Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt sieht den Tod als etwas Positives

Caroline Hoerdt ist mit Leib und Seele Sterbebegleiterin. Der 40-Jährigen ist wichtig, dass niemand die letzte Reise alleine antreten muss.

Gockel Ferdinand kräht. Obwohl es Nachmittag ist und die Sonne hoch am Himmel steht. «Er hat kein Zeitgefühl», sagt Caroline Hoerdt. Die 40-Jährige hat Ferdinand sowie 13 Hühner vor dem Metzger gerettet, genauso wie zwei Ziegen und zwei Schafe. Daneben besitzt Caroline Hoerdt Dackeldame Gina und Sir Jones, einen Kater. Fast wie auf einem kleinen Bauernhof sieht es aus bei Caroline Hoerdt. Ihr Anwesen in Schöftland AG umfasst stattliche 17 241 Quadratmeter Landwirtschaftsland sowie Wald. Dazu gehören eine Scheune, die ihre besten Jahre hinter sich hat, sowie ein altes Haus. «Das Haus war früher eine Beiz und im Felsenkeller gab es eine Brauerei», erzählt Caroline Hoerdt. Vor vier Jahren hat sie das Anwesen gekauft, sie hatte es zufällig im Internet gesehen. Schon immer habe sie so etwas gesucht, sagt die ehrenamtliche Sterbebegleiterin.

Sterbegegleitung: Niemand soll allein gehen müssen

«Bei der Geburt sind immer alle da, beim Sterben aber höchstens eine Krankenschwester», sagt Caroline Hoerdt. Sie wolle nicht, dass jemand allein gehen müsse. Schon immer habe sie viel vom Sterben mitbekommen, der Tod war immer ein Thema, nie ein negatives. Das war mit ein Grund, weshalb sie sich entschloss, die Ausbildung als Sterbebegleiterin zu absolvieren – und zwar bei der Propstei Wislikofen AG. Nach einiger Zeit entschied sich Caroline Hoerdt, noch eine weitere Ausbildung in Palliative Care zu absolvieren, angeboten von der reformierten Landeskirche. Dort lernte sie den Umgang mit Medikamenten und die pflegerischen Aspekte. Seit sechs Jahren ist sie nun ehrenamtliche Sterbebegleiterin. Hauptberuflich arbeitet Caroline Hoerdt zu 100 Prozent als Religionspädagogin bei der Pfarrei Schöftland. Bei ihrer ersten Sterbebegleitung habe sie sich unsicher und gleichzeitig sehr gut gefühlt, sagt Caroline Hoerdt.

Im Garten zwischen gackernden Hühnern und umgeben von lauschiger Natur unterhalten sich Redaktorin Larissa Hunziker (links) und Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt. (Foto: Peter Lauth)
Im Garten zwischen gackernden Hühnern und umgeben von lauschiger Natur unterhalten sich Redaktorin Larissa Hunziker (links) und Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt. (Foto: Peter Lauth)

Ein Leben als Nonne

Als Mädchen war Religion Caroline Hoerdt sehr wichtig. Im Kirchenchor stand sie gerne auf der Empore, weil sie da das Gefühl hatte, Gott näher zu sein. Obwohl sie daheim nicht übermässig religiös aufgewachsen ist, reifte in ihr als Neunjährige der Wunsch, ins Kloster zu gehen. Caroline Hoerdt, die in Othmarsingen AG aufwuchs, schlug dann aber den klassischen Weg ein. Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Lehre als Konditor-Confiseur, «weil es mein Traumberuf war, mit Marzipan zu arbeiten.» Danach reiste sie für ein Jahr nach Kanada, um Englisch zu lernen. Sie kehrte in die Schweiz zurück und arbeitete in ihrem erlernten Beruf weiter. Nach einiger Zeit entdeckte sie den Sport für sich und machte eine Ausbildung zur Spinning-Instruktorin. Daneben half sie den Eltern, die zu Hause in Othmarsingen ein Kleinheim mit acht bis zwölf Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen führen. Später machte Caroline Hoerdt das Handelsdiplom und arbeitete als Verkäuferin. Dann begann sie ihr Studium zur Religionspädagogin, das sie nach drei Jahren abschloss. Zwischenzeitlich wohnte Caroline Hoerdt drei Jahre lang im Kloster Baldegg, aber nicht als Nonne, sondern nur als Mieterin. «Das war eine der schönsten Zeiten in meinem Leben», sagt Caroline Hoerdt. Nonne wollte sie da längst nicht mehr werden. Sie habe gemerkt, dass sie im Kloster zu weit weg von den Menschen sei, so Caroline Hoerdt.

