Urs Gerber ist auch ein Bestatter. Neben der Sargproduktion leisten sein Team für verschiedene Zürcher Gemeinden sowie für die Stadt Zürich Pikett- und Bestattungsdienstleistungen.
«Ich wuchs zwischen Särgen und hölzernen Kreuzen auf», sagt der 48-jährige Urs Gerber. Der Tod, die Verstorbenen und somit das Sterben waren nie ein Tabuthema. Im Gegenteil: Der Tod, das Sterben war allgegenwärtig im Riegelhaus gleich hinter der reformierten Kirche. «Wollte ich mit meiner Freundin und späteren Frau in mein Zimmer, mussten wir durchs Sarglager gehen. Das war schon speziell, und sie hat anfänglich etwas gestaunt.»
Für Urs Gerber, 48, war das Alltag. «Wir Kinder spielten ab und zu Versteckis zwischen den Särgen.» Die Gerbers waren eine grosse Familie. Urs hat vier Brüder und drei Schwestern. Er war der Zweitjüngste. Logisch lernte der Bub Schreiner. Denn ursprünglich war die Sargfabrik eine gewöhnliche Schreinerei.
Roboter baut Sarg in 14 Minuten zusammen
Eine Schreinerei ist die Sargfabrik heute noch. Wer eine Fabrikbesichtigung erlebt, merkts sofort. Da riechts nach Sägemehl, da singen Sägen, kreischen Bohrer. Da schleifen Maschinen lange Bretter, und endlos drehende Förderbänder transportieren Seitenwände, Böden und Deckel der Särge weiter. Später werden sie lackiert. Vieles läuft vollautomatisch. Hinter Gittern arbeitet ein oranger Roboter fast lautlos vor sich hin. Theoretisch produziert er alle 14 Minuten einen Sarg. Und das, wenns sein soll, Tag und Nacht.
«Wir waren die erste Sargfabrik in der Schweiz, die einen Roboter eingesetzt hat», sagt Urs Gerber. «Mein Bruder Hans entwickelte ihn 1994 in Zusammenarbeit mit ABB. Wobei der Roboter, wir nennen ihn Cellio, eigentlich nichts Besonderes darstellt. Speziell sind die Maschinen, die seinen Arbeitsprozess ermöglichen. Sie wurden allesamt von meinem Bruder Hans auf die verschiedenen Arbeitsgänge abgestimmt.»
Pikettdienst für die Stadt Zürich
Neben Roboter Cellio, arbeiten 30 Leute in der Sargfabrik. «Es sind 24 Stellen. 16 Leute in der Fabrikation angestellt und 8 in der Administration sowie als Bestatter», sagt Urs Gerber. «Wir sind gut organisiert, verfügen über langjährige Erfahrung. Drum gibts eigentlich nie ein ‹Ghetz›. Wir nehmen uns Zeit für die trauernden Angehörigen, arbeiten pietätvoll, lassen uns nicht stressen.»
Die Logistik funktioniert. Das Team ist eingespielt. Damit die Bestatter keine langen Wege fahren müssen, unterhält Urs Gerber kleinere Sarglager – überall verteilt im Kanton Zürich. Etwa auf Friedhöfen, in Spitälern, Institutionen sowie Alters- und Pflegeheimen. «Tagsüber sind in der Regel vier Bestatter mit ihren Bestattungswagen unterwegs. Passiert irgendwo ein so genannter Polizeifall, sind wir in zehn Minuten vor Ort.»
Guter Nachwuchs zu finden ist schwierig
In den selbst ausgestatteten Fahrzeugen führen die Bestatter alles mit, was es an Ausrüstung und Zubehör braucht, um Verstorbene würdevoll einzusargen. «Meine Leute sind alles Quereinsteiger. Sie besuchten Kurse beim Bestatterverband, bilden sich laufend weiter.» Und was sind es für Eigenschaften, die ein Quereinsteiger mitbringen muss, will der Autor wissen. «Guten Nachwuchs zu finden, ist schwierig. Wer bei mir Bestatter werden möchte, muss gut kommunizieren können und belastbar sein. Er muss Schichtarbeit leisten und den passenden Ton finde, in Gesprächen mit Hinterbliebenen, mit Polizei und Behörden. Wichtig ist, ein Bestatter bei mir muss gut organisieren können. Ebenso braucht es Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Hinterbliebenen.»
Im Schreinereibetrieb bei Urs Gerber gibts kaum Fluktuationen. Bei den Bestattern ist die Luft oft nach 15 Jahren draussen. «Die Arbeit geht an die Substanz. Verstorbene sind oft sehr gewichtig. Das belastet. Zudem muss eine Familie den Beruf mittragen. Wenn ich einen Bestatter suche, dann bewerben sich Unzählige. In die Endrunde aber kommen schlussendlich ein, zwei Personen.»
Grosse Wertschätzung für Bestattungsarbeit
Urs Gerber und seine Bestatter bieten den Kunden, Kundinnen einen Rund-um-die-Uhr-Service an. «Bei uns ist immer jemand auf Pikett», sagt der Chef. «Ich selber mache regelmässig solche Einsätze. Das ist auch gut so. Ich liebe die Tätigkeit als Bestatter. Es gibt wohl nicht viele Berufe, wo die Wertschätzung so gross ist. Wir erhalten fast täglich Dankesschreiben, Kärtchen.»
Urs Gerber und seine Mannen erleben viel Leid in einem schwierigen Umfeld. «Wir leisten oft einen guten Beitrag an die Bewältigung der Trauer. Wir betten die Verstorbenen ein, erledigen, was zu tun ist. Oft passiert Folgendes: Wenn die Familie nochmals an den Sarg tritt, heisst es oft, schau, wie friedlich er schläft. Das sind schöne Komplimente.»
Schwierig wird es für Urs Gerber, wenn ihm ein Todesfall nahe geht. Wenn etwa ein Kind stirbt. «Als meine Töchter noch klein waren, fiel mir das Einsargen von verstorbenen Kindern schwer.» Damit das nicht allzu oft passiert, brauche es eine gewisse Professionalität, eine gesunde Distanz. Er sei ja kein Seelsorger, sagt Urs Gerber. «Wichtig, wir nehmen uns Zeit. Muss ich jemanden einsargen, den ich gut kannte, bin auch ich hilflos.»
Der Sterbeprozess beginnt mit der Geburt
Welche Bedeutung hat der Tod für jemanden, der täglich damit konfrontiert wird? Urs Gerber sagt ruhig: «Er kommt einfach einmal der Tod. Er gehört zum Leben. Das Sterben ist ein normaler Prozess. Ein Prozess, der dann beginnt, wenn wir auf die Welt kommen. Abgeschlossen wird dieser Prozess mit dem Tod. »
Was passiert im Moment des Todes? Urs Gerber: «Als überzeugter Christ, glaube ich an ein Leben nach dem Tod. Könnte ich wünschen, dann möchte ich nicht nach langer Krankheit sterben.» Und was, Herr Gerber, kommt nachher, fragt der Autor. Der Sargfabrikant lächelt und sagt vielsagend: «Ich bin zuversichtlich.»
Text: Martin Schuppli, Fotos: Bruno Torricelli
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