Das Wichtigste in Kürze
- Ein Vermächtnis – oder Legat – ist eine Zuwendung aus dem Nachlass, ohne dass der/die Vermächtnisnehmer:in Teil der Erbengemeinschaft wird.
- Das Vermächtnis kann Vermögensvorteile aller Art umfassen. So zum Beispiel ein Schmuckstück, eine Liegenschaft, ein Wohnrecht oder Geld.
- Aus dem Testament muss klar hervorgehen, dass der/die Erblasser:in ein Vermächtnis ausrichten will.
- Der/die Vermächtnisnehmer:in kann gegenüber der Erbengemeinschaft das Vermächtnis herausfordern.
- Bei einem Vermächtnis fallen je nach Umständen Erbschaftssteuern an.
Begünstigung ohne Erben-Pflichten
Das Vermächtnis – auch Legat genannt – ist neben der Erbeinsetzung eine weitere Form der Begünstigung von Todes wegen. Durch ein Vermächtnis erhält eine Person einen bestimmten Vermögensvorteil, ohne dass ihm/ihr dabei die Erbenstellung zukommt. Im Unterschied zur gesetzlichen Erbfolge wird ein Vermächtnisnehmer («Legatar») also nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Dies bedeutet, dass eine Vermächtnisnehmerin weder die Rechte noch die Pflichten einer Erbin hat. So haftet sie beispielsweise nicht für die Schulden des Erblassers (somit keine Solidarhaftung).
Teilungsvorschrift oder Vermächtnis?
Mit einem Vermächtnis kann eine Erblasserin Geld, Sachwerte oder Rechte von Todes wegen auf eine Person übertragen. Das Vermächtnis kann zum Beispiel einen bestimmten Geldbetrag, aber auch Schmuckstücke, eine Liegenschaft oder Rechte (wie Wohnrechte) umfassen. Wird ein fester Prozentteil am Erbe zugesprochen, wird bei einer nicht eindeutigen Formulierung angenommen, dass es sich um eine Erbschaft und nicht um ein Vermächtnis handelt.
Ob ein Vermächtnis oder eine Erbenstellung angenommen wird, hängt von der Formulierung in der letztwilligen Verfügung ab. Normalerweise unproblematisch ist die Zuweisung einer bezifferten Vermögenssumme, zum Beispiel mit der Formulierung: „Ich vermache XY die Summe von CHF 1‘000 aus meinem Nachlass.“ Als XY können Sie eine spezifische Person oder z.B. eine Hilfsorganisation einsetzen.
Vermächtnis eines Gegenstandes
Weniger klar ist es bei der Zuweisung eines konkreten Erbschaftsgegenstandes. Wenn dabei nicht eindeutig der Wille des Erblassers ersichtlich ist, ein Vermächtnis auszurichten, gilt die entsprechende Klausel im Testament als Teilungsvorschrift und nicht als Vermächtnis. Ein Beispiel hierfür wäre: «Ich vermache meinem Sohn meine Taschenuhr.» Bei einer missglückten Formulierung wird also der Vermächtnisnehmer entgegen der Absicht der Erblasserin zum Erben gemacht. Die Verwendung des Begriffs «vermachen» oder «Vermächtnis» alleine genügt häufig nicht, zumal der eigene Sohn auch gesetzlicher (Pflichtteils-)Erbe ist.
Fehlinterpretationen können Sie vermeiden, indem Sie explizit auf das Vermächtnis im Gesetz verweisen. Eine Beispielformulierung wäre: «Meine Grossnichte Michelle Muster soll meine Taschenuhr als Vermächtnis im Sinne von Artikel 484 ff. ZGB erhalten.»
Das Vermächtnis kann auch als Anweisung an die Erben formuliert werden: «Meine Erben haben XY ein Vermächtnis aus dem Verkaufserlös meiner Taschenuhr auszurichten.» Hat eine Person Schulden bei der Erblasserin, so kann die Erblasserin in ihrer letztwilligen Verfügung diesen Dritten von der Schuld befreien. Dieser Schulderlass kommt dann ebenfalls einem Vermächtnis gleich. Für vollständige Klarheit bei der Aufnahme eines Vermächtnisses in Ihre letztwillige Verfügung empfehlen wir Ihnen, juristischen Rat einzuholen.
Wie ist das Verhältnis zwischen Vermächtnis und Erbschaft?
Wir wissen also nun, dass das Vermächtnis kein eigentlicher Teil der Erbschaft ist. Doch in welchem Verhältnis steht das Vermächtnis zur Erbschaft? Eine Erblasserin kann nur in dem Umfang Vermächtnisse vorsehen, als dass sie die Pflichtteile der gesetzlichen Erben nicht verletzt. Wenn die Pflichtteile der Erben verletzt wurden, können die Erben mittels einer Herabsetzungsklage ihre gesetzlichen Mindestansprüche gegen den Vermächtnisnehmer durchsetzen. Zudem ist auch die Anfechtung eines Vermächtnisses aufgrund der Ungültigkeit des Testaments möglich.