Nahtoderfahrung nach Unfall

Anstatt ins Kloster zu gehen, kaufte Caroline Hoerdt sich das besagte Anwesen in Schöftland. Einziehen konnte sie erst vor zwei Jahren. Kurz nach dem Hauskauf stellte ein schwerer Unfall alles auf den Kopf. Sie war bei einer Kollegin, die beiden wollten einen Tisch hervorholen, den sie für ein Fest benötigten. Das Möbel stand hinter einem Stapel Holzplatten. Caroline Hoerdt kippte die Platten nach vorne, doch zu weit: 18 Holzplatten kamen ihr entgegen und trafen zuerst ihre rechte Gesichtshälfte, dann ihren rechten Oberkörper. Die 700 Kilogramm schweren Platten schürften Caroline Hoerdt das Gesicht auf, brachen ihr mehrere Rippen sowie das Schlüsselbein und die Lunge löste sich ab. Die Verletzte kam ins Spital, wo sie ein Medikament erhielt, das sie nicht vertrug. Es löste bei ihr derartige Nebenwirkungen aus, dass am fünften Tag im Spital nicht klar war, ob sie überleben würde. «Das war das erste Mal, dass ich näher bei Gott war als auf Erden.»

Caroline Hoerdt erlebte eine Nahtoderfahrung. Sie habe sich ganz leicht und frei gefühlt, fern von allen Sorgen. «Ich habe keinerlei Angst verspürt.» Sie wäre gegangen, sagt sie, wären Freunde und Familie nicht gewesen. Caroline Hoerdt ist froh, dass sie wieder ins Leben zurückkehrte. Bei ihren Sterbebegleitungen greift sie auf ihre eigenen Erfahrungen mit dem Tod zurück. Das Wichtigste sei, den Menschen die Angst zu nehmen, sagt Caroline Hoerdt.

Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt mit Dackeldame Gina
Platz hätte sie genug. Für Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt, hier mit Dackeldame Gina, ist der Traum vom eigenen Sterbehospiz nach wie vor sehr aktuell. (Foto: Peter Lauth)

Sterbebegleiterin träumt vom eigenen Hospiz

Mittlerweile hat sie viele Menschen in den Tod begleitet. Ihr Anliegen ist es, den Sterbenden das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind. «Ich muss dazu nicht physisch anwesend sein», sagt Caroline Hoerdt. Es reiche, wenn die Person wisse, dass jemand für sie da sei. Meistens ist sie auf Abruf tätig, übernimmt Notfälle. Sie ist vorwiegend am Abend im Einsatz, um das Personal eines Spitals oder Angehörige zu entlasten. Ihrer Meinung nach ist das Ende jedem vorbestimmt. Einerseits würde sie, wenn es so weit ist, gerne einfach einschlafen. Andererseits findet sie es schön, wenn sich jemand noch verabschieden kann.

Sie stellt sich das «Danach» so vor, als würde sie in den Himmel blicken. Es sei ein schöner Ort, aber kein bekannter, wo man nichts benennen könne, sagt Caroline Hoerdt. Bevor es aber so weit ist, hat sich die Aargauerin vorgenommen, noch viel zu erledigen. Sie möchte in Zukunft mehr für die Menschen da sein, ob beim Sterben oder in schwierigen Situationen. Sie will sich ebenfalls stärker für Tiere einsetzen und ihnen eine Stimme geben. Und natürlich werkelt sie weiter an ihrem Anwesen herum, bei dem es noch viel zu tun gibt. Irgendwann erfüllt sich vielleicht Caroline Hoerdts Traum vom eigenen Sterbehospiz.

Text: Larissa Hunziker, Fotos: Peter Lauth

Diese Reportage entstand in Zusammenarbeit mit Journalismusstudenten der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW).

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Eine Antwort auf „Sterbebegleiterin Caroline Hoerdt sieht den Tod als etwas Positives“

Kerstin Schlagenhauf sagt:

meine worte…

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