Das Notariat – einheitlich und doch divers
Obwohl das Notariat in der öffentlichen Wahrnehmung nicht immer so präsent ist wie z.B. der Richter- oder Anwaltsberuf, kommt ihm eine nicht zu unterschätzende Rolle im täglichen Rechtsverkehr zu. Denn erst die schweizweit anerkannte öffentliche Beurkundung als notarielle Kernaufgabe macht viele Geschäfte überhaupt möglich. Die Vorschriften darüber, in welchen Fällen eine öffentliche Beurkundung erforderlich ist, sind deshalb im Bundesrecht zu finden, allen voran im Schweizerischen Zivilgesetzbuch. Rechtsgeschäfte, die in der Regel eine öffentliche Beurkundung erfordern, sind z.B. Verträge über Rechte an Grundstücken, Ehe- und Erbverträge, Gesellschaftsgründungen, oder Stiftungserrichtungen. Auch die Beglaubigung von Unterschriften und die Rechtsberatung auf bestimmten Gebieten gehören zur notariellen Tätigkeit. Rechtsgebiete mit engem Bezug zum Notariat sind insbesondere Immobilienrecht, Erbrecht und Ehegüterrecht, Nachlass- und Nachfolgeplanung sowie Gesellschaftsrecht.
Die Zuständigkeit, Verfahren und Organisation zu regeln, kommt hingegen den Kantonen zu. Typischerweise sind die Bestimmungen der Einführungsgesetzgebung zum ZGB oder eigenen Notariatsgesetzen zu entnehmen. Dabei kommen als Hauptformen das Amtsnotariat und das freie Notariat vor. Manche Kantone kennen auch Mischformen. Beim Amtsnotariat sind die Urkundspersonen kantonale Beamte, das freie Notariat wird in der Regel durch selbstständige oder bei einer Notariatskanzlei angestellte Juristinnen und Juristen ausgeübt. Mancherorts ist es auch zulässig, dass Anwältinnen und Anwälte den Notarberuf als Nebenerwerb führen, so z.B. in St.Gallen.
Wie läuft die Errichtung einer öffentlichen Urkunde ab?
Notarinnen und Notare, mitunter auch als «Urkundspersonen» bezeichnet, üben eine offizielle Funktion, ein öffentliches Amt aus. Sie müssen dabei neutral und unparteilich sein. Sind sie dies in einem bestimmten Fall nicht, so müssen sie in den Ausstand treten und dürfen daran nicht mitwirken.
Ein Musterbeispiel für die notarielle Tätigkeit ist die Errichtung einer öffentlichen Urkunde. Die öffentliche Beurkundung verfolgt zwei wichtige Ziele: Zum einen stellt sie die wahrheitsgetreue Wiedergabe des Willens der Parteien sicher. Zum anderen dient sie dem Schutz von Personen, die Einblick in öffentliche Register wie Grundbuch oder Handelsregister nehmen und auf deren Inhalte vertrauen («Treu und Glauben im Geschäftsverkehr»).
Die öffentliche Urkunde ist die strengste Formvorschrift im schweizerischen Zivilrecht. Sie ist daher nicht für alle Rechtsgeschäfte vorgeschrieben, sondern nur bei solchen von besonderer Tragweite (z.B. Ehevertrag, Erbvertrag oder Errichtung einer Stiftung zu Lebzeiten). Es ist aber auch zulässig und in gewissen Fällen sinnvoll, Rechtsgeschäfte, für die niedrigere Formerfordernisse gelten (z.B. einfache Schriftlichkeit oder Eigenhändigkeit), öffentlich beurkunden zu lassen. Dabei kann es sich insbesondere um ein Testament handeln, aber auch um einen Vorsorgeauftrag oder eine Patientenverfügung. Zunächst bedarf es eines Dokuments, das durch die notarielle Beglaubigung zur «öffentlichen Urkunde» wird. Es kann von den Parteien vorgelegt oder auf Wunsch durch die Urkundsperson selbst aufgesetzt werden. Ob Handschrift, Maschinenschrift oder Druckschrift ist dabei zunächst unerheblich. Aber: Nach dem geltenden Recht muss eine gültige öffentliche Urkunde schriftlich auf Papier vorliegen. Daran ändert auch die Möglichkeit der elektronischen Ausfertigung von öffentlichen Urkunden nichts.
In dieser Urkunde ist das Rechtsgeschäft, das sie zum Gegenstand hat, näher zu umschreiben. Detailvorschriften sind dem kantonalen Recht zu entnehmen.
Mindestangaben für öffentliche Urkunden umfassen in der Regel:
- die Bezeichnung der Urkundsperson, der Parteien und ggf. weiterer mitwirkender Personen,
- die Willensäusserung, der Beschluss oder die Feststellung,
- Ort und Tag, ggf. Uhrzeit der Beurkundung,
- die Unterschriften der Parteien und der weiteren mitwirkenden Personen,
- die öffentliche Beurkundung durch die Urkundsperson
Sofern in einer öffentlichen Urkunde auf Belege (z.B. Grundbuchauszüge oder Quittungen) Bezug genommen wird, sind diese beizulegen und mitzubeurkunden.
