«Wenn ich sterbe, begebe ich mich in Gottes Hände»

Hans Gubser schweigt meist bei seiner Arbeit. Als Mesmer strahlt er Würde aus. Als Kaminfeger gilt er als Glücksbringer. Mit DeinAdieu sprach der Oberterzner über seinen Glauben, den Dienst für die Kirche und das Kaminfeger-Handwerk.

«Unser» Kaminfeger ist ein stiller, zurückhaltender Mann. Wenn er spricht, bleibt er sanft, redet leise. Seine Worte wählt er mit Bedacht. Hans Gubser und ich sind Jahrgänger. Als er bei uns das Cheminée reinigte sowie Heizung und Kamin auf Vordermann brachte, lernten wir uns kennen. Nach getaner Arbeit bat ich ihn, mit mir einen Kaffee zu trinken. Draussen an der Sonne vor dem Atelierhaus. Und dort begannen wir zu Plaudern.

Hans verrichtete seine Berufe mit Engagement und Herz

Der langjährige Berufsmann erzählt mir, er würde keine Leute kennen lernen, die mit einer Wärmepumpe heizen. «Ausser sie verbrennen Holz in einem Cheminée. Und so wird unsere Arbeit knapp.» Deshalb, so erfahre ich, hat Hans sich nach einem zweiten beruflichen Standbein umgesehen. «Jetzt bin ich im Nebenamt Mesmer in Mols, in Quarten sowie in Oberterzen. Und als Chämifäger arbeite ich noch zu 80 Prozent bei den Spirigs in Walenstadt.» Mich dünkt, als er mir das erzählt, er strahle von ganz innen. Von dort, wo das Herz schlägt.

Hans Gubser als Kaminfeger mit DeinAdieu-Autor Martin Schuppli
In der Kaminfeger-Uniform schenkt Hans Gubser dem Fotografen ein Lächeln. Das Mausfell macht den Original-Zylinder glänzend – und wertvoll. Zusammen mit DeinAdieu-Autor Martin Schuppli posiert er vor seinen Hausbergen, den Churfirsten. (Foto: Paolo Foschini)

Aufgaben des Mesmers: Gottesdienst und Gotteshaus

Ich bin neugierig. Stelle viele Fragen. So erfahre ich mehr über das umfangreiche Pflichtenheft eines Mesmers, eines Sakristans. Da sind einmal die Hauswartsarbeiten in der Molser St.-Antonius-Kirche, in der St.-Gallus-Kirche in Quarten sowie in der St.-Anna-Kapelle, Oberterzen. Hans unterhält die Anlagen inklusive Friedhof in Quarten, putzt die kirchlichen Gebäude sowie die beiden Leichenhallen, reinigt die prächtigen Fenster, kontrolliert Heizungen und achtete auf die richtige Kühlung der Katafalke. Zudem gilt es, saisonale Arbeiten zu verrichten. Etwa Rasen zu mähen, Unkraut abzubrennen oder Schnee zu schaufeln. «Dann bist du also eine Art kirchlicher Facility-Manager», sage ich scherzhaft. Hans grinst. «Wenn du meinst …».

Wir lachen beide. Die obgenannten Arbeiten teilen sich Hans und Ehefrau Rosemarie. Die liturgischen Aufgaben versieht er alleine. Logisch. Was da alles dazugehört, darüber reden wir in der Kirche. Sie wurde 1862 auf derselben Hangterrasse fertiggestellt, dort wo einst die 1533 neugeweihte alte Kirche stand. Die soll einen Turm mit Zwiebelhelm gehabt haben.

Glaube: Hans Gubser, Mesmer, Quarten
Hans Gubser öffnet das Tabernakel. Es ist in katholischen Kirchen der Aufbewahrungsort der Reliqua sacramenti, der in der Eucharistiefeier geweihten Hostien, die nach katholischer Lehre Leib Christi sind und bleiben. (Foto: Paolo Foschini)

In der Sakristanenschule den Beruf gelehrt

Und wie es sich gebührt, hat Hans den liturgischen Blick drauf. Ernst, ja würdevoll steht er vor mir. Wir reden über seine Aufgaben als albetragender Mesmer. Ich recherchierte und fand einen Text von Pfarrer Dr. Erwin Keller. Darin beschreibt der Leiter der Schweizerischen Sakristanenschule in Einsiedeln, wie zahlreich und vielfältig diese Aufgaben sind. Sie seien in zwei Worte zu fassen: Gottesdienst und Gotteshaus.

In erster Linie gehört zum Sakristanendienst die äussere Vorbereitung für sämtliche gottesdienstlich-liturgischen Handlungen. Wie zahlreich und vielfältig diese Aufgaben sind, mag folgende Aufzählung zeigen.

