DeinAdieu: Das Arbeitsumfeld eines Bestatters ist in aller Regel hochsensibel. Was ist zentral für ein professionelles Auftreten?
Jean-Louis Parel: Die Aussenwahrnehmung von Bestattern ist sehr uneinheitlich; es kursieren zahlreiche Fantasievorstellungen über Bestatter, die nicht immer unbedingt einen Realitätsbezug aufweisen. In der Schweiz hat namentlich die Fernsehserie «Der Bestatter» im SRF für mehr öffentliche Wahrnehmung gesorgt, aber nicht unbedingt beigetragen zu einer faktennäheren Darstellung des Bestattungswesens.
Angehörige befinden sich kurz nach einem Todesfall in einer Ausnahmesituation …
Genau. Und dann kann unpassendes Verhalten oder eine ungeschickte Formulierung gravierende Auswirkungen haben. Menschen können sehr empfindlich auf ein emotional so aufgeladenes Thema wie den Tod reagieren; Empathie, Lebenserfahrung und Freude am Umgang mit Menschen sind also – bisweilen entgegen landläufigen Vorstellungen – zentrale Eigenschaften eines guten, vertrauenswürdigen und erfolgreichen Bestatters.
Was sind die Kernkompetenzen und zentralen Ressourcen eines Bestattungsunternehmens?
Der Bestatter ist eine Vertrauensperson für die Betroffenen in einer besonders schwierigen Lage. Das Vertrauen in ihn ist wohl die wichtigste Ressource, damit er seine Arbeit gut machen kann.
Um Vertrauen aufzubauen, ist Transparenz zentral …
So ist es. Deshalb sollte ein Bestatter kein Blatt vor den Mund nehmen, um ein klares Bild der Situation und der Möglichkeiten zu vermitteln. Da viele Menschen sich wenig mit dem Tod beschäftigen, findet er sich nicht selten in einer Aufklärungsrolle, wobei er aber keine Entscheidungen erzwingen soll.
Bestatter benötigen gute Kenntnisse über den rechtlichen Rahmen …
Und sie sind eng vernetzt mit den lokal zuständigen Behörden. Darum können sie informieren, wann und wieso Handlungen von Amtes wegen vorgenommen werden.
Der Bestatter ist ebenfalls ein Vermittler.
Sie sagen es. Bei Konflikten zwischen Wünschen des oder der Betroffenen und den Angehörigen nimmt der Bestatter zudem eine Vermittlerrolle ein, in der er – soweit ihm möglich – wichtige Aussprachen initiiert und moderiert, ohne seinen Klienten etwas aufzudrängen.
Da braucht es viel Vertrauen …
Richtig. Ist ein Rahmen der Bestattung festgelegt, braucht es Vertrauen. Ein vertrauenswürdiger Bestatter garantiert, dass Pläne so umgesetzt werden, wie sie abgemacht waren. Mit hoch persönlichen Daten betraut, wahrt ein seriöser Unternehmer Schweigen über die Anliegen seiner Klienten.
Wie verläuft die Ausbildung und Karriere eines Bestatters, um diese Eigenschaften zu entwickeln?
Der Beruf erfordert Lebenserfahrung, wobei ein junges Alter nicht unbedingt problematisch ist, da angesichts der weiten Verbreitung von Familienbetrieben im Bestattungswesen auch junge Menschen mit dem Thema Tod und Bestattung vertraut gemacht werden.
Es gibt regionale Unterschiede …
Ja. Die private Unternehmensstruktur hängt in der Schweiz stark von der Region ab – in urbanen Gebieten existieren mittelgrosse Betriebe. Sie decken die Region ab. Kleinere Familienunternehmen kümmern sich in erster Linie um lokale Bedürfnisse. Im Osten der Schweiz ist das Bestattungswesen öffentlich-rechtlich geprägt: es gibt keine privaten, frei wählbaren Bestatter. Privatwirtschaftlich organisiert ist die Szene, je mehr man in den Westen der Schweiz, etwa in die Kantone Bern und Aargau, oder in den Süden gelangt.
Jean-Louis Parel selbst hat als Quereinsteiger aus der Bauindustrie eine nicht unbedingt typische Laufbahn hinter sich; in der östlichen Schweiz allerdings gibt es überdurchschnittlich viele Quereinsteiger im mittleren Alter. Die Stadt Zürich beispielsweise bietet eine hochwertige Praxisausbildung an, bei der die Auszubildenden während drei Jahren im Betrieb der Stadt begleitet und umfassend betreut werden: Die Ausbildung unterteilt sich in Einarbeitung, Fortbildung und Fachausweisprüfung; auch danach gibt es ein breites Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten durch den Bestatterverband.
