenkung bzw. einen Erbvorbezug vorzunehmen, statt den Partner erben zu lassen. Am besten wird die Schenkung über mehrere Jahre verteilt, um so mehrmals von Freibeträgen bei Schenkungssteuern zu profitieren. Auf diese Art kann eine grosse Schenkung, die in kleinere Summen jährlich aufgeteilt wird, ganz steuerfrei sein. Allerdings gibt es Kantone, wie z.B. Bern, die derselben Person den Freibetrag in einer gewissen Zeitspanne nur einmal gewähren.

Auch für die Schenkenden gibt es steuerliche Vorteile. Durch einen Erbvorbezug bzw. eine Schenkung können schenkende Eltern ihr steuerbares Vermögen verkleinern. Dies kann sich besonders bei progressiven Steuersätzen lohnen.
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Was ist eine gemischte Schenkung?

Auch sogenannte gemischte Schenkungen sind bei Zuwendungen an künftige Erbinnen zu beachten. Bei der gemischten Schenkung sind Schenkung und Kauf vereint. Das heisst, dass die Parteien zwar eine Gegenleistung für die Zuwendung vereinbaren, diese Gegenleistung jedoch nicht dem tatsächlichen Wert der Zuwendung entspricht.

Ein Beispiel: Eine Mutter verkauft ihrem Sohn ihr Auto, welches einen Verkehrswert von CHF 40’000 aufweist. Als Kaufpreis einigen sie sich allerdings auf nur CHF 5’000. Die Differenz von CHF 35’000 stellt eine Schenkung von der Mutter zum Sohn dar.

Bei gemischten Schenkungen durch die Eltern laufen Nachkommen Gefahr, einen Erbvorbezug erhalten zu haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Den geschenkten Teil der gemischten Schenkung müssen sie beim Tod des betreffenden Elternteils ausgleichen, da er der Ausgleichungspflicht unterliegt. Deswegen ist es wichtig, dass man sich des Verkehrswertes bewusst ist. Der Elternteil kann dann, wenn er dies wünscht, den Nachkommen von der Ausgleichungspflicht für den geschenkten Teil befreien. Beachten Sie an dieser Stelle die kantonalen Regelungen und Praxen, ab wann der geschenkte Teil versteuert werden muss. Im Kanton St. Gallen spricht man bspw. ab einem Missverhältnis von 25 % zwischen dem Verkehrswert und dem vereinbarten Kaufpreis von einer gemischten Schenkung.

Betrifft die gemischte Schenkung den Ehegatten oder eine Erbin, die nicht Nachkommin ist, muss, wie bei gewöhnlichen Schenkungen, grundsätzlich nicht ausgeglichen werden. Allerdings kann die Möglichkeit einer Herabsetzungsklage gegeben sein, wenn die Schenkung weniger als fünf Jahre zurückliegt und Pflichtteile gesetzlicher Erben verletzt.

Kann der Anspruch auf Ausgleichung verjähren?

Wer einen Erbvorbezug als Nachkomme erhält, unterliegt der Ausgleichungspflicht. Die restlichen Erbinnen haben dementsprechend einen Anspruch darauf, dass ausgeglichen wird. Für den Ausgleichungsanspruch bei einer Schenkung oder einem Erbvorbezug gibt es keine Verjährungsfrist vor der Erbteilung.

Nach der allgemeinen Regel des Obligationenrechts (Art. 127 OR) verjährt allerdings die Durchsetzbarkeit von Forderungen auf dem Klageweg 10 Jahre nach ihrer Entstehung (also 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers). Es ist daher nicht ratsam, mit der Geltendmachung einer Ausgleichung absichtlich lange zuzuwarten.

Bei einer Schenkung, d.h. einem Erbvorbezug ohne Ausgleichungspflicht, stellt sich die Frage ohnehin nicht.

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