Der Mesmer

  • bereite liturgische Orte vor. Etwa Altar, Ambo, Sedes, Taufbrunnen usw.
  • zündet Kerzen an, hält Weihrauch bereit
  • bereitet liturgische Geräte und Gefässe vor für den Gottesdienst
  • stellt liturgische Bücher bereit und schlägt sie, wenn er kann, an der gewünschten Stelle auf
  • legt liturgische Gewänder bereit, hilft beim Anziehen
  • er kümmert sich um Messwein, Hostien, Öl, Kerzen etc.
Glaube: Hans Gubser, Mesmer, Quarten

Hans Gubser entzündet ein Stück Weihrauch für die Messe. Symbolisch steht der Weihrauch für Reinigung, Verehrung und Gebet. Er zeigt an, dass Gott durch die Hingabe Christi die Welt erfüllt hat mit dem «Lebensduft, der Leben verheisst». (Foto: Paolo Foschini)

 

Mit den Kindern regelmässig die Kirche besucht

Hans sagt: «Wir mussten immer in die Kirche gehen. Das machte ich mit, bis ich die Schule beendet hatte. Danach, in der Pubertät, verweigerte ich mich. Später, als Rosemarie und ich dann Kinder hatten, besuchten wir die Gottesdienste und kirchlichen Feiern regelmässig.»

Als Mesmer macht es ihm besonders Freude, eine Hochzeit oder eine Taufe vorzubereiten. Ministrant war Hans Gubser nie. «Ich hätte dieses Amt versehen sollen, konnte aber kein Lateinisch. So gab ich den Anmeldezettel weiter.»

«In schweren Momenten rede ich mit Rosemarie»

Neben den fröhlichen Momenten in der Kirche gibts bedrückende Augenblicke. Etwa, wenn ein Kind, ein junger Mensch, ein Unfallopfer, begraben wird. Was macht das mit dir? Hans verschränkt die Arme, blickt mich an, sagt: «Dann werde ich nachdenklich. So eine Situation nimmt einen mit. Rosemarie und ich reden zusammen, das tut mir gut. Dann kann ich einen Strich machen und die Trauer mittragen.»

Glaube: Hans Gubser, Mesmer, Quarten
Hans Gubser neben der aus Holz geschnitzten Pietà in der Kirche Quarten. Das Original aus Carrara-Marmor schuf Michelangelo 1498/99. Es steht im Petersdom, Rom. (Foto: Paolo Foschini)

«Wohin die letzte Reise geht, weiss niemand»

Wie weit beeinflusst der Mesmerberuf die Gedanken zum Thema Leben und Sterben? «Die änderten sich natürlich nach dem Besuch in der Saktristanenschule», sagt Hans Gubser. Auf die Frage, wohin die letzte Reise führe, hat der stille, ernsthaft wirkende Mann eine klare Antwort: «Wohin die Reise geht, weiss niemand. Für mich ist klar, es gibt ein ewiges Leben. Der Herrgott sagte, er mache den Platz bereit. Ich bin überzeugt, es wird ein guter Platz sein. Zweifel gibts nicht.»

Und was passiert mit der Seele, nachdem wir stillgeworden sind? Einmal mehr schweigt der Mesmer kurz, sagt dann: «Das ist schwierig, es steht so, es steht anders, der eine sagt das, der andere sagt dies. Ich denke, die Seele geht in den Himmel, wo immer der ist. Und am jüngsten Tag werden wir alle auferstehen. Was das bedeutet, wissen wir nicht.»

Wichtig sei der Glaube, sagt Hans Gubser. Wichtig sei das Vertrauen. Und wichtig sei zudem Folgendes: «Die Kinder müssen wissen, was Recht und Unrecht ist.»

Und was wäre die Antwort, wenn ich fragte: Kommen wir wieder auf die Welt? Hans überlegt nicht lange, sagt: «Nein. Wenns fertig ist, ist aus die Maus.»

Hans und Rosmarie Gubser vor der Eingangspforte der St.-Gallus-Kirche in Quarten. (Foto: Paolo Foschini)

Wenn ich dereinst sterbe, begebe ich mich in Gottes Hände

Letzte Frage lieber Hans, was sagtest du, wenn du wüsstest, du würdest heute Nacht sterben. Still, ohne Schmerzen, ohne Angst? Hans lächelt, legt den Arm um seine Frau und sagt: «Wir können uns das nicht auswählen. Ich würde meiner Rosemarie ‹Tschüss› sagen und mich dann in Gottes Hände begeben.»

Text: Martin Schuppli, Fotos: Paolo Foschini

Sakristanenschule, Einsiedeln SZ

https://www.sakristane-schweiz.ch

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