Urteilsunfähig ist jemand, wenn er nicht mehr vernunftmässig agieren kann. Architekt Müller möchte, dass seine Geschäftspartner in diesem Fall das Unternehmen weiterführen können. Neben Unfällen sind psychische Erkrankungen wie beispielsweise eine Demenz häufige Gründe für eine Urteilsunfähigkeit. Verliert eine verunfallte oder erkranke Person ihre Urteilsfähigkeit dauerhaft, kann sie von Gesetzes wegen nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen. Auch medizinische und juristische Entscheide kann sie nicht mehr fällen.
Staatliche Massnahmen wie eine Beistandschaft verhindern
Mit einem rechtzeitig erstellten Vorsorgeauftrag stellt eine urteilsfähige und volljährige Person sicher, dass im Voraus bestimmte Personen stellvertretend ihre Interessen vertreten und der Staat nicht mit einer Beistandschaft eingreifen muss. Als Vorsorgebeauftrage kommen beispielsweise der Lebenspartner, Kinder, Geschäftspartner, aber auch juristische Personen wie Treuhand-Unternehmen in Frage. Firmen wie die Büro-Spitex AG in Adliswil übernehmen neben rein administrativen Tätigkeiten auch die Sozialbegleitung. In einer Patientenverfügung kann eine gesunde, handlungsfähige Person zudem medizinische Massnahmen für den Fall einer Urteilsunfähigkeit regeln.
Die KESB prüft jeden Vorsorgeauftrag
Damit die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) einen Vorsorgeauftrag für gültig erklären kann, muss sie prüfen, ob die Urteilsunfähigkeit ärztlich bestätigt wurde. Nachgeprüft wird auch, ob der Vorsorgeauftrag gesetzeskonform errichtet wurde und die bestimmten Personen oder Firmen geeignet sind, den Auftrag zu erfüllen. Sofern die im Auftrag definierten Individuen fähig und willens sind, den Auftrag auszuführen, werden sie von der KESB «validiert». Mit einer schriftlichen Validierung erklärt die KESB den Vorsorgeauftrag für wirksam und bezeichnet auch die beauftragten Personen sowie deren Aufgaben und Kompetenzen. Im Fallbeispiel Müller könnten sich die Geschäftspartner im Geschäftsverkehr somit auf diese Urkunde abstützen.
Ehegatten und eingetragene Partner brauchen meist keinen Vorsorgeauftrag
Ehegatten und eingetragene Partner erhalten auch ohne einen Vorsorgeauftrag ein Vertretungsrecht. Im Bereich Finanzen können Ehegatten und eingetragene Partner/innen Zahlungen und Vermögensverwaltungshandlungen im üblichen Rahmen ohne Vorsorgeauftrag erledigen. Gemäss «Pro Infirmis» besteht ein Vertretungsrecht zwischen Ehegatten aber nur, «wenn das Paar einen gemeinsamen Haushalt führt oder wenn im Falle eines Heimaufenthalts der Partner bzw. die Partnerin der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leistet.» Bei Unverheirateten oder Verwitweten ohne Vorsorgeauftrag ernennt die KESB im Falle einer Urteilsunfähigkeit einen Beistand.
Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung im Rechtsverkehr
Im Vorsorgeauftrag kann eine Person festlegen, welche Aufgaben die bestimmten Personen wahrnehmen sollen. Dabei kann es sich um die Personensorge (Öffnen der Post, Betreuung, Pflege, medizinische Versorgung, etc.), die Vermögenssorge (Verwaltung des Einkommens und Vermögens, Abwicklung des Zahlungsverkehrs etc.) und die Vertretung im Rechtsverkehr drehen. Bei der Auftragserstellung muss man strenge Formvorschriften befolgen (siehe Tipps unten). Wer Fehler macht, muss damit rechnen, dass die KESB den Auftrag für ungültig erklärt und Erwachsenenschutzmassnahmen anordnet.
Beratung bei Pro Senectute, Caritas oder Pro Infirmis
Architekt Hanspeter Müller kann den Vorsorgeauftrag entweder auf eigene Faust mit Hilfe von DeinAdieu erstellen oder ihn zusammen mit einem Notar oder anderen Fachleuten schreiben und das Dokument am Wohnort beurkunden lassen. Unterstützung bei der Auftragserstellung erhalten interessierte Personen auch bei den Beratungsstellen von Pro Senectute, Caritas oder Pro Infirmis. Diverse kommerzielle Treuhand-Unternehmen bieten diesen Service auch an – zum Teil zu Preisen von 1000 Franken pro Auftrag. Peter Burri von Pro Senectute Schweiz sagt gegenüber der NZZ: «Das Geschäft mit Vorsorgeaufträgen ist ein spannender Markt, bei dem verschiedene Player wie Banken, Versicherungen und Notare sowie private Firmen aktiv sind. Es besteht ein gewisser Wildwuchs und die Angebote sind zum Teil nur schwer vergleichbar.» Vor einer Beratung durch ein Unternehmen gilt es daher, mehrere Offerten einzuholen.
Wissenswertes rund um den Vorsorgeauftrag
Formvorschriften: Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig zu errichten oder öffentlich zu beurkunden. Der eigenhändige Vorsorgeauftrag muss datiert und unterzeichnet werden. Die KESB anerkennt einen Vorsorgeauftrag nur im Original.
Aufbewahrung: Ein Vorsorgeauftrag sollte sicher und gut zugänglich aufbewahrt oder einer Vertrauensperson übergeben werden. Teilen Sie dem Zivilstandsamt am Wohnort mit, dass Sie einen Vorsorgeauftrag erstellt haben und wo er hinterlegt ist. In einigen Kantonen können Sie den Auftrag direkt bei der KESB deponieren.
Dauer: Ein Vorsorgeauftrag ist zeitlich unbeschränkt wirksam.
Personenwahl: Im Vorsorgeauftrag können natürliche oder juristische Personen bzw. ein Unternehmen beauftragt werden. Sinnvoll ist es, die Vertrauensperson vor einer Ernennung zu konsultieren. Vor allem beim Thema Finanzen gilt es genaue Vorgaben zu machen in Bezug auf erlaubte und nicht erlaubte Finanzgeschäfte, und die Tarife sollten klar geregelt werden.
Partner-Vorrang: In einem Vorsorgeauftrag kann man zum Beispiel einen «primären» Vertreter wie seinen Ehepartner ernennen. Falls er nicht mehr zur Vertretung in der Lage ist, setzt man nachrangig zum Beispiel ein Kind ein.
Entschädigung: Im Auftrag kann bereits eine Entschädigung für den Auftragnehmer pro Stunde sowie Fahrtkosten, Spesen etc. festgelegt werden. Falls eine Regelung fehlt, legt die KESB die Höhe fest.
Anpassungen: Änderungen des Vorsorgeauftrags oder Ergänzungen sind jeweils handschriftlich, datiert und unterzeichnet festzuhalten. Wird ein neuer Vorsorgeauftrag erstellt, ohne dass der bestehende ausdrücklich aufgehoben wurde, gilt automatisch der neue Auftrag.
Kündigungsfrist: Die Kündigungsfrist beträgt 2 Monate. Die Kündigung muss schriftlich an die KESB gelangen. Aus wichtigen Gründen kann ein Beauftragter auch fristlos kündigen – beispielsweise, wenn der Beauftragte selbst schwer erkrankt.