Im Zusammenhang mit ihrer Aufgabenerfüllung kommen den Urkundspersonen auch Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten zu: Sie müssen die Parteien nach bestem Wissen über den rechtlichen Inhalt und die Bedeutung der Urkunde beraten und sie auf Mängel, Unrichtigkeiten oder rechtswidrige Inhalte hinweisen. Zudem sind sie verpflichtet, vor der Beurkundung die Identitäten, aber auch die Handlungsfähigkeit der anwesenden Parteien und der mitwirkenden Personen zu überprüfen. Falls Zweifel an der Urteilsfähigkeit einer Partei bestehen, können die Urkundspersonen bis zur Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beurkundung verweigern. Sind die Identitäten und die Handlungsfähigkeit der Parteien festgestellt, so ist zu prüfen, ob die Urkunde dem Willen der Parteien entspricht. Zu diesem Zweck legt oder liest die Urkundsperson den Parteien die Urkunde vor und lässt sie die Richtigkeit ihres Inhaltes durch Unterschrift bestätigen.
Anschliessend an die Genehmigung und Unterzeichnung erfolgt die «eigentliche» öffentliche Beurkundung. Sie ist der Prozess, in dem die Urkundsperson die Willenserklärungen oder Tatsachen in einer vom Gesetz vorgesehenen Form festhält. Die Urkundsperson bescheinigt dazu auf der Urkunde, dass die Urkunde den Parteiwillen enthält und die Parteien die Urkunde zur Kenntnis genommen, ihren Inhalt genehmigt und sie unterzeichnet haben.
Über die Errichtung hinaus: Aufbewahrung von Urkunden
Die Aufgaben der Notarin enden häufig nicht mit der gültigen Errichtung einer öffentlichen Urkunde. Sie werden den Parteien zumindest eine, ggf. mehrere Ausfertigungen der Urkunde übergeben, damit diese sie im Rechtsverkehr gebrauchen können. Dies sind Abschriften der öffentlichen Urkunde mit Siegel und erhöhtem Beweiswert. Notarinnen und Notare sind verpflichtet, die ausgestellten Urkunden im Original aufzubewahren und ein Register zu führen, das ihre Auffindbarkeit gewährleistet.
Für letztwillige Verfügungen (Testamente) ist eine besondere Form der Hinterlegung möglich: Sie können den Notar Ihres Vertrauens darauf hinweisen, dass Sie die Registrierung beim Zentralen Testamentenregister wünschen. So ist die Auffindbarkeit und Vollziehung eines letzten Willens erheblich besser gewährleistet. Das Zentrale Testamentenregister enthält Angaben zu Verfasser, Verfügungsform und -art, Datum sowie Aufbewahrungsort von Testamenten. Im Register werden nur die genannten Informationen erfasst und nicht der Inhalt einer Verfügung selbst.
Im Todesfall gibt das Testamentenregister auf Anfrage Auskunft über die Aufbewahrungsorte von angemeldeten Urkunden. Wichtig: Es können keine privaten Aufbewahrungsorte eingetragen werden, sondern nur solche bei Notaren und Anwälten sowie Amtsstellen oder Behörden. Der Aufbewahrungsort wird Dritten erst nach dem Tod, d.h. gegen Vorlage einer Todesbescheinigung, kommuniziert.
Der Notarberuf ist ebenso vielseitig wie bedeutsam für den reichungslosen Rechts- und Geschäftsverkehr. Kernaufgabe von Notarinnen und Notaren ist die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften. Sie erfolgt in einem standardisierten Verfahren, das sich weitgehend nach dem kantonalen Recht richtet. Mit der öffentlichen Beurkundung verbunden sind Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten wie die Rechtsberatung, die Identitätsüberprüfung oder die Abklärung der Urteilsfähigkeit von Parteien. Zudem bewahren Notarinnen und Notare die öffentlichen Urkunden, die sie ausgestellt haben, auf und führen darüber ein Register. Bei Testamenten ist auch die Hinterlegung im Zentralen Testamentenregister des Schweizerischen Notarenverbandes möglich.
Weitere Artikel zum Thema:
- Wie funktioniert das Notariat in der Schweiz?
- Wo liegen die Unterschiede zwischen Fachanwalt und Notar?
- Die notarielle Beglaubigung – wann braucht es einen Notar?
- Das öffentlich beurkundete Testament
- Der Ehevertrag
- Der Erbvertrag
Externe Links:
- Schweizer Notarenverband: Der Ratgeber
- Schweizerischer Notarenverband: Das Testamentenregister
- Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Januar 2020)
- Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR, SR 220) vom 30. März 1911 (Stand am 1. April 2020)