Fällt die Person eines Vermächtnisnehmers mit der eines Erben – wie im obigen Beispiel mit dem Sohn und der Taschenuhr – zusammen, so hat dieser selbst dann ein Anrecht auf sein Vermächtnis, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Es bleibt also der reine Vermögensvorteil, ohne das Haftungsrisiko und die Mitwirkungspflichten der Erbengemeinschaft. Umgekehrt kann der Bedachte auch bloss das Vermächtnis ausschlagen, unabhängig davon, ob er Erbe ist oder nicht.
Wie kann der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis einfordern?
Der Vermächtnisnehmer hat ein Recht dazu, dass die Erbengemeinschaft ihm den Vermächtnisgegenstand herausgibt. Sein Anspruch gegenüber den Erben wird fällig, sobald diese das Erbe angenommen haben oder nicht mehr ausschlagen können. Wenn die Erbengemeinschaft dies verweigert, kann der Vermächtnisnehmer dieses Recht vor Gericht durchsetzen. Der Vermächtnisanspruch geht nicht unter, wenn die mit der Ausrichtung beschwerten Erben die Erbschaft – aus welchen Gründen auch immer – nicht antreten. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers bleibt also auch gegenüber Nach- oder Ersatzerben erhalten. Er kann seinen Anspruch bei diesen Personen durchsetzen.
Anders sieht es aus, wenn die vermachte, bestimmte Sache nicht mehr vorhanden ist. Befindet sich ein mittels Vermächtnis vermachter Gegenstand im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin nicht mehr im Nachlass, so hat die Vermächtnisnehmerin grundsätzlich keinen Anspruch mehr gegenüber der Person, welche den Gegenstand herausgeben sollte.
Der Anspruch auf das Vermächtnis geht zudem auch unter, wenn die Vermächtnisnehmerin vor dem Erblasser verstirbt. Die Erben der Vermächtnisnehmerin können das Vermächtnis somit nicht herausverlangen.
Hat ein Vermächtnis Steuerfolgen?
Ein Vermächtnis unterliegt wie eine Erbschaft der Erbschaftssteuer. Ob Erbschaftssteuern anfallen, hängt von verschiedenen Faktoren ab – so zum Beispiel vom Verwandtschaftsgrad des Vermächtnisnehmers zur Erblasserin, dem Wohnsitzkantons der Erblasserin oder der Höhe des Vermächtnisses. In diesem Beitrag finden Sie mehr Informationen zur Erbschaftssteuer.
Wann ist ein Vermächtnis sinnvoll?
Sinnvoll ist ein Vermächtnis speziell dann, wenn nicht erbberechtigte Personen eine Zuwendung erhalten sollen. Begünstigen lassen sich nahestehende Personen, Unternehmen oder auch gemeinnützige Organisationen. Da in fast allen Kantonen gemeinnützige Organisationen von der Erbschaftssteuer befreit sind, können diese vollumfänglich vom Vermächtnis profitieren. Die Hilfswerke erhalten dann die Zuwendung von Todes wegen und müssen sich nicht um den restlichen Erbgang und die damit verbundenen Verpflichtungen kümmern (sehen Sie dazu: Berücksichtigung einer gemeinnützigen Organisation).
Bedenken Sie Folgendes
- Überlegen Sie sich, wem Sie ein Vermächtnis vermachen wollen, ohne die Person als Erben einzusetzen. Gibt es bestimmte gemeinnützige Organisationen, die Sie mit Ihrem Nachlass unterstützen wollen? Hier finden Sie vertrauenswürdige Organisationen.
- Vergewissern Sie sich, dass das Vermächtnis in Ihrer letztwilligen Verfügung erkennbar ist und sie dieses klar bezeichnen.
- Falls Sie beispielsweise ein Vermächtnis einer NGO vermachen wollen, erklären Sie dies Ihren Erben. So werden diese Personen dieses Vermächtnis eher akzeptieren. Lesen Sie diesbezüglich unseren Blogartikel.
Mit dem Vermächtnis/Legat begünstigen Sie testamentarisch den Empfänger aus Ihrem Nachlassvermögen, ohne ihn als Erben einzusetzen. Dadurch kann der Vermächtnisnehmer vom Nachlass profitieren, ohne dass ihn die typischen erbrechtlichen Pflichten treffen.
Der Wille, ein Vermächtnis auszurichten, muss aus dem Testament sehr klar hervorgehen. Besonders in unübersichtlichen Situationen genügen dazu nicht alle Formulierungen. Die Folge ist meist die versehentliche Erbeinsetzung des vermeintlichen Vermächtnisnehmers.
Obwohl das Vermächtnis von der Erbmasse strikt zu trennen ist, bestehen zwischen Vermächtnisempfängern und Erben gegenseitige Ansprüche. Es können auch beide Eigenschaften in einer Person zusammenfallen, wenn einem Erben zusätzlich ein Vermächtnis ausgerichtet wird.