Monsieur Parel, wie weit gehen Bestatter auf individuelle Wünsche ein?
Jean-Louis Parel: Als «Anwalt der Verstorbenen und Berater der Angehörigen» ist der Bestatter der Menschenwürde und dem ethischen Umgang mit Verstorbenen verpflichtet. Er muss sich vergegenwärtigen, dass er es mit Menschen, Stillgewordenen wie auch Hinterbliebenen, zu tun hat. Er sollte sich seiner Verantwortung bewusst und in keiner Weise Machtmensch sein oder seine eigenen Vorstellungen durchsetzen wollen. So kann er auf Wünsche und Situationen eingehen, die mit Emotionen aufgeladen sind. Empathie und eine respektvolle, seriöse Haltung sind die zentralen Faktoren um eine Vertrauensbeziehung herzustellen, wie sie für eine würdige Bestattung unerlässlich ist.
Jean-Louis Parel versteht Bestatter als Dienstleister und Vertrauenspersonen, die auf den individuellen Trauerfall eingehen. Sie lassen die Betroffenen spüren, dass sie selbst bestimmen können. Erfahrene, einfühlsame Bestatter können auch Beiträge zur Planung leisten, die Betroffene womöglich auszuformulieren nicht in der Lage sind, sollen dabei aber nicht auf Ideen drängen, die nicht deren Willen entsprechen.
Religion ist ein wichtiger Aspekt der Bestattung. Monsieur Parel, sind Bestatter religiöse Menschen?
Jean-Louis Parel: Für einen Bestatter ist Gottesglaube nicht zwingend nötig, aber damit er seine Arbeit gut machen und Empathie entwickeln kann, und das in einer zunehmend säkularen Gesellschaft, ist ein gewisses Mass an Spiritualität nötig. Ich bin katholisch aufgewachsen, bezeichne mich heute aber nicht als religiösen Menschen.
Aber er darf tiefgläubig sein?
Unbedingt, aber er muss jeder Form von Religion neutral gegenüberstehen und darf keinesfalls seinen Klienten eigene Vorstellungen von Spiritualität aufzwingen. Er soll verstehen, was sich Betroffene wünschen und wie Angehörige trauern können, um sie bestmöglich zu beraten.
Welche schönen Erlebnisse gibt es im Bestatterberuf, die die mitunter schwierige Arbeit lohnen lassen?
Jean-Louis Parel lächelt und schildert DeinAdieu.ch ein Erlebnis seiner Karriere, das ihm besonders in Erinnerung geblieben ist
Jean-Louis Parel: Ein Angehöriger hatte zu einem stillgewordenen Klienten seit langem ein zerrüttetes Verhältnis und haderte mit der Abschiednahme. An der Beerdigung hatte ich einerseits rohe, grobe Steine und andererseits feinen Sand vorbereitet, die die Trauergemeinde dem Verstorbenen mit in sein Grab geben konnte. Als der Angehörige an der Reihe war, nahm ich ihn zur Seite und erzählte ihm, wie das Meer ganz langsam aus harten Steinen weichen Sand spült und formt. Ich sagte: «Ein Abschied kann ebenfalls Zeit brauchen, doch was zählt, ist vor allem der Wille, einen nahestehenden Menschen im guten Gedenken zu behalten». Ich fragte ihn: «Was möchten Sie dem Verstorbenen mitgeben? Möchten Sie ihm Steine in den Weg legen oder ihm doch den feinen Sand mitgeben?» Tatsächlich ging der Mann zurück, nahm ein wenig Sand und streute ihn in das Grab. Später bedankte er sich bei mir für den Rat und den Beistand. Ich hatte ihm geholfen, mit der leidigen Sache abzuschliessen.
Es sind genau solche schwierigen Situationen, die ein Bestatter durch Empathie zu meistern in der Lage sein muss, die aber gleichzeitig auch als schönste Erfahrungen in Erinnerung bleiben.
Herr Parel, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Bestatter arbeiten tagtäglich mit Personen im Ausnahmezustand und müssen entsprechend Empathie und Respekt dem Menschen gegenüber mitbringen. Sie erbringen als «Anwälte der Verstorbenen» eine unerlässliche Aufgabe in der Gesellschaft, deren richtige Erfüllung durch eine professionelle Ausbildung und Fachausweisprüfung gewährleistet wird. Obwohl der Beruf emotional belastend sein kann, erleben Bestatter ebenso schöne Momente, in denen ihnen die Bedeutung ihrer Arbeit bewusst wird und die sie motivieren, sie weiterhin gut zu machen.