Vertragsfreiheit und Parteiwille
Der Erbverzicht als Einverständnis zwischen Erblasser und Erben, dass Letztere auf ihren Anspruch am Erbe gänzlich oder teilweise verzichten, ist seiner Natur nach eine vertragliche Abrede. Diese kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen der beteiligten Parteien zustande. Somit untersteht er – neben den besonderen Vorschriften des Erbrechts – den allgemeinen Bestimmungen des OR über die Verträge.
Einer der wichtigsten Grundsätze des Vertragsrechts ist die sogenannte Vertragsfreiheit. Demzufolge können die Parteien den Inhalt ihrer Verträge in den Schranken des Gesetzes frei bestimmen. Sie können dementsprechend u.a. vereinbaren, dass sie einander Leistungen schulden oder dies gerade nicht tun. Die Leistungen bzw. Verzichtshandlungen können entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen (Erbauskauf bzw. Erbverzicht im engeren Sinn). Sie können Verpflichtungen auch an Auflagen, Bedingungen oder Befristungen knüpfen. Dies gilt sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen.
Inmitten zwischen lebzeitigen Verfügungen und Verfügungen von Todes wegen steht der Erbvertrag nach dem Zivilgesetzbuch, bei dem oft nur eine Partei (der Erblasser) von Todes wegen verfügt. Der Erbverzicht ist nur in der Form des (negativen) Erbvertrags zulässig.
Grenzen der Gestaltungsfreiheit
Es gilt zu beachten, dass ein Erbverzicht vor allem dort sinnvoll ist, wo gesetzliche Pflichtteile wegbedungen werden sollen. Handelt es sich bei dem fraglichen Vermögen um nicht pflichtteilsgeschützte Ansprüche, so ist auch eine einseitige Regelung des Erblassers durch Pflichtteilsetzung der betreffenden Erben in einer letztwilligen Verfügung (Testament) möglich.
Da ein Erbverzicht in aller Regel besonders geschützte Pflichtteilsansprüche beschlägt, untersteht er besonderen Formvorschriften. Die Form des Erbvertrags entspricht derjenigen der öffentlichen letztwilligen Verfügung. Das bedeutet, dass ein solches Rechtsgeschäft durch eine vom kantonalen Recht bestimmte Urkundsperson (Notar) in Anwesenheit zweier Zeugen zu beglaubigen ist. Zudem müssen alle Parteien des Erbverzichtvertrags ihren übereinstimmenden Willen gleichzeitig erklären. Allerdings darf sich jede Person, die nicht von Todes wegen verfügt, zur Vornahme dieser Erklärung vertreten lassen.
Ausserdem muss der Erbverzichtsvertrag die soeben erwähnten gesetzlichen Schranken beachten. Insbesondere darf er nicht sittenwidrig, unmöglich oder willkürlich sein. Ein Erbverzicht, der bspw. zwischen zwei Personen im Namen eines Dritten, jedoch ohne dessen Zustimmung, vereinbart wird, ist bis zu dessen Genehmigung schwebend unwirksam. Erteilt der vertretene Dritte seine Zustimmung nicht, kommt der Vertrag nicht zustande und der unbefugte Vertreter wird u.U. schadenersatzpflichtig.
Kombination mehrerer Erbverträge
Der Erbverzicht ist ein wertvolles Instrument, um zu Lebzeiten des Erblassers Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit zu schaffen. Ein klassisches Beispiel dafür ist der Erbauskauf einzelner Kinder aus dem Erbe ihrer Eltern. Hier kann es erforderlich sein, dass mehrere Kinder untereinander auf Ansprüche unterschiedlicher Natur verzichten.
Fallbeispiel zur Veranschaulichung
Witwer Andi hat zwei Kinder: Barbara und Carl. Er möchte seiner Tochter Barbara den Kauf eines Eigenheims zur Familiengründung ermöglichen. Um spätere Differenzen mit Sohn bzw. Bruder Carl zu vermeiden, wollen die drei Beteiligten alsbald möglich eine dauerhaft verbindliche Lösung finden. Dazu können sie einen mehrfachen Erbvertrag abschliessen.
Zunächst ist ein entgeltlicher Erbverzichtsvertrag, also ein Erbauskauf, zwischen Andi und Barbara möglich. Die beiden können miteinander vereinbaren, dass Barbara einen Geldbetrag erhält. Von diesem kann sie sich eine Immobilie kaufen, muss im Gegenzug und im Fall von Andis Ableben aber auf ihre Erbinnenstellung verzichten.
Je nach Höhe des zugewendeten Geldbetrages im Verhältnis zu Andis übrigen Vermögenswerten ist es möglich, dass dieser den Pflichtteil von Carl verletzt. In diesem Fall könnte Carl nach Eröffnung des Erbgangs gegenüber seiner Schwester die Herabsetzungsklage erheben. Wenn die Parteien solche Konflikte verhindern möchten, sollte auch Carl in den Erbvertrag einbezogen werden. Diesfalls würde Andi Carl als Alleinerben einsetzen (Erbeinsetzungsvertrag) und Carl verbindlich darauf verzichten, Pflichtteilsansprüche gegenüber seiner Schwester Barbara geltend zu machen.
Damit herrscht bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Klarheit, wie der Erbgang aussehen wird. Barbara verzichtet zu Lebzeiten gegen Entgelt auf ihre Ansprüche im Erbgang und Carl wird Alleinerbe. Er erhält also das gesamte Nachlassvermögen von Andi, kann aber keine Ansprüche gegen Barbara geltend machen, sollte die Erbschaft dann geringer ausfallen als erwartet.
In unserem Downloadcenter finden Sie eine Vorlage für den Erbverzichtsvertrag.